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Schritt zu Quanteneffekten in der Makrowelt
Licht und Mechanik "stark gekoppelt"
 
  Wenn man sich Effekte der Quantenphysik vorstellt, stößt man schnell an die Grenzen der eigenen Fantasie. So können z.B. Teilchen über große räumliche Distanzen miteinander verbunden sein. Empirisch überprüft wurden derartige Vorstellungen bisher erst für die Quanten selbst - winzige Objekten wie etwa Photonen. Österreichische Physiker haben nun eine wichtige Voraussetzung dafür erfüllt, dass auch sichtbare Dinge der Alltagswelt den geheimnisvollen Gesetzen der Quantenphysik Genüge tun könnten.  
"Wir glauben, dass diese Gesetze vor der Makrowelt nicht haltmachen", meint Markus Aspelmeyer vom Institut für Quantenoptik und Quanteninformation (IQOQI) der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW).

Auch wenn es technisch schwer zu realisieren ist, könnten eines Tages auch Alltagsobjekte in "spukhafter Fernwirkung" zueinander stehen, wie es Albert Einstein einmal genannt hat.
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Die entsprechende Studie "Observation of strong coupling between a micromechanical resonator and an optical cavity field" ist in "Nature" (Bd. 460. S. 725) erschienen.
->   Abstract der Studie
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Mit freiem Auge sichtbar
Ob die Quantengesetze, die im Gegensatz zu unseren Alltagserfahrungen stehen, auch für Objekte unseres Alltags gelten - darüber hat sich die Physik seit den Tagen Erwin Schrödingers den Kopf zerbrochen. Weltweit arbeiten heute viele Gruppen daran, genau das zu überprüfen.

Das Objekt, mit dem die Quantenphysiker um Aspelmeyer nun gearbeitet haben, ist immerhin 50 Mikrometer - ein zwanzigstel Millimeter - breit und knapp ein sechstel Millimeter lang. Die Breite entspricht in etwa dem Durchmesser eines menschlichen Haars, das Objekt war somit mit freiem Auge sichtbar.
Mechanisch schwingende Brücke
Bei dem Objekt handelt es sich um eine Art Brücke, die mechanisch schwingen kann. Mit Hilfe derartiger mechanischer Oszillatoren kann versucht werden, die Übertragbarkeit der quantenphysikalischen Gesetze auf die "große Welt" zu überprüfen.

Das funktioniert allerdings nur, wenn zwei Bedingungen erfüllt sind: Erstens muss der mechanische Bauteil bis nahe an den absoluten Temperaturnullpunkt (Minus 273,15 Grad) gekühlt werden. Zweitens muss die Kraft zwischen dem mechanischem Oszillator und einem Elektron, Atom oder Photon stark genug sein, um dem natürlichen Zerfall der Quanteneigenschaften, der sogenannten Dekohärenz, entgegenzuwirken.

Während ersteres noch der Erfüllung harrt, ist zweiteres den österreichischen Forschern nun gelungen. Sie stellten eine für die Quanteneffekte wichtige "starke Kopplung" zwischen dem mechanischen Oszillator und Lichtteilchen her.
Photonen versetzen sie in Schwingung
Was haben die Forscher nun konkret gemacht? Auf die winzige Brücke montierten sie einen ebensolchen Spiegel, der Photonen reflektiert. Ein zweiter, oberhalb der Brücke montierter Spiegel verstärkt den Fluss der Lichtteilchen, die eine Kraft auf die Brücke ausüben.

"Man muss sich das vorstellen wie bei einer Hängebrücke. Wenn Menschen hier auf- und abspringen, dann wird sie in Schwingung versetzt", erklärt Aspelmeyer gegenüber science.ORF.at. Wobei die Menschen in diesem Fall die einwirkenden Lichtteilchen sind.
Ein optomechanisches Pendel
 
Bild: IQOQI

Die Brücke: jener Teil zwischen den dunklen Stellen, in der Mitte der runde Spiegel

Bei zu schwacher Lichteinstrahlung kann es nun zu lange dauern, bis genügend Kraft vom Licht zur Mechanik übertragen wird. In diesem Fall schwingt das Lichtfeld zwischen den Spiegeln im Wesentlichen unabhängig von der Bewegung der mechanischen Brücke. Bei starker Lasereinstrahlung ändert sich dies drastisch und es kommt zu einer gekoppelten Bewegung des Lichts mit dem mechanischen Oszillator - sie schwingen gemeinsam.

"Diese Situation ist analog zu zwei Pendeln, z.B. zweier Standuhren, die entweder mit einem weichen Gummiband oder mit einer starken Feder miteinander verbunden werden", erklärt Markus Aspelmeyer. "Im ersten Fall schwingen die beiden Pendel unbeeinträchtigt voneinander, im zweiten Fall kommt es aufgrund der 'starken Kopplung' der beiden Systeme zu einem völlig neuen, charakteristischen Schwingungsmuster."

Letzteres ist mit der Brücke und den Photonen nun gelungen: Entstanden ist eine Art optomechanischer Pendel, die erzeugte Schwingung ist weder rein optisch noch rein mechanisch. "Im Energiespektrum des aus dem optischen Resonator austretenden Lichts fanden wir eindeutig die Schwingungsmuster des stark gekoppelten optomechanischen Pendels", so Aspelmeyer.
Hoffnung auf Quanteneffekte in der Alltagswelt
Nach diesem wichtigen Schritt hoffen die Forscher nun, bald auch Quanteneffekte in mechanischen Objekten beobachten zu können. Notwendig dazu ist die Erfüllung der zweiten Bedingung - die Kühlung des mechanischen Bauteils bis nahe an den absoluten Nullpunkt. In der Kombination einer von der Gruppe bereits erfolgreich eingesetzten Laserkühlung mit herkömmlichen Kühlmethoden (Helium 4) soll das erreicht werden.

Ein solcher Quanteneffekt könnte z.B. die Verschränkung von zwei der aktuell eingesetzten Brücken sein. Zwar gibt es viele Physiker, die nicht an die Realisierung glauben - nicht zuletzt weil die Störungseinflüsse aus der Umwelt bei größeren Objekten auch immer größer werden.

Markus Aspelmeyer, der vor kurzem als Professor an die Fakultät Physik der Universität Wien berufen wurde, ist aber überzeugt: "Wir glauben, dass es für die Gesetze der Quantenphysik keine Größengrenzen gibt."

Lukas Wieselberg, science.ORF.at, 5.8.09
->   Markus Aspelmeyer
->   Institut für Quantenoptik und Quanteninformation
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01.01.2010