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E-Forum Alpbach: Vertrauen in der Medizin  
  Das Vertrauen der Patienten in die Medizin ist ein zentraler Bestandteil unserer Gesellschaften. Geht es etwa durch Fälschungsskandale verloren, hat das meist schwere Folgen für alle Beteiligten: Konsumenten, Ärzte und Industrie. Internationale Regelwerke versuchen daher, die Abläufe bei der Entstehung neuen medizinischen Wissen durch genaue Vorgaben zu kontrollieren.  
Mit dem Vertrauen in dieses System und in die tägliche Praxis beschäftigt sich der Mediziner Christoph Zielinski in einem Gastbeitrag. Er leitet beim Europäischen Forum Alpbach 2009 ein Seminar.
Kontrollierte Abläufe schaffen Vertrauen
Von Christoph Zielinski

Wenn über Vertrauen in die Medizin gesprochen wird, so deckt dieses Gebiet das Gesamtkonzept der Generierung wissenschaftlicher Erkenntnis, ihrer Umsetzung in das tägliche Sein und - nach dem Selbstverständnis europäischer Sozialstaaten - die Ermöglichung des Zugangs für alle zu auf wissenschaftlicher Basis generierten Erkenntnissen.

Im Idealfall führen diese Erkenntnisse zu einer Veränderung schicksalhafter Krankheitsverläufe im Sinne ihrer Chronifizierung oder gar Heilung. Der Ablauf der Generierung biologischer Erkenntnis bauen auf der kompromisslosen Erfüllung von Vorgaben auf, wie sie seit der Helsinki-Deklaration sukzessiv ausgebaut und in Regelwerke gegossen wurden.

Dazu zählt ihre Umsetzung in erste medizinische Anwendungen beim Menschen unter der Erfüllung ethischer Vorgaben und der Nachvollziehbarkeit der resultierenden Ergebnisse, die Aufnahme und Widerspiegelung der Erkenntnisse und ihrer medizinischen Umsetzung durch die wissenschaftliche, aber auch mediale Öffentlichkeit und letztlich deren Finanzierung durch ein öffentliches Sozialsystem.
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Seminar beim Europäischen Forum Alpbach
Christoph Zielinski leitet gemeinsam mit Jacek Jassem beim Europäischen Forum Alpbach das Seminar "Trust and confidence in medicine" (20.- 26. 8 2009). science.ORF.at stellt dieses und weitere Seminare in Form von Gastbeiträgen vor.
->   Details zum Seminar
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Regelwerke als Garantie
Derartige Regelwerke sollen garantieren, dass es zu keinerlei Verzerrungen in der Gewinnung der Erkenntnisse, ihrer Darstellung, ihrer Umsetzung in klinisch-wissenschaftliche Projekte, der neuerlichen Darstellung der daraus resultierenden Ergebnisse, ihrer Bestätigung durch weitere Studien, und als Ergebnis all dieser Schritte zur Akzeptanz des Wahrheitsgehalts der initialen wissenschaftlichen Annahme kommt.

Als Ergebnis des korrekten Ablaufs dieser Prozesse und ihrer korrekten Umsetzung resultiert Vertrauen der Öffentlichkeit und des betroffenen Individuums in das perfekte Funktionieren der Wissenserkenntnis und ihrer Umsetzung in medizinische Wirklichkeit.
Gefälschte Studien
Allerdings wird dieses Vertrauen immer wieder - sei es zu Recht oder zu Unrecht - erschüttert und in Frage gestellt. So haben wir alle von gefälschten Studien aus dem Labor, der gefälschten Vermittlung von Ergebnissen in Publikationen, von der manchmal überaus großen Schwierigkeit des schlüssigen Beweises von "Scientific Fraud" und den daraus resultierenden Konsequenzen, aber auch von unterdrückter Evidenz von Nebenwirkungen oder der übertriebenen Darstellung von klinischen Wirkungen gehört.
Nicht wieder gut zu machender Schaden
Dies kann bis inklusive der Phase der Verbreitung eines Medikaments auf dem Markt geschehen, und in unmittelbarer Folge zur Frage nach der Berechtigung der Finanzierung durch öffentliche Sozialsysteme führen.

Als Konsequenz daraus kann im besten Fall die Eingestehung eines Fehlers mit resultierender Kompensation eines in Wirklichkeit nicht wieder gut zu machenden Schadens oder im schlechtesten Fall konsequente Vernaderung mit der resultierenden Schädigung von Patienten durch Vorenthaltung eines tatsächlich wirksamen Medikaments stehen. Heils- und Unheilsverkünder verschiedener Provenienz und von unterschiedlichem Zugang haben hier ein breites Betätigungsfeld gefunden.
Vertrauen in den Fortschritt als Grundlage
Es gilt, durch akribische wissenschaftliche Analyse Variablen zu untersuchen, die für oder gegen den Wahrheitsgehalt einer Annahme und deren Beweises, für oder gegen die Umsetzung des Wahrheitsbeweises einer Annahme in der Klinik und letztlich der Anwendung beim Menschen sprechen.

Konsequenzen und Pönalisierungsmassnahmen sind in solchen Fällen von größtem Schadenspotential zu diskutieren und umzusetzen. Nur durch eine offensive Politik unter allen diesen Aspekten wird es möglich sein, das vorhandene Vertrauen bei der Bevölkerung zu vertiefen und auszubauen, statt es populistisch auszuhöhlen.

Besonders letzteres geschieht, wenn internationale Richtlinien, die Transparenz und optimale Durchschaubarkeit der Darstellung von Daten herbeiführen sollen, selbst als Teil des Problems dargestellt werden, wie es mitunter geschieht. Somit ist das Vertrauen in die Medizin sehr häufig mit dem Vertrauen in den Fortschritt und seine Grundlagen gekoppelt, wobei in sehr vielen Subdisziplinen viele kleine Schritte zu einem großen werden, der letztlich dazu führt, dass Patienten mit ihrer Erkrankung länger leben oder diese gar überleben können.

[10.9.09]
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Über den Autor
Christoph Zielinski ist Mediziner an Abteilung für Onkologie der Wiener Universitäts-Klinik f. Innere Medizin. Seine Forschungsschwerpunkte sind unter anderem Onkologie und Hämatologie, klinische Immunologie und Rheumatologie.
->   Christoph Zielinski
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Weitere Beiträge zu den Seminaren des E-Forum Alpbach 2009 auf science.ORF.at
->   E-Forum: Vertrauen im Recht
->   E-Forum Alpbach: Nationen und ihre Erinnerungskulturen
Weitere Beiträge zu den Technologiegesprächen des Europäischen Forum Alpbach 2009:
->   "Häuser, die mit dem Netz reden"
->   "Bürger auf gleicher Augenhöhe mit dem Staat"
->   Das Individuelle der Allergien
->   "Da hat die Natur Sicherheitsmaßnahmen eingebaut"
 
 
 
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01.01.2010