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Jucken tut nicht weh  
  Ob Juckreiz ein leichter Schmerz ist, darüber gehen die Meinungen auseinander. Forscher haben nun bei Mäusen Nervenzellen entdeckt, die darauf hindeuten, dass Jucken nicht gleich Schmerz ist.  
Das mag für viele keine Überraschung sein, aber Neurowissenschaftler hat die Frage, ob das Nervensystem Schmerz und Juckreiz trennt, lange beschäftigt. Zhou-Feng Chen und seinen Kollegen an der Washingtoner Universität in St. Louis, Missouri, könnte nun in einer Studie (Science Express, doi: 10.1126/science.1174868) der Beweis gelungen sein, dass für Schmerz und Jucken verschiedene Rezeptoren zuständig sind, zumindest bei Mäusen.
Das Jucken als Sinneseindruck
Die Forscher zerstörten bestimmte Neuronengruppen in der Wirbelsäule der Mäuse. Wurde ihnen daraufhin eine Juckreiz hervorrufende Chemikalie injiziert, kratzten sie sich nicht. Trotzdem reagierten sie auf Schmerzreize.

"Die meisten Menschen akzeptieren, dass es eigene Neuronen für Sinneseindrücke wie Schmecken gibt", sagt Chen. "Aber bei Schmerz und Juckreiz ist es viel komplizierter. Wir konnten das erste Mal zeigen, dass ein Juckreiz vom Schmerzempfinden unabhängig wahrgenommen wird".
Eigenes Gen für Juckreiz?
Schon vor zwei Jahren entdeckte Chen's Gruppe das Gen GRPR (Gastrin-Releasing Peptide Receptor) bei Mäusen und stellte fest, dass es wichtig ist, um Juckreiz wahrzunehmen. Dies ließ zwar vermuten, dass es eigene Juck- Rezeptoren geben könnte, gesichert war es damit aber nicht.

Schließlich könnten Neuronen, die das Gen produzieren, auch Schmerz weiterleiten. Also wählten die Forscher einen umfassenderen Ansatz. Sie zerstörten Neuronen, die das Gen GRPR trugen, mit einem Zellgift.
Mäuse reagieren auf Schmerz, aber nicht auf Juckreiz
Nun mussten die Forscher den Mäusen nur noch Schmerzen zufügen. Dies taten sie auf unterschiedliche Art und Weise. Durch mechanischen Druck, Hitze und reizende Chemikalien. Die Mäuse reagierten wie ihre normalen Kollegen: Sie leckten sich, zuckten zusammen oder sprangen umher.
Aber als die Forscher Chemikalien wie Histamine injizierten, die Jucken verursachen, reagierten sie kaum. Je mehr GRPR befördernde Neuronen zerstört waren, desto gedämpfter war die Reaktion auf den Juckreiz.

"Dies ist der erste Verhaltensbeweis dafür, dass es Neuronen gibt, die für Juckreiz zuständig sind", sagt Chen, "Die Leute haben jahrelang nach so einem Beweis gesucht". Irgendwann, so hofft Chen, könnte man Medikamente gegen Juckreiz entwickeln, die keine Schmerzmittel sind. Dann tut Jucken tatsächlich nicht mehr "weh".

[science.ORF.at, 7.8.09]
->   Zhou-Feng Chen
 
 
 
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01.01.2010