News
Neues aus der Welt der Wissenschaft
 
ORF ON Science :  News :  Wissen und Bildung 
 
Die Archäologie des Bunten  
  An mittelalterlichen und antiken Kunstgegenständen haben Forscher einige der ältesten Spuren von Pflanzen- und Tierfarben nachgewiesen. Solche Analysen von Farbpigmenten können nicht nur Fälschungen entlarven; mit ihnen lassen sich auch die Werke den Herstellern zuordnen und alte Handelsrouten rekonstruieren.  
Manche Läuse ereilte in der Geschichte ein grausames Schicksal durch Menschenhand: Die Tiere wurden gemahlen. Während die Laus meist als Schädling gilt, waren manche Arten bei Künstlern und Handwerken hochbegehrt: Sie produzieren tiefrote Farbstoffe, die über Jahrhunderte Kleider und Kunstwerke schmückten.
Glänzende Kunstgeschichte
Bild: National Academy of Sciences, PNAS.
Die Morgan-Madonna aus der zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts.
Mit der Farbe zerdrückter Läuse wurden bereits im 12. Jahrhundert Marienstatuen bemalt, wie Marco Leona, der wissenschaftliche Leiter des Metropolitan Museum of Art in New York nun mit einer neuen Analysetechnik herausfand (online). Es handelt sich um Gummilack, ein Produkt der Lackschildlaus, aus dem auch Schellack hergestellt wird.

Die Insektenfarbe stammt aus Asien. Dokumente aus dem 13. Jahrhundert erwähnen bereits, dass Händler aus Katalonien und der Provence den Stoff aus Nordafrika importiert haben, wo ihn Kaufleute vermutlich aus Indien erhalten haben. An Kunstgegenständen konnte die Farbe bisher jedoch nur bis ins 15. Jahrhundert nachgewiesen werden. Die nun untersuchte Madonna ist das derzeit früheste bekannte Werk, das mit diesen Farben verschönert wurde.

Rote Farbstoffe aus verschiedenen Läusearten wurden in der Geschichte immer wieder benutzt. So fand Leona auch auf einem Gemälde aus dem Jahr 1510 aus der Werkstatt von Francesco Granacci in Florenz Karminrot, das ebenfalls aus Läusen gewonnen wurde.
Die bunten Spuren der Händler
Die Analyse von alten Farbpigmenten verrät den Wissenschaftlern aber nicht nur etwas über damalige Technik und Handwerkskunst. Durch die Charakteristika der einzelnen Farben können Forscher eine Beziehung zwischen verschiedenen Objekten herstellen.

An einer zweiten Madonna entdeckte Leona die gleiche Farbe. An beiden Statuen wurde sie zudem mit der gleichen Technik und in der gleichen Kombination mit anderen Farben verwendet. Da die Pigmente aus Asien damals sehr selten waren, ist es nun naheliegend, dass beide Madonnen aus derselben Werkstatt stammen. Bisher hatte man dies vermutet, weil die Marienstatuen stilistisch ähnlich sind.

Der Nutzen der Methode geht aber darüber hinaus: In günstigen Fällen lassen sich laut Leona mit den Analysen sogar der Weg der Farben und damit Handelsrouten nachverfolgen.
Ältester Nachweis von Pflanzenfarben
 
Foto: National Academy of Sciences, PNAS.

4.000 Jahre alter bemalter Köcher aus Ägypten.

Eine weitere von Leona untersuchte Farbe war das Rot auf einem 4.000 Jahre alten Lederköcher aus einer ägyptischen Grabkammer bei Theben. Der Farbstoff stellte sich als Krapprot heraus - auch Alizarin genannt. Der Stoff wird aus den Wurzeln des Färberkrapps gewonnen, einer Pflanze, die mit dem heimischen Waldmeister, aber auch mit Kaffee verwandt ist.

Damit ist der Köcher nicht nur das derzeit älteste bekannte Stück, das mit Krapprot bemalt wurde, Leona zufolge ist es auch der früheste Nachweis in der Menschheitsgeschichte für die aufwändige chemische Technik, Pflanzenfarbstoffe zu extrahieren und daraus Pigmente herzustellen. Dass die alten Ägypter dieses Wissen hatten, war zwar bekannt, der bisher älteste Beweis dafür war aber 700 Jahre jünger. Der Färberkrapp war die vorherrschende Farbpflanze im mediterranen Raum und eine der wichtigsten weltweit.
Schwieriges Handwerk
Leicht auf die Schliche kommen Wissenschaftler der Herkunft alter Pflanzenfarben jedoch nicht. Damit der Lack von den wertvollen Objekten nicht abgeht, darf manchmal keine Farbprobe entnommen werden; falls doch, liegen Pigmente nur in geringer Konzentration vor und sind nur einige hundert Mikrometer groß.

Besonders von Gemälden und von bemalten Skulpturen können nur kleine Proben entnommen werden. Bei Textilien lassen sich laut Leona immerhin einige Millimeter Stoff opfern. Zwar kennen Forscher auch Untersuchungstechniken mit UV-Absorption, bei denen die Probe nicht beeinflusst wird; diese seien aber wenig spezifisch.
Neue Analysemethode

Video der wissenschaftlichen Abteilung des Metropolitan Museum of Art.

Leona zufolge waren analytische Methoden daher bisher nicht fein genug, um unter diesen Umständen alte Färbetechniken gut untersuchen zu können. Für seine Arbeit hat er daher eine bestehende Methode - eine abgewandelte Technik der sogenannten Raman-Spektrometrie - so verändert, dass er auch besonders kleine Proben analysieren konnte. Von einem mit einer Nadel entnommenen Partikel mit nur 25 Mikrometer Durchmesser lässt sich dadurch die chemische Formel des Farbstoffs bestimmen.

Läuse kamen auch für diese Versuche wieder zum Handkuss: Um ein Vergleichsspektrum zu den alten Farben zu erstellen, zerdrückte Leona eines der Tiere, um an den geschichtsträchtigen Farbstoff heranzukommen.

Mark Hammer, science.ORF.at, 11.8.09
Mehr zu dem Thema in science.ORF.at:
->   Wie Batiken nach Afrika kamen
->   Wie Batiken nach Afrika kamen
->   Memnon-Kolosse erstrahlen wieder in Farbe
->   Die Farbe Lila: Vor 150 Jahren durch Zufall entwickelt
 
 
 
ORF ON Science :  News :  Wissen und Bildung 
 

 
 Übersicht: Alle ORF-Angebote auf einen Blick
01.01.2010