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Das Parkproblem von Autos und Vögeln  
  Ein tschechischer Physiker hat die Abstände zwischen parkenden Pkws vermessen und eine überraschende Parallele zu Vögeln auf Stromleitungen festgestellt: Beide lassen sich offenbar mit der gleichen "Parklückenstatistik" beschreiben.  
Parklücken in Königgrätz
Wenn man die Publikationsliste von Petr Seba durchstöbert, erstaunt zunächst die Vielfalt seiner Arbeitsgebiete. Der Physiker von der Universität Königgrätz beschäftigt sich mit Laserresonatoren, zellulären Automaten und - etwas untypisch für seine Profession - auch mit den statistischen Eigenschaften des Verkehrs.

Seine letzte Arbeit, veröffentlicht auf dem Preprintserver "arXiv" (Abstract), handelt etwa vom so genannten "Parkproblem", das da lautet: Wie bekomme ich ein Objekt x zwischen zwei andere Objekte, sodass es zu keiner Berührung kommt?

Berührungen (oder Karambolagen) zu vermeiden heißt, dass Abstände zwischen den drei Objekten bestehen müssen - und die haben es Seba offensichtlich angetan. Er hat die Abstände zwischen 700 Autos in einer langen Straße in Königgrätz abfotografiert, in seinen Rechner eingespeist und festgestellt: Die Zwischenräume sind keineswegs zufällig verteilt, sie lassen sich mit einem Zweig der Mathematik beschreiben, den Fachleute als "random matrix theory" bezeichnen. So weit, so statistisch.
Vögel agieren wie Autofahrer
 
Bild: dpa/dpa-Zentralbild/Z1022 Patrick Pleul

Um sein Modell zu überprüfen, hat Seba das gleiche Procedere auch mit Vögeln auf Königrätzer Stromleitungen wiederholt und nachgewiesen, dass es sich auch für ornithologische Anwendungen eignet. Erstaunlich war indes folgendes Detail: Die Messungen an Vögeln und Vehikeln ergaben ein annähernd identes Lückenmuster.

Statistisch gesehen macht es offenbar kaum einen Unterschied, ob Vögel oder Pkw das Parkproblem lösen, obwohl die Hardware in beiden Fällen durchaus unterschiedlich ist. Warum? Seba vermutet, dass die Übereinstimmung mit der verwandten Wahrnehmung von Vögeln und Menschen zu tun hat. Fakt ist, dass deren gemeinsamer Vorfahre bereits ein relativ gut entwickeltes Nervensystem besaß, folglich sollte auch die Distanzwahrnehmung im Vogel- und Säugerhirn nach ähnlichen Prinzipien ablaufen.
Unbekannte Universalgesetze?
Es könnte aber auch eine ganz andere Erklärung für die eigenartige Parallele geben. Vor drei Jahren schlug der der US-Mathematiker Percy Deift vor, dass die "random matrix theory" eine ähnlich fundamentale Rolle spielen könnte wie die Thermodynamik in der Physik (arXiv, Abstract).

Damit war gemeint, dass die Wärmlehre für alle denkbaren Systeme im Gleichgewicht gilt, ganz egal woraus sie bestehen. Demnach ist es in gewisser Hinsicht irrelevant, ob man es nun mit einem Gas zu tun hat oder mit einer Volkswirtschaft. Denn in beiden Fällen gilt auf der Makroebene: Energie ist unzerstörbar und kann nur mit Verlusten in andere Formen verwandelt werden.

Deift vermutet, dass es in der Mathematik ähnlich weitreichende Gesetze gibt, die erst auf der Ebene des großen Ganzen entstehen. Sollte das für die "random matrix theory" zutreffen, dann wäre der Rückgriff auf unsere Wahrnehmung nicht unbedingt notwendig. Für diese Variante spricht, dass die Theorie auch in der Kernphysik und anderen Gebieten gute Arbeit leistet, wo die Psyche bekanntlich keine Rolle spielt.

Robert Czepel, science.ORF.at, 12.08.09
->   Petr Seba
->   Percy Deift
 
 
 
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01.01.2010