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Säuglinge lernen durch einfaches Zusehen  
  Aller Anfang ist schwer: Motorik will gelernt sein. Sogenannte Spiegelneurone helfen Säuglingen dabei auf die Sprünge, wie Forscher in einem Versuch nachgewiesen haben.  
Ein Säugling, neun Monate alt, sitzt im Kasperltheater. Sein Kopf ist verdrahtet. Als sich der Vorhang öffnet, kommen nicht Kasperl und Petzi zum Vorschein, sondern ein künstlicher Greifarm, der dem Säugling ein kleines Spielzeug hinhält. Dieser streckt die Hand aus und greift danach. Nachdem er kurz damit gespielt hat, wird es ihm wieder weggenommen, und das Theater geht von vorne los.

Diese Szene ist Teil einer Versuchsanordnung von Forschern rund um Victoria Southgate an der Universität von London. Wie sie in der neuen Ausgabe von Biology Letters (Abstract) berichten, konnten sie damit zeigen, dass bereits Säuglinge Spiegelneurone ausgebildet haben.
Spiegelneurone erst seit vorigem Jahrzehnt bekannt
Spiegelneurone wurden erst 1995 bei Makaken entdeckt und wenig später auch beim Menschen nachgewiesen. Sie sind Nervenzellen im Gehirn, die sowohl beim Ausführen einer Bewegung Signale aussenden als auch beim bloßen Beobachten der Bewegungen aktiv werden. In einem früheren Versuch konnten sie bei sechs Monate alten Säuglingen noch nicht nachgewiesen werden.

Die Versuchsanordnung, die Southgate und ihr Team wählten, bestand aus zwei Phasen: In der Greifphase wurden den Säuglingen, wie anfangs beschrieben, Spielzeuge von einem mechanischen Greifarm gereicht. Nach höchstens 20 Spielzeugen war damit Schluss.

In der Beobachtungsphase wurde wieder der Vorhang geöffnet. Auf der Bühne lag ein kleines Spielzeug. Nach kurzer Zeit griff eine menschliche Hand danach und entfernte es. Der Vorhang fiel. Die Szene wurde wiederholt, bis der Säugling müde wurde oder 60 Durchgänge geschafft waren.
Säuglinge reagieren auf zukünftiges Ereignis
Durch das Elektroenzephalogramm (EEG) konnten nicht nur während der Greifphase Aktivitäten im somatosensorischen Cortex der Kleinen nachgewiesen werden, sondern auch während der Beobachtungsphase. Und zwar bevor die Hand auf der Bühne zum Vorschein kam. Dies führen die Forscher darauf zurück, dass die Säuglinge gelernt hatten, dass nach dem Öffnen des Vorhangs eine Hand zum Vorschein kommen würde.

In den ersten drei Durchgängen hatten die Neuronen nämlich nicht vor der Handlung gefeuert. Diese Beobachtung deckt sich auch mit früheren Berichten, nach denen Erwachsene ihr motorisches System aktivieren, wenn sie eine bestimmte Handlung einer Person erwarten.

Der nächste Schritt wäre, so die Forscher, Säuglingen Bewegungen zu zeigen, die sie noch nicht kennen, um einen Zusammenhang von Bewegung und Verhalten herzustellen. Durch den Versuch sehen die Wissenschaftler Thesen bestätigt, nach denen Spiegelneuronen Handlungen gewissermaßen vorhersehen können.

Benedikt Baumgartner, science.ORF.at, 12.08.09
->   Victoria Southgate
->   science.ORF.at zu Spiegelneuronen
 
 
 
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01.01.2010