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Auch die Mimik kennt Sprachbarrieren  
  Asiaten haben einer Studie zufolge mitunter Schwierigkeiten bei der Unterscheidung von Mienenspielen, wie etwa Angst und Überraschung. Der Grund: Sie "lesen" Gesichter anders als Europäer.  
Japanisch für Anfänger
Wer in Japan Passanten die Frage "Kennen Sie den Weg nach ...?" stellt und als Antwort ein freundliches "Hai", also "Ja", bekommt, muss nicht unbedingt an der gesuchten Adresse landen. Denn "Hai" kann sowohl bedeuten: "Ja, ich kenne den Weg", als auch: "Ja, ich habe verstanden, was sie sagen. Aber den Weg kenne ich nicht."

Vorsicht ist auch bei Mexiko-Aufenthalten geboten. Wer sich dort mit jemandem in einer Stunde verabredet, sollte zunächst klären, ob damit das europäische oder das lokale Zeitmaß gemeint ist. Denn die "hora inglesa" dauert wie bei uns 60 Minuten, die "hora mexikana" indes deutlich länger - wie viel mehr, kann keiner so genau sagen, aber außer uns terminversessenen Europäern will das vermutlich auch niemand wissen.
Der Mimik-Test
Dass die Sprache Barrieren errichtet, zu deren Überwindung man jede Menge Irrtümer, Missverständnisse, mitunter auch Peinlichkeiten beiseite räumen muss, ist bekannt. Dass diese Feststellung auch für die Mimik zutreffen könnte, würde man hingegen eher nicht erwarten. Gilt sie doch seit Darwins Klassiker The Expression of the Emotions in Man and Animals als "Universalsprache der Gefühle".

Doch ganz so universell verständlich sind die ins Gesicht gezeichneten Gefühle offenbar nicht, wie Roberto Caldara im Fachblatt "Current Biology" (Bd. 19, S. 1) berichtet.

Der Psychologe von der University of Glasgow bat 13 Europäer und ebenso viele Ostasiaten in sein Labor und legte ihnen standardisierte Bilder von Gesichtsausdrücken vor, die sie sieben Gefühlskategorien zuordnen sollten: Freude, Trauer, Überraschung, Angst, Ekel, Ärger sowie ein neutraler Blick. Wie sich herausstellte, sind Europäer bei dieser Übung deutlich erfolgreicher.
Mit den Augen lachen
Ostasiaten können der Studie zufolge Emotionen nicht immer auseinanderhalten, die Fehler passieren allerdings nicht zufällig, sondern gehorchen einer bestimmten Ordnung. Angst und Überraschung sowie Ekel und Ärger sind Emotionspaare, die für sie offenbar relativ ähnlich wirken.

Das hat mit der kulturellen Prägung des Blicks zu tun, wie Caldara und seine Kollegen nachweisen: Während Europäer ihren Blick über das gesamte Gesicht ihres Gegenüber streifen lassen, um dessen Stimmung zu "lesen", konzentrieren sich Asiaten viel stärker auf die Augen und negieren tendenziell die Mundregion. Das ist auch der Grund dafür, dass die Verwechslungen vorwiegend in Paaren auftraten. Ängstliche und überraschte Mienen sind einander in der Augenregion relativ ähnlich, gleiches gilt für den Ausdruck, der sich bei und Ekel und Ärger einstellt.

Interessanterweise hat sich die unterschiedliche Bedeutung, die beide Kulturkreise der Mund- und Augenregion zumessen, auch in einem ganz anderen Bereich manifestiert, und zwar bei den im Internet üblichen Emoticons. In Europa und den USA drückt man gute und schlechte Stimmung bekanntlich so :-) und so :-( aus. Asiaten lachen und trauern im Web hingegen mit den Augen: ^.^ und ;_;

Robert Czepel, science.ORF.at, 14.08.09
->   Roberto Caldara
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01.01.2010