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Mit Nachahmung beginnt die Freundschaft  
  Wie entstehen soziale Bindungen? Zum Beispiel durch Imitation, wie Experimente an Affen zeigen. Versuche mit Vögel bestätigen indes die alte Wahrheit: Wenn sich zwei näherkommen wollen, muss auch die (Bio-)Chemie zwischen ihnen stimmen.  
Autoverkäufer geben gerne recht
Menschen lieben es, wenn andere die Dinge so tun wie sie. Psychologen und Verkaufstrainer haben das "Spiegeln" der Ansichten des Gesprächspartners längst zur erfolgversprechenden, vertrauensbildenden Taktik bei Diskussionen in der Ehe und bei Geschäften erklärt.

Doch diese Methode ist keine Erfindung des Menschen: Sie wirkt auch bei Kapuzineraffen, wie US-Forscher im Fachjournal "Science" (Bd. 325, S. 880) berichten.

Annika Paukner vom National Institute of Child Health and Human Development in Poolesville (US-Staat Maryland) hat mit den sozial veranlagten Kapuzineraffen folgendes Experiment durchgeführt: Die Affen konnten sich in drei miteinander verbundenen Käfigen aufhalten. Standen Experimentatoren vor den beiden äußeren, so hielten sich die Tiere gleich häufig in jedem der Käfige auf, ebenso, wenn diese "auf Affenart" mit bunten Plastikbällen spielten.
Nachäffen macht beliebt
Bekamen die Affen aber selbst einen Spielball und tat einer der Versuchspersonen mit seinem Ball immer genau das, was der Affe gerade getan hatte, so blieben die Tiere verstärkt auf dessen Seite. Die Tiere interessierten sich aber nicht nur stärker für den Nachahmer, sie akzeptierten ihn auch eher als sozialen Partner, indem sie Gegenstände gegen Futter mit ihm tauschten.

Auch bei den Kapuzineraffen kann die Nachahmung von Verhalten die sozialen Bindungen stärken, schließen die Forscher. Das belege, dass dieser Mechanismus keine kulturelle Erfindung des Menschen ist, sondern auch tief im Repertoire seiner tierischen Verwandten verankert zu sein scheine, stellen die Forscher fest. "Imitation ist die beste Schmeichelei" - ein Weg zur Freundschaft geht über die Nachahmung des anderen.
Mesotocin, der soziale "Kleber"
 
Bild: G. Chapman

In der gleichen Ausgabe von "Science" (Bd. 325, S. 862) berichten Forscher von den biochemischen Grundlagen der Geselligkeit. Dass die Substanz "Oxytocin" bei Säugetieren eine Schlüsselrolle für den Aufbau sozialer Bindungen spielt und etwa bei schwangeren Frauen die Milchproduktion anregt, wusste man schon länger.

Ein Team um James Goodson von der Indiana University hat nun nachgewiesen, dass auch im Hirn von Zebrafinken Ähnliches vor sich geht, allerdings wirkt dort die Substanz Mesotocin, ein evolutionärer Vorläufer des Oxytocins. Vögel, denen die Mesotocin-Rezeptoren chemisch blockiert wurden, zeigten deutlich weniger Interesse an der Schwarmbildung und verhielten sich deutlich einzelgängerischer als ihre Artgenossen. Umgekehrt führte eine zusätzliche Dosis Mesotocin zu gesteigertem sozialen Interesse.
Rezeptoren machen schwärmerisch
Einen wichtigen Unterschied zwischen Säugern und Vögeln gibt es allerdings: Bei letzteren sind nur die Weibchen für die Wirkungen der sozialisierenden Substanz empfänglich, die Männchen offenbar nicht. "Warum das so ist, wissen wir noch nicht", sagt Godson. Er und seine Mitarbeiter gingen auch der Frage nach, warum manche Vogelarten Schwärme bilden, während andere in abgegrenzten Territorien leben und diese aggressiv verteidigen.

Mögliche Antwort: Den entscheidenden Unterschied könnte die Zahl der Mesotocin-Rezeptoren machen. Laut der Studie betrifft das vor allem die Hirnregion namens "laterales Septum".

[science.ORF.at, 14.8.09]
->   Annika Paukner
->   James Goodson
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01.01.2010