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Physiker beschreiben unsichtbare Pforte  
  Lewis Carroll hat es schon vor fast 140 Jahren kommen sehen. Nachdem Alice aus dem Wunderland zurückgekehrt war, schickte er sie in "Alice hinter den Spiegeln" durch einen Spiegel in ein fremdes Land. So eine Pforte könnte bald Realität sein, berichten Physiker.  
Hinter den Spiegeln
"Let's pretend there's a way of getting through into it, somehow, Kitty. Let's pretend the glass has got all soft like gauze, so that we can get through. Why, it's turning into a sort of mist now, I declare! It'll be easy enough to get through--"

Lewis Carroll; Through the Looking-Glass, and What Alice Found There (1871).

Wissenschaftlern aus China ist es gelungen, ein unsichtbares Tor zu konstruieren. Zumindest als theoretisches Modell, in der Praxis scheitert es nämlich noch am Werkstoff, den man dazu braucht. Huanyang Chen und sein Team haben ihre Ergebnisse im "New Journal of Physics" (Abstract) veröffentlicht.

Die sind durchaus brisant: In ihrer Studie beschreiben sie, wie man ein Tor bauen kann, das elektromagnetische Wellen blockt, alles andere aber durchlässt. Das heißt, das Tor ist zwar nicht zu sehen, man kann aber hindurchgehen.
Objekte sind sichtbar, weil sie Licht reflektieren
Im Prinzip geht es darum, Licht, das von allen natürlichen Objekten reflektiert und somit für unser Auge sichtbar wird, um dieses Objekt herum zu lenken. Das Resultat daraus wäre eine Tarnkappe, ein uralter Menschheitstraum.

Wäre es allerdings gar so einfach, hätte man diesen magischen Tarnumhang, wie ihn etwa Harry Potter trägt, schon längst erfunden. Zwar gibt es in letzter Zeit enorme Fortschritte auf diesem Gebiet, eine praktische Anwendung im dreidimensionalen Bereich ist aber noch nicht möglich.
Künstliche Metamaterialien können Licht "schlucken"
Die Forscher weisen in ihrer Arbeit darauf hin, dass ein weiterer Fortschritt in der Erforschung von Metamaterialien gelungen ist. Metamaterialien sind künstlich hergestellte Strukturen, die im Idealfall eine negative Brechzahl aufweisen. Das bedeutet, dass sie Licht nicht reflektieren. Negative Brechzahlen kommen durch die geschickte Anordnung einer sehr großen Anzahl von Leiterelementen zustande.

Chens Team geht dabei von einem neuartigen, magnetischen photonischen Kristall aus, der rechteckige Linien aus Eisenoxyd trägt. Dieser neue verstärkbare "Superzerstreuer", der elektromagnetische Wellen umleitet, hat den Vorteil, dass er durch äußerliche Magnetfelder beeinflussbar ist. Man kann das unsichtbare Tor sozusagen ein- und ausschalten.
Durchgehen ja, durchsehen nein

Rechts: Schematische Darstellung des Tors. Zwischen den Supraleitern (blau) wird der Superzerstreuer (rot) befestigt. Dieser täuscht ein Spiegelbild vor (gestrichelt umrissene grüne Fläche), wodurch ein unsichtbares Tor entsteht.

"Leute, die außerhalb des Tors stehen, würden so etwas wie einen Spiegel sehen. Ob das Tor alles sichtbare Licht blocken kann, hängt davon ab, ob man ein Metamaterial herstellen kann, das einen negativen Brechungsindex in der gewünschten Stärke hat", sagt Huanyang Chen.

Wie lange es noch dauern wird, bis wir mit Alice hinter den Spiegel reisen können, hängt also von der Ingenieurskunst ab.

Benedikt Baumgartner, science.ORF.at, 17.08.09
->   Lebenslauf HuanYang Chen
->   Andere Arbeiten von H. Chen zum Thema
->   Metamaterial (Wikipedia)
Mehr zu diesem Thema in science.ORF.at:
->   Tarnmantel lässt Kupferkörper "verschwinden"
->   Fortschritte bei Entwicklung von Tarnkappe
->   Tarnkappen sind mehr als Phantasie
 
 
 
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01.01.2010