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Warum wir im Kreis laufen  
  Wer in unbekanntem Terrain ohne äußere Orientierungshilfen unterwegs ist, läuft im Kreis, heißt es. Dass dem tatsächlich so ist, haben deutsche Forscher nun experimentell nachgewiesen. Ihre lapidare Erklärung: Wir können einfach nicht geradeaus gehen.  
Unsere Sinneseindrücke seien nur begrenzt vertrauenswürdig, daher sind wir ohne zusätzliche Informationen wie Sonnenstand oder markante Punkte in der Landschaft letztlich hilf- und orientierungslos.
"Im finsteren Wald"
Aus Märchen oder Horrorfilmen ist bekannt, im dunklen Wald kann man sich nicht nur leicht verirren, sondern man läuft - ohne es zu wollen - im Kreis. Im schlimmsten Fall landet man immer wieder am selben Punkt und findet nie wieder raus. Nicht zuletzt deshalb warnt man Kinder, im Wald nicht vom markierten Weg abzuweichen oder ähnlich wie Hänsel und Gretel selbst für Markierungen zu sorgen.

In einer aktuellen Studie (Current Biology, 20. August 2009) hat ein Forscherteam rund um Jan Souman vom Tübinger Max-Planck-Institut für Biologische Kybernetik nun versucht, dieser Volksmeinung experimentell auf den Grund zu gehen.
Ohne Sonnenstand verloren
 
Bild: Jan Souman, Google Earth

Die roten Punkte stellen die Startpunkte der Probanden dar, die farbigen Linien ihre Laufwege. Während sich die Probanden PS, KS und RF nicht am Sonnenstand orientieren konnten, schien bei SM kurz nach Beginn der Wegstrecke die Sonne.

Zuerst haben sie mithilfe von GPS-Empfängern die Wege von Probanden in natürlichen Umgebungen untersucht. Die Sahara in Tunesien und ein Waldgebiet im Rheintal dienten dabei als Versuchsgelände. Die Probanden erhielten die Anweisung mehrere Stunden geradeaus zu gehen.

Ausnahmslos alle begannen im Kreis zu laufen, sobald die Sonne von Wolken verdeckt war. "Es ist tatsächlich wie im Film: Einige unserer Versuchsteilnehmer haben mehrmals ihren eigenen Pfad gekreuzt, ohne es zu merken. Sobald Bewölkung am Himmel aufzog und die Sonne verdeckte, beschrieben sie mitunter scharfe Kurven und wichen vom geraden Weg ab", so Jan Souman.
Asymmetrische Körper?
Dass Menschen im Kreis laufen, wenn sie die Orientierung verlieren, wurde bisher beispielsweise auf Unterschiede zwischen linker und rechter Hirnhälfte oder auf unterschiedlich lange und kräftige Beine zurückgeführt. So würde ein Mensch mit einem schwächeren linken Bein eher nach links, mit einem schwächeren rechten Bein nach rechts neigen.

Um diese Vermutung zu überprüfen, führten die Forscher weitere Experimente durch: Aufgefordert, auf einem freien Feld mit verdeckten Augen geradeaus zu gehen, wichen die meisten Probanden mehr oder weniger zufällig von der angepeilten geraden Linie ab. Immer wieder zogen sie überraschend enge Kreise - manchmal sogar mit weniger als 20 Meter Durchmesser.
Keine bevorzugte Richtung
"Fast jeder der Probanden lief aber manchmal links, manchmal rechts herum. Sie wichen also nicht immer in derselben Richtung vom geraden Weg ab", so Souman.

Zusätzliche Messungen der Beinlängen und -stärken zeigten, dass diese keinerlei Einfluss auf die Laufrichtung hatten. Laut den Forschern weiß das Gehirn offenbar von diesen Unterschieden und berücksichtigt sie bei der Berechnung des Weges.
Gefangen im Raum
Was bringt uns dann so schnell vom geraden Weg ab? "Fehlerhafte Informationen aus den Sinnesorganen summieren sich auf. Dadurch können die beobachteten Kreisbahnen entstehen", vermutet Souman. Die sich anhäufenden kleinen Fehler in den Sinneseindrücken führen dazu, dass es Menschen mit verbundenen Augen kaum schaffen, mehr als 20 Meter geradeaus zu gehen.

Ein Mensch mit verbundenen Augen und ohne äußere Orientierungshilfen entfernt sich im Durchschnitt nicht weiter als 100 Meter von seinem Startpunkt, wie die Experimente ergaben. Die Richtungsinformationen aus den Sinnesorganen sind also ungenau.
Sinneseindrücke sind unverlässlich
Souman: "Wir können den Sinneseindrücken aus Augen, Ohren und Gleichgewichtsorganen nicht bedingungslos vertrauen. Vielmehr nutzen wir zusätzliche äußere Orientierungshilfen, wie z.B. Berge, Sonne oder Gebäude, mit denen unsere Wahrnehmung abgeglichen und gegebenenfalls korrigiert wird."

Offenbar ist das menschliche Navigationsvermögen auf sich gestellt ziemlich unzuverlässig. Nur dank Sonne, Mond und Sternen sowie abwechslungsreichen Landschaften schaffen wir es, sicher an unser Ziel zu kommen. Mittlerweile gibt es ja glücklicherweise einige künstliche Hilfsmittel - vom Kompass bis zu modernen GPS-Systemen, die unsere natürliche Orientierungslosigkeit kompensieren.

[science.ORF.at/MPG, 20.8.09]
->   Jan Souman
Mehr dazu in science.ORF.at:
->   Frauen und Männer orientieren sich unterschiedlich
->   Forscher lokalisieren Hirnareale für Orientierung
 
 
 
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01.01.2010