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Selbstmord im Sternbild Phoenix  
  Astronomen haben im Sternbild Phoenix einen Riesenplaneten entdeckt, der - zumindest nach astronomischen Maßstäben - in Kürze sterben wird. Das nahende Ende hat er selbst herbeigeführt, berichten die Forscher: Seine Sonne wird ihn verschlingen.  
Größer und heißer als Jupiter
Als 1995 mit dem Planeten "51 Pegasi b" der erste "heiße Jupiter" außerhalb unseres Sonnensystems entdeckt wurde, war die Aufregung im Lager der Astronomen groß. Denn einen so extremen Steckbrief hatte man bis dato nicht zu Gesicht bekommen: Der riesenhafte Gasplanet kreist in lediglich 4,3 Erdentagen um seinen Stern, die Entfernung zu letzterem beträgt lediglich ein Zwanzigstel der Distanz Erde-Sonne.

Könnten jemals Menschen auf diesem Planeten landen, böte sich ihnen ein unglaubliches Schauspiel: ein rot-gelbes Panorama greller Plasmaströme, flirrende Hitze im vierstelligen Bereich der Celsius-Skala, dazu gewaltige Gezeitenkräfte, die den ursprünglich kugelförmigen Gasball seitlich auseinanderziehen.
Fatale Wechselwirkung
 
Bild: Christophe Carreau, ESA

So gesehen wäre der Bericht von einem weiteren heißen Jupiter keine große Sensation, wenn da nicht die besondere Biografie des neuen Planeten wäre. "WASP 18b" entstand wie seine Sonne vor rund einer Milliarde Jahren und ist letzterer im Lauf der Zeit gefährlich nahe gekommen.

Lediglich drei Millionen Kilometer ist er nur mehr von ihr entfernt - das muss man als astronomische Tuchfühlung bezeichnen, der alte Minimalrekord von seinem Gattungskollegen 51 Pegasi b wird damit noch einmal deutlich unterboten. Auch in der Umlaufzeit toppt er diesen: Ein Jahr auf WASP 18b dauert weniger als 24 Stunden.

Schuld an diesem ebenso heißen wie hektischen Tanz um die Sonne sind offenbar Gezeitenkräfte, wie ein Team um Coel Heller im Fachblatt "Nature" (Bd. 460, S. 1098) berichtet. Sie rufen auf der Sonne Plasmaströme hervor, die wiederum die Umlaufbahn von WASP 18b sukzessive verkleinern.
Die allerletzte Etappe
"Durch die Erzeugung von Plasmaströmen verursacht er seine eigene Vernichtung", diagnostiziert der Astronom von der Keel University und gibt dem Planeten noch rund eine Million Jahre. Dann hat sich dessen Todesspirale so weit verengt, dass der Gasriese in das Flammenmeer seiner Sonne stürzt und von der Bildfläche verschwindet.

Eine Million Jahre ist im Geschäft der Planetenforscher eine vergleichsweise geringe Zahl, sie entspricht in dieser Planetenkategorie etwa einem Tausendstel des gesamten Lebenswegs. Umgerechnet auf ein Menschenalter von 80 Jahren hätte WASP 18b noch einen knappen Monat zu leben. Das ist beileibe nicht viel.
Zu unwahrscheinlich?
Angesichts dieser Zahlen kommt Douglas Hamilton von der University of Maryland ein wenig ins Grübeln. Einen Planeten so kurz vor seinem Ableben zu entdecken, sei extrem unwahrscheinlich, schreibt er in einem begleitenden Kommentar (Nature, Bd. 460, S. 1086).

Die Chance betrage Eins zu Tausend - was in etwa der der Wahrscheinlichkeit entspricht, aus einem gut gemischten Stapel Spielkarten hintereinander zwei rote Asse zu ziehen. Bei bis dato gut 370 entdeckten Exoplaneten scheint so ein Treffer auf den ersten Blick durchaus möglich. Nach 370 Versuchen betrüge die Wahrscheinlichkeit für zwei rote Asse etwas mehr als Eins zu Vier.

Die Rechnung wäre allerdings nur dann richtig, wenn alle extrasolaren Planeten ähnliche physikalische Eigenschaften hätten und ihre Biografie ähnlich abrupt enden würde, was definitiv nicht der Fall ist. Heiße Jupiter hat man bis jetzt erst eine Handvoll entdeckt, der Fund bleibt also ein großer Glücksfall.
Suche nach dem unbekannten Faktor
Zu den Segnungen des Glücks haben Naturwissenschaftler in der Regel nur bedingt Zutrauen, und so stellt sich Hamilton die Frage, ob vielleicht mit der Theorie etwas nicht stimmt. Er kann nicht ausschließen, dass im Fall von WASP 18b fremde Kräfte am Werk sind, die die Todesspirale des Gasriesen blockieren - und somit dessen Leben unnatürlich verlängern.

Kandidaten dafür gäbe es: Ein noch nicht entdeckter Planet könnte im Spiel sein, auch bei der Sonnenkonvektion und den Gezeiten könnte es Faktoren geben, die man bislang übersehen hat.

Aber vielleicht war es tatsächlich einfach Zufall. In rund zehn Jahren wird man sehen, ob WASP 18b dem Tode geweiht ist, wie es die Theorie voraussagt. Sollte sich seine Umlaufbahn weiter verengen, bliebe das den Messinstrumenten auf der Erde nicht verborgen.

Robert Czepel, science.ORF.at, 27.8.09
->   Douglas Hamilton
->   Hot Jupiter - Wikipedia
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01.01.2010