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Sich verletzen, um nicht gefressen zu werden  
  Der Spanische Rippenmolch besitzt einen Selbstverteidigungsmechanismus, der Respekt abnötigt: Er spreizt bei Gefahr seine Rippen ab und durchsticht damit seine Haut. Neue Einblicke in diese bizarre Strategie verschafft ein Wiener Forscherteam.  
Seit 130 Jahren Gegenstand der Forschung
Bereits 1879 beschrieb Franz von Leydig, deutscher Zoologe und vergleichender Anatom, Pleurodeles waltl. Erst 1829 von Joseph Waltl in Andalusien entdeckt, war der "merkwürdige Molch" ein gefragtes "Thier" bei Zoologen in ganz Europa.

Auch Leydig musste sich zehn Jahre lang gedulden, bevor er drei in Weingeistessig konservierte Exemplare von einem Freund aus Kopenhagen erhielt, und kurz danach ein lebendes Exemplar aus Paris. Leydig widerlegte die bis dahin geltende Ansicht, die Dornen seien hornartige Strukturen. Er ging von Rippen aus, die in lymphatisches Gewebe eingebettet seien. 99 Jahre später kamen R. Nowak und E. Brodie Jr. in einer Studie zu ähnlichen Ergebnissen.

Egon Heiss am Institut für theoretische Biologie an der Universität Wien und sein Team konnten in einer aktuellen Studie (Journal of Zoology, AOP) das Wissen um Morphologie und Funktion der Rippen und der Haut von P. waltl nun erweitern. Die Forscher beschreiben auch, welcher Mechanismus hinter dem Vorstoßen der Rippen steckt und wie er benutzt wird, um Feinde abzuschrecken. Schließlich bleibt noch die Frage, warum der Molch sich nicht selbst vergiftet, wenn er seine Haut durchstößt, da er ein für Tiere tödliches Sekret ausscheidet.
Gut gegen Angreifer gewappnet
Um diese Fragen zu klären, wurden neun Exemplare käuflich erworben - die Molche sind heutzutage ein beliebtes Haustier - und in einem dreihundert Liter Tank gehalten. Um einen Angriff zu simulieren, wurden die Tiere aus dem Tank geholt und solange mit einer Baumwollknospe berührt ("sanft", wie Heiss schreibt), bis sie defensives Verhalten zeigten. Nachdem keine Flucht möglich war, nahmen die Tiere zwei Posen ein: Entweder drückten sie sich flach auf den Boden oder sie bildeten mit dem Körper eine Brücke.

Gleichzeitig begannen sie ein milchiges, dickflüssiges Sekret über die Hautoberfläche abzusondern, hauptsächlich im Nacken, am Rücken und an den Flanken. Das Sekret wirkt scharf und irritierend auf der menschlichen Schleimhaut, aber bei Mäusen ist es schon in geringen Dosen tödlich. Schließlich dehnten alle Molche die Haut der Rückenwarzen mit den spitzen Rippenenden aus, während sie wie erstarrt ihre Pose hielten.
Orange Warzen weisen auf die Gefährlichkeit hin
 
Bild: Egon Heiss

P. waltl hat normalerweise acht bis zehn solcher oranger Warzen auf beiden Seiten des Torso. Die Warzen entsprechen der Position der darunterliegenden Rippen und wurden von ihnen durchbohrt. Trotzdem wurden, auch nach mehreren Durchstößen der Rippen, keine Poren in den Warzen entdeckt. Die Rippen durchstoßen die Haut der Molche nicht passiv, wie es Leydig annahm, sondern aktiv zur Verteidigung. Die orangen Warzen dürften dabei eine Warnfunktion haben, die auch die Rippenspitzen stärker zur Geltung bringen, schreibt Heiss.

Damit die Molche ihre Rippen so schnell und weit nach vorne stoßen können, bedarf es natürlich einer besonderen Anatomie. Durch Röntgenaufnahmen und Computertomografien wurde ersichtlich, dass die Rippen durch gut entwickelte zweiköpfige Gelenke mit der Wirbelsäule verbunden sind. Das liefert genug Stabilität, erlaubt es aber trotzdem, die Rippen in einen Winkel von mehr als 90 Grad zur Wirbelsäule zu bringen. Diese Gelenke hat man bei den meisten Salamanderarten feststellen können, Heiss nimmt daher an, dass die meisten ihre Rippen auch bewegen können, um auf ihre Feinde größer zu wirken.
Trotz häufiger Durchlöcherung keine Infektionen
 
Bild: Egon Heiss

Das giftige Sekret des Molches, links die orangen Warzen

Drei Viertel der Rippen sind mit Fettgewebe gefüllt und von Muskeln umgeben, das streckbare Viertel allerdings besteht aus massiven Knochen, umgeben von Gewebe, das von Kollagenfasern durchwirkt ist, möglicherweise um die Stabilität zu erhöhen und Knochenbrüche zu vermeiden. Die Spitzen sind mit einer dicken Knochenhaut umhüllt, diese könnte als Barriere gegen Krankheitserreger dienen.

Amphibien sind dafür bekannt, dass ihre Haut äußerst schnell heilt, dabei dürften die Kollagenfasern beschleunigend wirken. Besonders bei P. waltl scheint dies wichtig; sein Lebensraum sind feuchtnasse, mikrobiell verseuchte Biotope; da er sich bei jedem Angriff selbst verletzt, gefährliche Infektionen aber nicht aufzutreten scheinen. Da er sich auch nicht selbst vergiften zu scheint, dürfte er wie viele andere Amphibien gegen sein eigenes Gift immun sein.

Benedikt Baumgartner, science.ORF.at, 28.08.09
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01.01.2010