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Ein Hit für Krallenaffen  
  Die Sommerhits für Krallenaffen stammen aus der Feder zweier US-Forscher. Sie haben tiergerechte Musikstücke komponiert, die für entspannte Stimmung in der Affenbande sorgen. Andere Lieder haben die gegenteilige Wirkung - und versetzen die Tiere in Rage.  
Musik wird störend dann empfunden, ...
Industrial Rock finden Affen nicht so gut. Auch klassische Musik lässt sie kalt. "Wenn man Krallenaffen die Wahl zwischen menschlicher Musik und Stille lässt, entscheiden sie sich für Stille", schreiben Charles Snowdown und David Teie im Fachblatt "Biology Letters". Snowdown ist Biologe, Teie Musikwissenschaftler. Beide haben sich zusammengeschlossen, um eine Antwort auf folgende Frage zu finden: Sind Affen musikalisch?
... wenn sie mit Geräusch verbunden
Sehr ermutigend begannen ihre Versuche zunächst nicht. Ausschnitte aus "The Fragile" der US-Formation Nine Inch Nails sowie aus Samuel Barbers "Adagio für Streicher" sollten Krallenaffen beruhigen, so wie es auch bei uns der Fall ist. Aber: Fehlanzeige.

Auch für aufrüttelnde Stücke aus der Metallabteilung - "Of Wolf and Man" von Metallica sowie "The Grudge" von Tool - sind die Tiere offenbar unempfänglich. Woraus man natürlich nicht schließen kann, dass Krallenaffen grundsätzlich kein musikalisches Sensorium besitzen, sondern eben nur keines für Rock, Progressive Metal und Streicher in es-Moll.
Affenrhythmen sind schneller
So begaben sich die beiden US-Forscher auf die Suche nach Kompositionen, die den Hörgewohnheiten der Krallenaffen eher entsprechen würden. "Unserer Hypothese war, dass man die emotionalen Aspekte der menschlichen Musik verallgemeinern und auf andere Spezies übertragen kann", sagt Charles Snowdown gegenüber science.ORF.at.

Er und Teie orientierten sich zunächst an ein paar formalen Prinzipien: Der Rhythmus menschlicher Musik liegt meistens zwischen unserem Herzschlag und der Schrittfrequenz beim Laufen. Wenn wir sprechen, tun wir das in der Regel in einem Freuquenzband von 100 bis 1.000 Hertz. Bei Krallenaffen indes ist alles nach oben versetzt, ihre Rufe sind acht Mal so schnell und drei Oktaven höher.

So gesehen ist es kein Wunder, dass sie selbst auf schnelle Lieder wenig bis gar nicht reagieren, vielleicht klingt Hardrock für das Affenohr wie metallische Walmusik in Zeitlupe. Oder, was viel wahrscheinlicher ist, so völlig jenseits unseres Wahrnehmungsspektrums, dass es ohnehin keine Worte dafür gibt.
Musikstücke mit Wirkung
 
Bild: Bryce Richter

Da Krallenaffen im Gegensatz zu Vögeln, Walen und Gibbons keine Gesangskultur besitzen, mussten sich Snowdown und Teie an deren "gesprochene" Lautäußerungen anlehnen. "Wir haben unter anderem Aufnahmen von Cellomusik drei Oktaven nach oben versetzt und an das Tempo der Affenrufe angepasst", beschreibt Snowdown den Weg zu jener Komposition, die letztlich als Affenmusik zum Einsatz kam.

Und zwar durchaus erfolgreich: Nach 30 Sekunden Beschallung mit beruhigenden Stücken (Hörproben: Clip1 und Clip2) waren die Tiere tatsächlich ruhiger, aßen und tranken mehr, verhielten sich geselliger. Tendenziell bedrohliche Stücke (Clip3 und Clip4) hatten ebenfalls die intendierte Wirkung und sorgten für messbare Unruhe in der Gruppe.
Dem Gefühls-Code auf der Spur
Die emotionale Färbung der Musikstücke entstand vor allem durch Variation von Tonhöhe und Tondauer - Charakteristika, die die Forscher der natürlichen Affensprache entliehen hatten. Ähnliches gebe es auch bei der unsrigen, betont Snowdown: "Wir verwenden Legato, um Babies zu beruhigen, Staccato, um 'Halt!' zu sagen. Beifall äußern wir mit ansteigenden Tönen, Beruhigung mit abfallenden. Wenn ich ein Baby mit den Worten 'Spiel jetzt damit!' anbelle, wird es erstarren", so der Biologe von der University of Wisconsin.

"Meine Sprache muss nicht notwendigerweise etwas über meinen emotionalen Zustand verraten. Wenn ich aber ein paar zusätzliche Elemente einbringe - Tonfall, Rhythmus, Höhe und Tempo, tut sie das schon. Dort sind die Gefühle enthalten."

Wäre es nicht möglich, dass die Affen während der Versuche nicht Musik gehört haben, sondern eher so etwas wie synthetisierte Affensprache? "Das wäre, je nach Stärke der Imitation, möglich", so Snowdown. "Aber ich glaube nicht, dass das so ist. Denn Clip1 hat beispielsweise nichts mit den natürlichen Rufen gemeinsam, außer dass er tonal und relativ langsam ist."

Robert Czepel, science.ORF.at, 2.9.09
->   Charles Snowdown
->   David Teie
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01.01.2010