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Teamsport macht high  
  Ausdauertraining kann bekanntlich zur Ausschüttung körpereigener Glückshormone führen. Wirklich heiß laufen die hormonproduzierenden Hirnzellen allerdings erst beim Gruppensport. Das zeigt eine Studie an Spitzenruderern.  
Kampf mit dem Zwischenhirn
"Laufen ist die reinste Schinderei ", bekannte der Wiener Zeichner und Hobby-Langstreckenläufer Tex Rubinowitz vor ein paar Jahren in einem Standard-Interview. "Man hört immer, es sei toll, weil der Körper unter der Anstrengung angeblich Endorphine ausschüttet, also diese Glückshormone. Eine infame Lüge. Ich laufe seit vielen Jahren, aber Endorphine wurden bei mir noch nie ausgeschüttet!"

Mediziner indes versichern: Das "Runner's High" gibt es wirklich, wenn auch nicht so billig, wie es viele gerne hätten. Üblicherweise stellt sich die Ausschüttung der körpereigenen Morphine nach frühestens 60 Minuten intensiver körperlicher Belastung ein. Warum das bei Marathonmann Rubinowitz noch nie funktioniert hat, wäre einmal eine medizinische Studie wert.
Versuche mit Oxfords Ruderern
Etwas verlässlicher arbeitet offenbar die Hormon-Produktionsstätte im Zwischenhirn zwölf britischer Ruderer, mit denen nun die Anthropologin Emma Cohen eine Studie durchgeführt hat. Cohen forscht an der University of Oxford, so war es durchaus naheliegend, für entsprechende Tests beim berühmten Ruderteam der Universität anzufragen.

Sie tat es und erhielt von den Sportlern die Zusage, ihre Trainingseinheiten zwei Wochen lang gemäß den Studienzwecken zu staffeln. Ziel der Studie war herauszufinden, ob Sport in der Gruppe ein stärkeres "High" erzeugt als gleichwertige Belastungen von Einzelnen.

Wie Cohen in den "Biology Letters" (Abstract) berichtet, lautet die Antwort: Ja, Gruppensport, insbesondere synchroner Gruppensport wie das Rudern, scheint in der Tat wirksamer zu sein. Das Ergometertraining in virtuellen Booten mit simultanem Ruderschlag setzte bei den Probanden messbar mehr Glückshormone frei als im (ansonsten identen) Einzeltraining.

Nachdem sich der Endorphinlevel im Hirn direkt nur durch Punktierung an der Wirbelsäule messen lässt, entschied sich Cohen für die indirekte Methode und überprüfte die Schmerzempfindlichkeit der Sportler durch Aufblasen einer Blutdruckmanschette. Endorphine wirken nämlich nicht nur mild euphorisierend, sondern auch schmerzhemmend, was sich auch in diesen Versuchen bestätigte.
Rhythmus stärkt soziale Bande
 
Bild: EPA

29. März 2009: Oxfords Ruderteam siegt im klassischen Rennen auf der Themse gegen die Kollegen aus Cambridge.

Was Cohen und ihre Kollegen hier entdeckt haben, ist keineswegs klar. Es wäre möglich, dass Teamsport die gleichen Mechanismen im Körper auslöst wie Einzelsport, nur eben wirksamer. Es wäre aber auch möglich, dass sich hier zwei völlig unterschiedliche Wirkkreise aufaddieren, nämlich ein physischer und ein sozialer.

Auffallend ist jedenfalls, dass in beiden Bereichen die Synchronizität eine wichtige Rolle zu spielen scheint. Wie schon Emile Durkheim in seiner großen Untersuchung über das Wesen der Religion ("Die elementaren Formen des religiösen Lebens", 1912) festgestellt hat, zeichnen sich religiöse Rituale oft durch synchrone, nicht selten auch durch physisch fordernde Handlungen aus.

Umgekehrt gibt es Hinweise, dass synchrones Gehen und Musizieren in der Gruppe Opioide im Hirn freisetzt - und auf diese Weise soziale Bindungen stärkt. Vielleicht liegen die beiden Bedeutungen von "Taktgefühl" viel näher zusammen, als man bisher dachte.

Robert Czepel, science.ORF.at, 16.9.09
->   Emma Cohen
->   Endorphine - Wikipedia
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01.01.2010