News
Neues aus der Welt der Wissenschaft
 
ORF ON Science :  News :  Leben 
 
Arktische Bakterien: Manche mögen es heiß  
  Schon länger ist bekannt, dass sich eigentlich wärmeliebende Bakterien - mit hinuntergefahrenem Stoffwechsel in Form von Sporen - auch in eiskalten Meeressedimenten ansiedeln. Ungewöhnlich große Mengen der thermophilen Mikroorganismen entdeckte nun ein internationales Team mit österreichischer Beteiligung im Meeresboden vor Spitzbergen - zudem gibt es einen konstanten Zustrom.  
Erstmals sei es gelungen, auf die Anzahl der thermophilen Bakterien zu schließen, so Alexander Loy vom Department für Mikrobielle Ökologie der Uni Wien. Hunderttausende der ungewöhnlichen Sporen konnten pro Gramm Meeressediment gemessen werden, die Anzahl der Sporen nimmt jedes Jahr um mehr als 100 Millionen pro Quadratmeter Meeresboden zu.
...
Die Studie "A Constant Flux of Diverse Thermophilic Bacteria into the Cold Arctic Seabed" von C. Hubert et al. ist in der aktuellen Ausgabe von "Science" (Bd. 325, 18. September, DOI: 10.1126/science.1174012) erschienen.
->   Abstract der Studie
...
Leben ohne Stoffwechsel
Eigentlich mögen sie Temperaturen um 50 Grad Celsius. Doch jene thermophilen Bakterien, die nun Forscher des Bremer Max-Planck-Instituts für Marine Mikrobiologie in Zusammenarbeit mit Kollegen aus Wien, den USA und Dänemark entdeckten, haben sich auch auf Temperaturen um die 0 Grad Celsius im Meeresboden eingestellt. Sie haben ihren Stoffwechsel eingestellt, vermehren sich nicht und verbringen ihr Dasein als sogenannte Sporen.

Auch wenn die Menge der Sporen im Meeresboden beeindruckt, machen sie nur einen Bruchteil in diesem Lebensraum aus: "Sie stellen 0,01 Prozent der Gesamtpopulation aller Mikroorganismen im Meeresboden", so Loy.
Seltene Biosphäre
Bild: A.Loy, Universit¿t Wien
Arktische Sedimentprobe
Zur Erklärung könne die noch sehr junge Hypothese der "Seltenen Biosphäre" dienen: Versteckt in der großen Masse sehr häufiger Bakterien gibt es extrem seltene Mikroben, die zwar keinen wichtigen Beitrag zum Stoffumsatz leisten, aber die Vielfalt der Mikroorganismen erhöhen.

"Das genetische Potenzial ist damit in den Habitaten sehr hoch", so Loy. Generell gilt: Ändern sich künftig einmal die Umweltbedingungen, könnte das von Vorteil sein. So ist es wahrscheinlich, dass dann andere Organismen einspringen und Prozesse zum Funktionieren zu bringen - eine Art "ökologische Versicherung", so der Forscher. Allerdings warten die thermophilen Sporen in der Arktis, trotz globaler Erwärmung, höchstwahrscheinlich vergeblich auf für sie optimale Temperaturen.

Dass die Sporen im Vergleich zu den anderen Mikroorganismen so gering vertreten sind, "macht sie auch schwer nachweisbar", so Loy. In Laborexperimenten zeigte sich aber, dass die Sporen bei Temperaturen um 40 bis 60 Grad wieder erwachen. Anhand der Stoffwechselaktivität der thermophilen Bakterien - unter künstlich hergestellten optimalen Bedingungen - konnten die Wissenschaftler auf die Anzahl der Sporen rückschließen, so Loy.
Ursprung noch ungeklärt
An der raschen Zunahme der Sporen im Meeresboden sind offenbar Meeresströmungen und Sedimentationsprozesse beteiligt. Woher die Bakterien stammen, "wissen wir nicht genau, da wir die warmen Quellen nicht genau kennen". Die Bakterien könnten laut Loy aus entfernten Gegenden stammen: aus "Hot Spots" wie etwa zirkulierenden Strömungen aus den Spalten der sich neubildenden Erdkruste, den "Schwarzen Rauchern" und den Hydrothermalquellen.

Die dort gefundenen Bakterien haben eine sehr große genetische Ähnlichkeit mit den jetzt in der Arktis gefundenen Sporen. Eine weitere Quelle könnten heiße Erdöllagerstätten sein, aus denen Gas und Öl herausströmen und die den Meeresboden durchbrechen. So könnten diese sporenbildenden Mikroben als Indikatoren noch unentdeckter Erdöl- und Gasvorkommen dienen. Die Biogeografie der thermophilen Bakterien wollen nun die Forscher der Uni Wien um Loy genauer untersuchen.

[science.ORF.at/APA, 18.9.09]
->   Department of Microbial Ecology (Universität Wien)
Mehr zum Thema in science.ORF.at:
->   Rolle von Bakterien in Süßgewässern unterschätzt
->   Bakterien entgiften tödliche Meereswolken
->   Bärtierchen trotzen kosmischer Strahlung
->   Selbst in 2.000 Metern Tiefe leben noch Bakterien
 
 
 
ORF ON Science :  News :  Leben 
 

 
 Übersicht: Alle ORF-Angebote auf einen Blick
01.01.2010