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Jugendkriminalität - ein mimisches Missverständnis?  
  Junge Straftäter deuten Gesichtsausdrücke anders als andere junge Menschen. Forscher haben herausgefunden, dass sie die Mimik von Ekel und Wut verwechseln - und das führt oft zu aggressivem Verhalten.  
Die getesteten Burschen hatten generell Probleme, die Mimik anderer Menschen richtig einzuschätzen. Sie interpretierten negative, aber nicht feindliche Gefühle als Zorn.

Wie die japanischen Forscher herausfanden, könnte jugendliche Kriminalität somit auf einem Missverständnis beruhen.
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Die Studie "Misrecognition of facial expressions in delinquents" ist im Open Access-Fachmagazin "Child and Adolescent Psychiatry and Mental Health" erschienen.
->   Die Studie
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Schwäche bei verhaltensauffälligen Jugendlichen
Das richtige Deuten der Mimik ist wichtig für die emotionale, zwischenmenschliche Kommunikation. Frühere Studien haben gezeigt, dass verhaltensauffällige Kinder und Jugendliche Schwierigkeiten haben, Gesichtsausdrücke richtig zu interpretieren. Wie genau sich diese Schwäche zeigt, war bisher unklar - das Forscherteam rund um Wataru Sato von der Kyoto Universität hat sich damit beschäftigt.

24 straffällig gewordene, inhaftierte junge Männer betrachteten Fotos mit verschiedensten Gesichtsausdrücken - sie reichten von Wut, Ekel, Angst und Trauer bis hin zu Fröhlichkeit und Überraschung. Im Vergleich zu anderen getesteten Altersgenossen, stuften die Häftlinge den Ausdruck für Ekel häufiger als zornige Mimik ein.
Studie im Vergleich
Dieses Ergebnis stimmt mit Studien überein, die besagen, dass verhaltensauffällige Menschen bestimmte Gesprächssituationen als feindselig empfinden. Obwohl beide Gesichtsausdrücke, sowohl Ekel als auch Zorn, negative Emotionen vermitteln, hat letzteres eine stärkere Wirkung - und führt laut den Forschern zu aggressivem Verhalten.

Andere Wissenschaftler fanden bereits heraus, dass vor allem misshandelte Kinder dazu neigen, Gesichtsausdrücke falsch zu interpretieren - besonders den Unterschied zwischen Ekel und Wut zu erkennen, fällt ihnen schwer.
Niedriger IQ und kulturelle Unterschiede
Obwohl viele Studien mit den Tests der japanischen Psychologen übereinstimmen, kann es sein, dass die Ergebnisse nicht aussagekräftig sind: Die jugendlichen Straftäter hatten alle einen sehr niedrigen IQ - möglicherweise war die Aufgabe zu schwierig für sie.

Kulturelle Unterschiede könnten das Ergebnis, was Repräsentativität betrifft, ebenfalls trüben: Erst im August veröffentlichte Roberto Caldara von der University of Glasgow überraschende Resultate, was Unterschiede zwischen Asiaten und Europäern betrifft: Sie "lesen" Gesichter auf verschiedene Art und Weise, besonders für Asiaten sind Ekel und Ärger ein Emotionspaar, das sie als relativ ähnlich empfinden.

Das Befinden der Testpersonen kann sich auf das richtige Erkennen von Gesichtsmimik auswirken. Die Emotionen der Teilnehmer verzerren möglicherweise das Resultat: Es wäre denkbar, dass die Burschen nervös oder unkonzentriert waren, vielleicht sogar gereizt - oder wütend.

[science.ORF.at, 18.09.09]
->   Kyoto Universität
->   Wataru Sato
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01.01.2010