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Mangelernährung im Alter  
  Etwa 500.000 ältere Menschen leiden in Deutschland an Mangelernährung. Die Folgen sind höhere Anfälligkeit für Krankheiten, sinkende Lebensqualität und somit eine geringere Lebenserwartung. Die Situation in Österreich weist Parallelen auf.  
Laut dem deutschen Institut für Ernährungsmedizin und Diätetik in Aachen würden die an Mangelernährung leidenden Senioren dringend eine Nahrungsunterstützung benötigen. Ärzte sollten den Betroffenen als Nahrungsergänzung so genannte Astronautennahrung verschreiben.
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Mangelernährung
ist das Ungleichgewicht zwischen der Nährstoffversorgung der Gewebe und dem Nährstoffbedarf. Mangelernährung entsteht, wenn der Körper nicht ausreichend mit Kohlenhydraten, Eiweiß und Fett, Mineral- und Ballaststoffen, Vitaminen und Spurenelementen versorgt wird.
->   Wie erkenne ich Mangelernährung?
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Die österreichische Situation
''Wenn es auch keine genauen Zahlen gibt, so wird die Situation in Österreich in der gleichen Größenordnung wie in Deutschland angesiedelt sein'', so Univ.-Doz. Jürgen König vom Institut für Ernährungswissenschaften gegenüber science.orf.at.
Wahrscheinlichkeit steigt
Die Wahrscheinlichkeit der Mangelernährung steigt auf Grund der immer länger werdenden Lebensspanne zwischen Pensionsbeginn und Tod, so König weiter. ''So lange die Menschen im Arbeitsprozess integriert sind, ernähren sie sich fast automatisch mit einer Kost, die für ihre Ansprüche geeignet ist.''

Das heißt, sie nehmen vor allem bei körperlicher Arbeit eine energiereiche Kost zu sich. Im Ruhestand werden die Menschen auch immobiler, ernähren sich aber weiterhin mit der gewohnten Kost.
Weniger energiereiche Kost
Senioren sollen natürlich nicht weniger essen, sondern nur eine weniger energiereiche Kost zu sich nehmen. Also weniger fettes Fleisch, weniger fette Wurst und dafür mehr Mineralstoffe und Vitamine. Auf dem Speiseplan sollten vermehrt Obst und Gemüse, fettarme Milchprodukte und Vollkornprodukte stehen.
Offene Wunden durch langes Liegen
Neben der sinkenden Lebenserwartung und dem erhöhten Infektionsrisiko ist eine der Folgen von Mangelernährung bei Senioren auch das so genannte Dekubitalleiden, also Wunden die durch langes Liegen entstehen.

Auf Grund der schlechten Ernährungssituation heilen dieses Wunde auch sehr langsam. Im allgemeinen sind besonders die Körperstellen betroffen, an denen die Haut direkt mit dem Knochen in Kontakt kommt.
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Dekubitus
Auch schlecht sitzende Hilfsmittel wie Zahn-, Bein- und Armprothesen sowie Bruchbänder führen zum Dekubitus. Die betroffenen Stellen zeichnen sich durch eine Mangeldurchblutung aus und sind häufig stark infiziert; eine Blutvergiftung droht. In schweren Fällen eines Dekubitus sind Haut und Sehnen zerstört und Knochen liegen frei.
->   Dekubitus-Online
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Hoher Anteil an Mangelernährten im Krankenhaus
Dekubitus sollte nicht unterschätzt werden, denn Studien haben gezeigt, ''dass der Anteil an mangelernährten Patienten im Krankenhausbereich, in Abhängigkeit vom Krankheitsbild, zwischen 20 und 50 Prozent liegt'', so Universitätsprofessor Erich Roth, Vorsitzender der Österreichischen Arbeitsgemeinschaft für Klinische Ernährung.

Durch diese Mangelernährung komme es, vor allem bei älteren Patienten, zu einer Verschlechterung der Prognose.
Ernährungsumstellung nicht immer leicht
''Ein weiterer Grund für Mangelernährungserscheinungen liegt in der Tatsache begründet, dass eine Ernährungsumstellung nach 50, 60 Jahren sicher nicht leicht fällt'', meint der Ernährungsexperte König.

Viele Senioren wissen auch gar nicht, dass eine Umstellung der Ernährung im Alter vor Krankheiten schützen kann. Andere wiederum wollen ihre Ernährung beibehalten, oder sie wissen einfach nicht, was sie stattdessen essen sollen.
Wenn das Kauen schwer fällt
Eine weitere Ursache für die zurückgehende Nährstoffaufnahme sind Kauprobleme. Wie König gegenüber science.orf.at betont, ''essen Senioren auf Grund schlechter Zähne oder schlecht sitzender Zahnprothesen lieber weiche Sachen''.

''Sie kochen daher Fleisch und Gemüse länger als nötig und zerstören z. B. so die Vitamine des Gemüses. Es tritt die paradoxe Situation auf, dass sie zwar regelmäßig Gemüse essen und trotzdem keine Vitamine zu sich nehmen."
Schwacher Geschmacksinn - intensiv schmeckende Speisen
Ab dem 50. Lebensjahr lässt der Geschmacksinn nach. Vor allem die Fähigkeit, salzige und bittere Stoffe zu schmecken, geht zurück. Der Geschmacksinn für Süßes bleibt dagegen weitgehend erhalten. Daher werden dann einfach mehr Süßspeisen gegessen, weil sie noch am besten schmecken.

Dies kann jedoch zur Mangelernährung führen. ''Mehr als die Hälfte der älteren Menschen leidet an klinisch bedeutsamen Riech- und Schmeckstörungen'', sagt auch Privatdozent Ludger Klimek, Konsiliararzt an der Deutschen Klinik für Diagnostik in Wiesbaden.
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Mit der Vorliebe für Süßes erhält der Körper zu wenig Eisen und Zink. Ein Zinkmangel kann aber dazu führen, dass der Geschmack- und Geruchsinn zusätzlich beeinträchtigt wird. Mit so genannten Zinkhistidintabletten ist es möglich, in diesen Fällen den Geschmacksinn wieder zu normalisieren
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Langsam aber stetig
Körperliche Immobilität, altersbedingte Veränderungen der Verdauungsfunktionen, Medikamenteneinnahme, soziale Einsamkeit, Vergesslichkeit, Verwirrtheit und Demenz sind weitere Gründe für eine Mangelernährung. Diese entsteht natürlich nicht innerhalb kürzester Zeit, sondern entwickelt sich langsam über einen Zeitraum von fünf bis zehn Jahren.
Kurzzeitige Besserung
Viele ältere Menschen profitierten während eines Krankenhausaufenthalts von Trink- oder Sondennahrungen und würden auf diese Weise optimal mit Nährstoffen und Mineralien versorgt, erklärt das deutsche Institut für Ernährungsmedizin und Diätetik.

Nach der Entlassung kämen die alten Menschen aber nicht länger in den Genuss dieser Ernährungstherapie, obwohl die Krankenkassen bei Untergewicht die Kosten übernehmen würden.
Ernährungsumstellung besser als Tabletten
Der Ernährungsmediziner König meint dazu:'' Im Spital wird die Mangelernährung durch die Gabe von Mineral- und Vitamintabletten zwar ganz gut ausgeglichen, der Effekt ist aber nur von kurzer Zeit. Daher sollten ältere Menschen mit Mangelerscheinung im Spital dazu angeleitet werden, ihre Ernährung dauerhaft umzustellen, oder, wenn das nicht geht, zur weiteren Einnahme von Mineral- und Vitamintabletten''.
Dabei sollte es sich aber um eine dauerhafte Verschreibung unter ärztlicher Aufsicht handeln. Denn auch Vitamintabletten können, langfristig eingenommen, schädliche Nebenwirkungen haben. So wurde erst unlängst festgestellt, dass auch Vitamin C, in großen Mengen, schädlich sein kann.
Vorsicht mit generellen Empfehlungen
Die Ernährungswissenschaftlerin Hanni Rützler steht den Angaben des deutsche Institutes für Ernährungsmedizin und Diätetik eher vorsichtig gegenüber: "Generelle Ernährungsvorgaben sind immer schlecht. Vor allem bei alten Menschen, da sie unter den verschiedensten Grunderkrankungen leiden und daher teilweise eine sehr individuell zusammengestellte Ernährung brauchen."

Außerdem weist Rützler gegenüber science.orf.at darauf hin, ''dass das Phänomen Mangelernährung immer sozial schwächer Schichten betrifft und diese können sich teure Sonderernährung wie Astronautennahrung meistens nicht leisten''.

(APA/red)
->   Deutsches Institut für Ernährungsmedizin und Diätetik
->   Institut für Ernährungswissenschaften
->   science.orf.at: Die zwei Gesichter des Vitamin C
 
 
 
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01.01.2010