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Auf den Spuren der räumlichen Wahrnehmung  
  Der Ort des Bewusstseins für die räumliche Umwelt liegt im Gehirn offenbar an anderer Stelle als bisher vermutet. Das berichten Forscher der Universität Tübingen in der aktuellen Ausgabe des Fachmagazins Nature.  
Sie untersuchten Patienten, die große Teile ihres Umfelds nicht mehr wahrnehmen. Dabei fanden sie heraus, dass Schäden im "Oberen Temporal-Lappen", einer seitlichen Hirnregion dafür verantwortlich sind und nicht solche im rechten Unteren
Scheitellappen des Großhirns, wie seit Jahrzehnten geglaubt.

 


Die betroffene Region liegt im oberen Bereich des violett eingefärbten Bildteils.
Das Team um Professor Hans-Otto Karnath von der Neurologischen Universitätsklinik in Tübingen untersuchte Patienten mit so genanntem "reinen räumlichen Neglect". Diese können große Teile ihres Umfelds nicht wahrnehmen und vernachlässigen sie einfach.
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Neglect-Syndrom
Eine vollständige dreidimensionale Erfassung eines Objektes oder der Welt überhaupt ist nicht mehr möglich. Alle Reize, die von der betroffenen Seite ausgehen, werden ignoriert oder kaum beachtet. Den Patienten ist dies allerdings meist nicht bewusst. Sie rasieren etwa nur die rechte Gesichtshälfte oder lassen die linke Seite des Tellers beim Essen unberührt, ohne dies überhaupt zu bemerken.
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Bei 25 seiner Patienten konnte er in einer fünfjährigen Studie mit Computer- und Kernspintomografie zeigen, dass bei ihnen der seitliche Temporallappen nicht richtig funktionierte.
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"Früher wurden die Patienten nicht klar nach ihren Symptomen getrennt, und wir können im Nachhinein sogar bei früheren Studien nachweisen, warum diese zu anderen Ergebnissen kamen", so Karnath.
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Ähnlich bei Affen
Versuche bei Affen hatten gezeigt, dass diese ebenfalls den Temporallobus zur räumlichen Erkennung nutzen und Forscher hatten darüber gerätselt, warum dies bei Menschen so anders sein sollte.

"Das Interessante ist, dass die räumliche Erkennung beim Menschen auf der rechten Gehirnseite konzentriert ist", sagt Karnath. Auf der gegenüberliegenden Seite befinde sich das Sprachzentrum.

Bei Affen unterscheiden sich die beiden Gehirnareale dagegen nicht - beide verarbeiten sowohl räumliche Informationen wie auch die Erkennung von Lauten. Daraus könne man schließen, dass die Entwicklung der Sprache möglicherweise die Funktion der räumlichen Erkennung verdrängte.

(APA/dpa/red)
->   Universität Tübingen
->   Der Originalartikel im Nature (kostenpflichtig)
 
 
 
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01.01.2010