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Astrophysik in den Abruzzen  
  Rund Zehn Kilometer von der Kleinstadt Aquila in den Abruzzen entfernt, suchen Physiker nach so exotischen Teilchen wie Neutrinos oder dunkler Materie. Ihre Labors liegen 1.400 Meter tief im Gran Sasso Massiv, abseits des Autobahntunnels zwischen Rom und Teramo.  
Forschung auf Almeshöhe
Wo man eher Almen erwarten würde, steht auf 1.000 Metern Höhe ein typischer grauer Bürokomplex, die "Laboratori-Nazionali di Gran Sasso". 6-700 Forscher, nur die Hälfte davon Italiener, denken hier über Supernovae oder den magnetischen Monopol nach. Experimentiert wird in drei etwa 100 Meter langen und 20 Meter hohen Hallen abseits des Gran Sasso Autobahn-Tunnels.
Neutrino-Detektor BOREXINO
In Halle A steht BOREXINO - ein Detektor, der mittelenergetische Neutrinos aus der Sonne nachweisen soll. Neutrinos gelten als "schwach wechselwirkend" - sie gehen durch Planeten genauso mühelos hindurch wie durch unsere Körper.
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Neutrinos
Neutrinos zählen zu den späktakulärsten Objekten der Mikrowelt. Da sie extrem selten reagieren, können sie nahezu ungehindert aus kompakten kosmischen Objekten entweichen. Weder kosmische Staubschichten noch die allgegenwärtige Radiostrahlung, die vom Urknall übriggeblieben ist, können sie auf ihrem Weg zu uns aufhalten. Sie sind möglicherweise ebenso masselos wie Photonen. Ihre bemerkenswerteste Eigenschaft besteht jedoch in ihrer geringen Neigung, mit der Umgebung in Wechselwirkung zu treten. Man schätzt, dass auf der Erde eine Fläche von der Größe einer Fingerkuppe in jeder Sekunde von etwa 65 Milliarden Neutrinos, die bei den energieerzeugenden Prozessen der Sonne entstehen, durchdrungen wird.
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BOREXINO ist ein Wassertank mit 3.500 Kubikmetern Inhalt - der eigentliche Detektor besteht aus einer Nylon-Kugel, die mit Mineralöl gefüllt ist. Wenn ein Neutrino einschlägt, entsteht ein kleiner Lichtblitz, erklärt Borexino-Mitarbeiter Matthias Laubenstein. Tausende Foto-Multiplyer an den Wänden verstärken den Blitz und mache ihn sichtbar.
Nachrichten aus der Sonne
Neutrinos entstehen bei der Kernfusion im Inneren der Sonne. Im Grund geht es bei den Neutrino-Experimenten darum nachzuweisen, dass die Modelle aus dem Herzen der Sonne stimmen.

Licht - also Photonen - kann man dazu nicht nutzen, weil es rund eine Million Jahre braucht, bis es an die Oberfläche der Sonne und dann nach rund achteinhalb Minuten zu uns auf die Erde kommt.
Leichte "Verwandte"
Möchte Borexino mehr über die mittelenergetischen Neutrinos erfahren, widmet sich GNO - das "Gallium Neutrino Observatory" im Gran Sasso Massiv den so genannten niedrigenergetischen Neutrinos.

Sie machen den Großteil der Sonnenneutrinos aus, lassen sich aber noch schwerer nachweisen. Dazu nutzen Forscher wie Nicola Ferrari 30 Tonnen Gallium.
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Gallium
Ein weiches, bläulich-weißes Metall (chemisches Zeichen Ga), das seinen Namen der Entdeckung in Frankreich verdankt. Es hat einen so niedrigen Schmelzpunkt (29,78C), dass es bereits in der Hand schmilzt. Verwendung findet es vor allem als Halbleitermaterial.
->   Weitere Daten zu Gallium
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Die Nadel im Teilchenhaufen
Wenn eine Neutrino einschlägt, verwandelt sich ein Gallium- in ein Germaniumatom. Am Ende eines Monats bleiben so rund 10 Germaniumatome übrig, die in einem aufwendigen Prozess aus dem großen Tank gefiltert werden.
Unfassbare Geisterteilchen
Neutrinos wurden immer wieder als Geisterteilchen bezeichnet - sind sie doch kaum fassbar. Lange Zeit waren sich die Forscher auch nicht im klaren, ob Neutrinos überhaupt - ähnlich wie Photonen - Masse haben.

Mittlerweile gibt es aber zumindest Hinweise darauf. Zu den Kernfragen der Neutrino-Physik gehört das Phänomen, dass weniger Neutrinos auf der Erde ankommen als errechnet. Die Mutmaßung: Sie verwandeln sich auf ihrer Reise.
Formenwandler aus dem All
Denn Physiker unterscheiden drei verschiedene Typen von Neutrinos - von denen jedoch nur ein Typus auch tatsächlich nachweisbar ist. Ändern die Teilchen also ihr Erscheinungsbild auf dem Weg zur Erde, dann könnte dies die relativ geringe Anzahl der bewiesenen Neutrinos erklären.

Physiker vom kanadischen Sudbury Neutrino Observatory haben kürzlich behauptet, auch experimentell einen Nachweis dafür gefunden zu haben, dass Neutrinos auf dem Weg von der Sonne zur Erde solch eine Metamorphose vom Elektron zu Tau- und Myon-Neutrinos durchlaufen.
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Das gelöste Neutrino-Mysterium
Die Wissenschaftler des kanadischen Instituts haben mithilfe von zwei neuen Messmethoden die Umwandlung der Neutrinos zu beweisen versucht.
->   Mehr dazu in science.orf.at
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CERN baut Neutrinoquelle in Genf
Um die Frage zu klären, ob sich Neutrinos auf ihrer Reise verwandeln, wird im Frühjahr 2005 das Experiment CNGS in Betrieb gehen. Dazu baut das europäische Nuklearforschungszentrum CERN in Genf eine Art Neutrinoquelle.
->   CERN - European Organization for Nuclear Research
Deren Strahl soll nach 660 Kilometern Reise durch die Erdkruste in Gran Sasso vom Detektor "Opera" aufgefangen werden. Ein Vergleich zwischen den ausgesandten und den eingefangenen Neutrinos soll klären, ob sich die Geisterteilchen auf ihrer Reise tatsächlich verwandeln.
DAMA - Dark Matter Search
Doch die "Geisterteilchen" sind nicht das einzige physikalische Rätsel, mit dem sich die Forscher in Gran Sasso beschäftigen: In den unterirdischen Labors laufen auch Projekte wie DAMA oder CREST zur Suche nach der so genannten "dunklen Materie".

Die DAMA Projekt-Leiterin, die römische Physikerin Rita Bernabei, behauptet, bereits Spuren von dunkler Materie mit ihrem Detektor nachgewiesen zu haben. Sie ist aber bislang die einzige.
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Gäbe es keine dunkle Materie, müsste unser Universum älter sein als errechnet. Denn die dunkle Materie hat bei der Entstehung von Sternen und Planeten als eine Art Kondensationskern gedient, so wie Rußpartikel bei der Nebelbildung. Auch Neutrinos könnten ein Teil der dunklen Materie sein.
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Auf der Suche nach der Super-Nova
Am Ausgang von Halle A steht der Large Volume Detektor, kurz LVD. Er soll so genannte Super-Novae erfassen - kollabierende Sterne. Denn während diese Ungetüme in sich zusammenfallen, erzeugen sie ungefähr 10 bis 15 Minuten lang einen regelrechten Neutrino-Hagel.

Aber die letzte Supernova wurde 1987 nachgewiesen ¿ lange vor dem Bau des LVD. Jetzt wartet der Detektor auf einen neuerlichen Sternen-Kollaps und dessen Neutrino-"Todesschreie".

Franz Zeller, Dimensionen
->   Radio Österreich 1
->   Die Laboratori-Nazionali di Gran Sasso
Mehr zum Thema Neutrinos in science.orf.at
->   Hochenergetische Teilchen im Eis
 
 
 
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01.01.2010