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Buchbesprechung: Ulrich Enzensbergers "Parasiten"  
  Eigentlich sollte das Buch von Ulrich Enzenberger wohl "Wir Parasiten" heißen. Denn der Autor erzählt eine Kulturgeschichte des Parasiten in der Wir-Form.  
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In den kommenden Wochen geben Redakteure und Redakteurinnen der Ö1-Wissenschaft Tipps für wissenschaftliche Bücher, die sowohl populär verfasst als auch anregend zum Lesen sind.
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Im antiken Griechenland: Parasit als Priester
Bei den alten Griechen hatte der Parasit ursprünglich eine religiöse Funktion in der Auswahl der Opferspeisen für die Götter:

"Kein Mensch hätte an eine Zecke, einen Kuckuck, einen Bandwurm, an eine Mistel, eine Sommerwurz, einen Schimmelpilz, an ein Tier oder eine Pflanze, an einen Bettler, einen Bonzen, an einen reichen Müßiggänger gedacht. Das Wort bezeichnete im antiken Griechenland einen hochgeachteten religiösen Beamten."
Parasit als biologisches Modell erst im 18. Jahrhundert

Von den Altären der Götter folgt Enzensberger den Spuren des Parasiten durch die griechische Komödie über die Römer und das Mittelalter bis zur Aufklärung, wo der Parasit erstmals zum biologischen Modell wurde.

1720 beschrieb der Florentiner Petrus Antonius Michelius die Sommerwurz als Parasiten. Seine Definition gilt bis heute.

Von da an teilten sich die Stränge: Die Parasitologie wurde zu einer selbständigen Wissenschaft, Parasiten sonder Zahl wurden in beinahe allen Organismen entdeckt.

Die politische Verwendung des Begriffes Parasit führte schließlich in die Konzentrationslager der Nazis und in die Gulags der Stalinisten.
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Das Buch "Parasiten" von Ulrich Enzensberger ist im Eichborn-Verlag erschienen.
->   "Parasiten"
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Parasiten im Genom
Heute gibt es eine Art Renaissance der Beschäftigung mit Parasiten, die schließlich in der Formulierung des französischen Philosophen Michel Serres ihren Höhepunkt findet, dass nämlich der Mensch insgesamt ein Parasit sei (1982).

Und auch die Genomforschung kommt ohne den Parasiten nicht aus. Anlässlich der Präsentation des menschlichen Genoms im Februar hieß es im Editorial der Zeitschrift "Nature":

"Durch die Analyse der Genom-Sequenz ergibt sich zum ersten Mal ein Überblick über das ganze Panorama der Landschaft unseres Genoms. Endlich lässt sich ermessen, in welchem Ausmaß parasitische DNA unser Genom kolonisiert hat."

Franz Simbürger, Ö1-Wissenschaft
 
 
 
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01.01.2010