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Evolution eines Killers: Wie die Pest auf den Floh kam  
  Wie konnte aus einem relativ harmlosen Bakterium der tödliche Erreger der Beulenpest entstehen? Eine US-Forschergruppe hat nun ein Gen identifizert, das dazu beigetragen hat - indem es dem Pest-Erreger die Anpassung an den Floh als Wirt ermöglichte und damit den Weg frei machte für die Verbreitung des "Schwarzen Todes".  
Die im Fachmagazin "Science" vorgestellten Forschungsergebnisse sind keineswegs unaktuell - denn immer noch infizieren sich jährlich rund 3.000 Menschen weltweit mit dem Pesterreger. In den USA beispielsweise wurden 1999 neun Fälle gemeldet, in Indien starben vergangenes Jahr mindestens fünf Personen an der hochansteckenden Lungenpest.
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Stäbchenförmiger Pesterreger Yersinia pestis
Beulen- und Lungenpest
Der Pesterreger, das gramnegative Bakterium Yersinia pestis wird durch Bisse von Rattenflöhen, oder - bei der so genannten Lungenpest - durch Tröpfcheninfektion übertragen. Nach dem Insektenstich wandert das Bakterium zu den Lymphknoten und verursacht dort häufig eine schmerzhafte Schwellung. Von diesen "Beulen" erhielt die Krankheit ihren Namen. Der Erreger verbreitet sich über die Lymphknoten sehr schnell im Körper der infizierten Person und kann innerhalb von zwei bis vier Tagen nach Auftreten der ersten Symptome zum Tod führen. In manchen Fällen infiziert das Bakterium auch die Lunge und verursacht so die Lungenpest - eine besonders tödliche und ansteckende Form der Krankheit: Durch Tröpfcheninfektion übertragbar liegt die Inkubationszeit hier bei wenigen Stunden.
->   Mehr Informationen zur Pest
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Harmloses Bakterium wird zum Killer
Der Erreger des im Mittelalter gefürchteten "Schwarzen Todes" war ursprünglich ein harmloses Darmbakterium, das beim Menschen lediglich eine milde Form von Unwohlsein hervorgerufen hat und durch verunreinigte Nahrung bzw. Wasser übertragen wurde.

Dennoch tötete die Pest im 14. Jahrhundert Millionen von Menschen in Europa, nach Schätzungen starb etwa ein Viertel bis ein Drittel der Bevölkerung an der Infektionskrankheit. Zu diesem Zeitpunkt aber wurde das Bakterium längst durch Flöhe von infizierten Nagern - vor allem Ratten - auf den Menschen übertragen.
Mit ''Gentech'' den Floh als Wirt gewinnen
Die genetische Veränderung, die diesen Übertragungsweg erst möglich machte, haben US-Forscher nun identifiziert. Denn der Pesterreger kann - im Unterschied zu verwandten Darmbakterien - von seinem Wirt, dem Floh, durch einen Biss bzw. Stich weitergegeben werden.

Die Änderung habe den Weg für eine völlig neue Form der Krankheitsübertragung frei gemacht, erklärt dazu Joseph Hinnenbusch, der Leiter des Forschungsteams vom National Institute of Allergy and Infectious Diseases (NIAID) und federführende Autor der in "Science" erschienen Studie.
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''Role of Yersinia murine toxin''
Die Studie unter dem Titel "Role of Yersinia murine toxin in survival of Yersinia pestis in the midgut of the flea vector" ist erschienen in "Science", Bd. 296, Seiten 733 - 735 vom 26. April 2002.
->   Der Originalartikel (kostenpflichtig)
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Überlebensnotwendiges Enzym identifiziert
Die Wissenschaftler untersuchten ein Gen, das im Pest-Erreger Yersinia pestis für ein bestimmtes Enzym PLD codiert. Frühere Forschungen hatten darauf hingedeutet, dass das Bakterium dieses Gen von einem anderen Erreger "übernommen" hatte.

Im Labor wurden Flöhe mit Varianten von Yersinia pestis infiziert: Ein Teil der Erreger enthielt das PLD-Gen, den anderen Bakterienstämmen fehlte es. Das Ergebnis: Erst das Enzym macht das Überleben des Pest-Erregers im Darmtrakt der Flöhe möglich.
Enstehung tödlicher Formen begünstigt
Die Bakterien, die das Gen enthielten, konnten sich im Mitteldarm der Flöhe vermehren und gelangten von dort beim Biss des Insekten in den nächsten Wirt.

Diese Infektion durch den Insektenbiss unterscheidet die Pest von allen näher verwandten Darmbakterien. Zudem hat nach Ansicht der Forscher erst die Anpassung an den Wirt - in diesem Fall den Floh - die Entstehung neuer, tödlicher Bakterienstämme begünstigt.
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Der ''Schwarze Tod'' in Europa
Eine der größten Pest-Pandemien suchte Europa im 14. Jahrhundert heim: 1348 gelangte der Erreger mit Handelsschiffen nach Sizilien und brachte bis 1352 immer wieder Wellen von Tod und Verderben über die Bevölkerung. Die Ausmaße waren verheerend: Alleine im Sommer 1349 zählte man in Wien 40.000 Opfer unter den Einwohnern. Insgesamt starben an die 25 Millionen Menschen während dieser Pestwelle in Europa - nach Schätzungen bis zu ein Drittel der Bevölkerung. Etwa zur gleichen Zeit erlagen der Krankheit in Afrika und Asien weitere 25 Millionen Menschen.

Erst Antibiotika und bessere Hygiene haben die bakterielle Infektionskrankheit stark eingedämmt. Nach Epidemien in Indien (rund sechs Millionen Tote zwischen 1898 und 1908), 1910 in der Mandschurei und 1936 auf Malta tritt die Pest heute nur noch örtlich begrenzt auf. Sie kann sehr effektiv durch eine Kombination von Antibiotika in hoher Dosierung bekämpft werden.
->   Mehr zur Geschichte der Pest
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Ausblicke auf die Zukunft ...
Bislang konnten die Wissenschaftler allerdings nicht entschlüsseln, welcher molekulare Mechanismus zu dieser Schutzfunktion führt. Dies herauszufinden sei klarerweise der nächste Schritt, fasst Hinnenbusch die zukünftigen Forschungen zusammen.

Die Untersuchungen haben im Übrigen auch im 21. Jahrhundert nichts von ihrer Aktualität verloren, denn infizierte Nager gibt es immer noch in vielen Ländern, beispielsweise im gesamten Westen der USA sowie im südlichen Afrika und in weiten Teilen Asiens.
->   NIAID
->   WHO: Informationen zur Pest
->   US Centers for Desease Control: Informationen zur Pest
Mehr zu diesem Thema in science.ORF.at:
->   Genetischer Code der Pest entschlüsselt
 
 
 
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01.01.2010