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Zoo und Wissenschaft - 250 Jahre Schönbrunn  
  Der Tiergarten Schönbrunn wird heuer 250 Jahre alt. Zum Jubiläum des ältesten Zoos der Welt gibt es u.a. eine Ausstellung samt wissenschaftlicher Begleitpublikation. Darin erfährt man, dass der Tiergarten nicht nur ein Publikumsmagnet, sondern auch ein Eldorado für Verhaltensforscher und Zoologen ist. Die Verbindung zwischen Zoo und Wissenschaft hat aber auch so manche seltsame Blüte getrieben.  
"Notausgang zur Natur"
So regte bereits der Wiener Zoologe Gustav Jaeger im Jahr 1862 an, in den Alpen die Angoraziege und das Lama anzusiedeln, im Flachland "würde sich ein Versuch mit der Einführung des Kameels, dieses so genügsamen und dauerhaften Lastthiers, das ausserdem noch brauchbare Wolle liefert, wohl der Mühe lohnen".
Mäßige Erfolge
Mitte des 19. Jahrhunderts hatten sich viele Zoos der Akklimatisierung verschrieben - vor allem zum Wohle der Wirtschaft. "Die Tiere wurden sowohl im wissenschaftlichen wie auch im symbolischen Sinne von den Kolonialmächten vereinnahmt", erläutert der Wiener Wissenschaftshistoriker und Mitherausgeber des Jubiläumsbandes Mitchell Ash.

Die Ansiedlungserfolge aber waren mäßig: Zu wenig war über die Lebensbedingungen und Ernährungsgewohnheiten der Exoten bekannt. Außerdem wusste man etwa mit Indischen Elefanten nichts weiter anzufangen, als Kinder darauf reiten zu lassen.
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Bild: Verlag Pichler
"Menagerie des Kaisers"
Mitchell Ash und Lothar Dittrich (Hg.): Menagerie des Kaisers - Zoo der Wiener. 250 Jahre Tiergarten Schönbrunn. Wien 2002 (Pichler).

Die gleichnamige Ausstellung ist vom 24. Mai bis 27. Oktober 2002 im Naturhistorischen Museum in Wien zu sehen.
->   Pichler Verlag
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Beginn der Verhaltensforschung
Im frühen 20. Jahrhundert wurde der Zoo zur Keimzelle der frühen Verhaltensforschung. Einige ihrer führenden Vertreter waren Zoodirektoren, so etwa der Zürcher Heini Hediger und Otto Antonius, der von 1924 bis 1945 den Tiergarten Schönbrunn leitete.
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Artgerechte Tierhaltung
"Antonius integrierte die wissenschaftliche Erforschung von Verhalten, Ernährung und aller sonstiger Lebensbedingungen unter den Haltungsbedingungen des Zoos systematisch in dessen Arbeitsprogramm", erklärt die Wiener Wissenschaftshistorikerin Veronika Hofer. Die Idee einer artgerechten Tierhaltung wie auch das Konzept des Territoriums sei von ihm mitentwickelt worden.
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Neuerer und Nazi
Die Modernität Antonius' hat aber ein Janusgesicht. Er war einer der Pioniere des Naturschutzes und gleichzeitig überzeugter Nationalsozialist. Als Züchtungsforscher begeisterte er sich für die lange Zeit abstrus anmutende Idee, die ausgestorbenen großen Wildsäugetiere Mitteleuropas, Auerochsen und Hirsche, durch Rückzüchtung wieder zum Leben zu erwecken.

(Ganz so abstrus erscheint die Idee heute nicht mehr: Wie science.ORF.at im Jänner 2002 berichtete, planen zwei deutsche Zuchtstationen die Auerochsen mit Hilfe heutiger Tiere "zurück zu züchten".)
Neue Forschungen
Die Entstehung neuer Forschungsschwerpunkte in der Nachkriegszeit hat auch in der Zoowissenschaft ihren Niederschlag gefunden. Im Bereich der Immunologie, Parasitologie oder der Genetik sind die ständige Anwesenheit der Tiere, die örtliche Nähe zu Forschungseinrichtungen und die kontrollier- bzw. manipulierbaren Bedingungen von großem Vorteil.
Zoos machen Tiere zugänglich
Nashörner etwa kann man so trainieren, dass sie sich ruhig in eine Ecke stellen, sich Blut abnehmen und sogar Untersuchungen im Rektaltrakt über sich ergehen lassen. Harn und Kot werden zu wichtigen Informationsträgern. So kann der Hormonhaushalt der Tiere analysiert, nach Brunft und Schwangerschaft gefragt und die Reproduktion befördert werden.
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Fortpflanzung und "Keuschheit"
Die Fortpflanzung im Zoo kann zum Problem werden, berichtet Franz Schwarzenberger, Endokrinologe an der Veterinärmedizinischen Universität Wien. Hält man etwa nicht miteinander verwandte Nashörner von jung auf zusammen, halten sich Männlein und Weiblein für Geschwister und bleiben keusch.
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Besser leben im Zoo
Die Forschungsarbeit in Käfig und Freigehege wird ganz überwiegend von externer Seite betrieben. Der Zooalltag lässt kaum Zeit für eigene Forschung, bedauert Dirk Ullrich vom Alpenzoo Innsbruck.

Das bestätigt auch Dagmar Schratter vom Tiergarten Schönbrunn, verweist aber auf gute Kontakte zu den Universitäten: "Wir stellen die Forschungsmöglichkeiten zur Verfügung und profitieren dann auch von den Ergebnissen."
Der Schlaf der Elefanten
So hat man etwa mittels Kameraüberwachung herausgefunden, dass Elefanten nachts nur wenige Stunden schlafen. Den Rest der Nachtzeit können sie sich jetzt an Futterautomaten laben. Ein Großteil der Forschung bezieht sich also auf den Zoo selbst, auf die Optimierung der Tierhaltung, der medizinischen Versorgung und der Sicherung des Tierbestandes
Arche Noah
Zoos bemühen sich aber auch um die Züchtung und Wiederansiedelung vom Aussterben bedrohter Tierarten. Auswilderung ist freilich ein extrem aufwendiges und heikles Unterfangen.

Wie kann man sicherstellen, dass die Zootiere in freier Wildbahn nicht nur überleben, sondern sich auch fortpflanzen? Welche Auswirkung wird die Wiederansiedelung für das Ökosystem der jeweiligen Region haben?
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Ein "Auswilderungsprojekt"
All diese Fragen stellen sich etwa beim Auswilderungsprojekt des Przewalski-Pferdes. Dieser Urahn aller Pferdearten ist in seiner mongolischen Heimat praktisch ausgestorben. Die Tiere werden mit einem Sender ausgestattet und sind per Satellit punktgenau in der Steppe zu verorten, wo sie mit Wölfen und extremen Temperaturschwankungen zwischen fünfzig Grad über und unter zu kämpfen haben werden.
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Transparente Forschung
Was die Forschungen in österreichischen Tiergärten angeht, lautet die offizielle Sprachregelung: "nichts vor den Besuchern verheimlichen". Hat man früher eher am Abend gearbeitet, scheut man sich etwa im Salzburger Zoo Hellbrunn heute nicht mehr, Gämsen auch vor Publikum zu betäuben.

Doktoranden erklären dann den Besuchern, dass man den Tieren vor der Auswilderung einen Herzsender implantiert. Vielleicht gibt es ja ein Wiedersehen in den umliegenden Alpentälern. Der Herzsender soll Aufschluss darüber geben, ob Skitourengeher oder Snowboarder einen Stressfaktor darstellen.

Oliver Hochadel, Falter "heureka"
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"heureka": Mensch - Tier - Wissenschaft
Die Langfassung dieses Textes erscheint am 8.5. in "Mensch - Tier - Wissenschaft", der neuesten Ausgabe von "heureka", der Wissenschaftsbeilage des "Falter".

Weitere Themen sind u.a. "Menschenaffen als Kulturwesen - Neue Erkenntnisse aus der Primatologie" sowie "Pensionsreform für Primaten - Wie ein Pharmamulti Versuchsaffen los wird".
Alle Beiträge finden sich ab 8.5. auch auf der heureka-homepage:
->   "heureka"
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->   Tiergarten Schönbrunn
->   Alpenzoo Innsbruck
->   Zoo Salzburg Hellbrunn
->   Naturhistorisches Museum Wien
->   science.ORF.at: Rückzüchtung der Auerochsen geplant
 
 
 
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01.01.2010