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"Red deitsch, Doktor"  
  Nur durch Kooperation mit ausländischen Spitzenkräften kann sich Österreich im globalen Netzwerk der Forschung behaupten. Bisher verscheuchten oft bürokratische Hürden und knappe Gehälter Talente aus aller Welt.  
Dem Ruf seiner Wissenschaft entsprechend, klingt es völlig logisch, was der Mathematiker und Wittgensteinpreisträger Peter Markowich zu sagen hat: "Es gibt keine österreichische, deutsche oder amerikanische Mathematik. Ideen sind grenzenlos."
Wissenschaft als Überwinderin der Grenzen?
Forscher als leuchtende Beispiele einer gelungenen Globalisierung? Nicht ganz. Denn da gibt es sehr alltägliche Hürden, die den Weg zu diesem Ziel versperren.

Etwa, wenn ein hochqualifizierter Mathematiker aus Ecuador, dessen einziges Verschulden darin besteht, eine Frist übersehen zu haben, Österreich bestürzt verlässt, weil man ihm bei der Fremdenpolizei sagt, es gäbe schon genug Ecuadorianer hier - und er solle sich keine Hoffnungen machen, Visa für Frau und Kind zu bekommen.

So geschehen im März 2002 in Wien, miterlebt von Renate Feikes, Mitarbeiterin von Peter Markowich. "Ich habe mich richtig geschämt", erzählt sie. "Da will man internationale Forscher hier versammeln, und dann passiert so etwas."
Forschen, aber ohne Familie?
Rechtlich gesehen sind Wissenschaftler, Stipendiaten und Gastprofessoren eine privilegierte Gruppe unter den Ausländern. Vom Ausländerbeschäftigungsgesetz ausgenommen, fallen sie nicht in die ominöse Quote und brauchen statt einer Beschäftigungserlaubnis lediglich eine Niederlassungsbewilligung.

Das Problem: Meist haben sie Familie. Ehepartner und Kinder bekommen zwar zumeist Aufenthalt und Schulbesuch genehmigt, arbeiten dürfen sie hier aber nicht.
Hürde Integrationsvertrag
Ab Anfang kommenden Jahres könnte ausländischen Forschern das Leben in Österreich zusätzlich schwer gemacht werden, und zwar durch den so genannten Integrationsvertrag, der Kurse in Deutsch und Staatsbürgerschaftskunde für Nicht-EU-Ausländer vorsieht. Hier ist keine Ausnahme für Wissenschaftler vorgesehen.
FWF-Vorschlag: Sonderregelung für Forscher
An wissenschaftlichen Instituten kommunizieren alle auf Englisch. Tatsächlich belegen zwar viele freiwillig Deutschkurse, doch kaum einer der jungen, umherziehenden Forscher hat vor, sich in Österreich niederzulassen.

"Soll etwa ein exzellenter chinesischer Spezialist 50 Prozent seiner Zeit damit verbringen, Deutsch zu lernen?", fragt Peter Markowich, Leiter des neu gegründeten Wolfgang Pauli Instituts. "Damit vertreibt man hochqualifizierte Leute, die wir dringend bräuchten", bekräftigt FWF-Präsident Arnold Schmidt.

Der Wissenschaftsfonds hat in seiner Stellungnahme zum neuen Gesetz vorgeschlagen, ausländische Forscher für drei Jahre aus der Integrationsvereinbarung auszunehmen. Erst, wenn sich danach herausstellt, dass der oder die Betroffene tatsächlich in Österreich heimisch werden will, soll die Vereinbarung in Kraft treten.
->   Arnold Schmidt: Bilanz des FWF
Ausnahme IMP
"Gute Leute sind selten, und diejenigen sind dann international players, die sich aussuchen können, wohin sie gehen", erklärt der Leiter des Instituts für Molekulare Pathologie (IMP), Kim Nasmyth. Es sei schade, so der Brite, dass Österreich so wenig in die Wissenschaft investiere, obwohl es ein reiches Land sei.

Für sein Institut ist es vergleichsweise einfach, internationale Spezialisten zu rekrutieren hat es doch als vom Pharmariesen Boehringer-Ingelheim finanziertes Forschungszentrum nicht dieselben Budgetbeschränkungen wie universitäre Einrichtungen.

"Das ist einer der Gründe, warum das IMP so erfolgreich und sein Ruf so viel besser ist als der anderer Institute in Österreich", meint Nasmyth. "Man investiert in Menschen, und man bekommt Qualität."
Bemühungen am RISC
"Der österreichische Staat wäre gut beraten, hier mehr Geld auszugeben", ist Bruno Buchberger, Gründer des Linzer Forschungsinstituts RISC, das inzwischen zu einem Technologiezentrum herangewachsen ist, überzeugt.

"Denn der schnellste Weg, Innovation anzukurbeln, ist, junge ausländische Wissenschaftler ins Land zu holen und dann dafür zu sorgen, dass sie auch hier bleiben und arbeiten können."
Positive Beispiele
Am RISC gibt es dank Buchbergers Bemühungen positive Beispiele, etwa die rumänische Familie Jebelean. 1990 kam Tudoor Jebelean mit einem Stipendium als Doktoratsstudent nach Hagenberg, ein Jahr später folgten mithilfe eines "Business Passports", da sie keine Visa bekamen, seine Frau und seine Tochter.

Inzwischen ist Tudoor Dozent, seine Frau hat einen Job als wissenschaftliche Beraterin an einer Linzer Klinik, und seine Tochter besucht ein bilinguales Gymnasium. Nach langem Warten und zahlreichen Interventionen bekamen alle drei die österreichische Staatsbürgerschaft.

"Heute gibt es allerdings kaum mehr Stipendien für junge Wissenschaftler aus dem ehemaligen Ostblock", bedauert der rumänische Computerwissenschaftler.
Atmosphäre: freundlich bis gleichgültig
Der Großteil der ausländischen Forscher empfindet das Alltagsleben in Österreich durchaus als angenehm. Ein etwas differenzierteres Bild malt Paul Mguba aus Uganda, der seine Doktorarbeit an der Uni Linz schreibt: "Manche sind freundlich, manche unfreundlich und andere einfach gleichgültig."

Der Grad der Freundlichkeit erhöht sich jedoch scheinbar sprungartig mit dem Wissen um einen akademischen Titel. "Wenn sie auf meinem Personalausweis den 'Dipl. Ing.' entdecken, verhalten sich die Menschen hier gleich ganz anders", erzählt die 28-jährige rumänische Computerwissenschaftlerin Florina Piroi, die seit vier Jahren am Hagenberger RISC arbeitet.
Vorteil Sicherheit
Viele der von weit her kommenden Forscher schätzen an Österreich vor allem den hohen Lebensstandard und die "geringe Kriminalität", wie der Brasilianer Fabio Chalub und der Russe Valery Imaikin betonen.

Beide hat Peter Markowich in seine Forschungsgruppe geholt. "Die Arbeitsbedingungen in Wien sind sehr gut", erläutert Imaikin, "ich habe hier Kontakte zu Wissenschaftlern aus aller Welt, die nach Wien eingeladen werden."
Erfolgsprinzip Kontakte
Wissenschaftlicher Erfolg geht mit guten internationalen Kontakten Hand in Hand - ein Prinzip, das nicht nur Peter Markowich erkannt hat. Auch die TU Wien setzt auf Vernetzung. Etwa mit einem Projekt zur Kooperation zwischen acht lateinamerikanischen und sieben europäischen Universitäten im Bereich der Materialwissenschaften.

Vorbereitet wird die Zusammenarbeit vom Argentinier José Luis Garcia. Der 28-jährige Maschinenbauer ist bereits seit 1998 in Wien, spricht perfekt Deutsch und hat "bewusst die Herausforderung angenommen, auch österreichische Freunde zu finden".

Er wünscht sich, dass die jungen Forscher aus Lateinamerika auch die europäische Mentalität und die jeweilige Sprache kennen lernen.
"Wir können nur gewinnen"
Ausländische Forscher zählen zu den wichtigsten Innovationsinitiatoren der österreichischen Wissenschaft. Peter Markowich formuliert es markant: "Das ist ja keine Liebeserklärung ans Ausland, sondern ein Gegengeschäft. Wir können dabei nur gewinnen."

Kirsten Commenda, Universum Magazin
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01.01.2010