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Prognosemodelle: Wer wird Fußballweltmeister?  
  Wer in Japan Fußballweltmeister 2002 wird, ist völlig ungewiss. Die Nicht-Vorhersagbarkeit von Ereignissen im Sport gehört zu seinen faszinierendsten Komponenten. Trotzdem wird auch hier aus den unterschiedlichsten Gründen vorhergesagt. Deutsche Kognitionspsychologen haben nun eine Prognosetechnik vorgestellt, die im Gegensatz zu anderen Modellen auf ganz wenigen Informationen beruht. Einen Siegertipp für die Fußball-WM haben sie auch schon: Frankreich.  
Die Unvorhersagbarkeit von Fußballspielen
"Nach dem Spiel ist vor dem Spiel" und "Der Ball ist rund" lauteten zwei der legendären Wahrheiten vom ehemaligen deutschen Fußball-Nationalteamtrainer Sepp Herberger.

Mindestens ebenso unwiderlegbar ist die Tatsache, dass man Fußballspiele nicht vorhersagen kann. Nichtsdestotrotz versuchen Wettbüros, die Medien oder auch Fußballfans, mit unterschiedlichen Methoden das Ergebnis von Wettkämpfen zu prognostizieren.
Prognosen gewünscht
Forscher des Max-Planck-Instituts für Bildungsforschung haben nun ein einfaches Prognosemodell entwickelt, das sie bei der Fußballweltmeisterschaft 2002 in Japan überprüfen wollen.

Der Ausgangspunkt dabei lautet: "Wir leben in einer Welt voller Unsicherheiten, dennoch werden immer Prognosen gewünscht", so Markus Raab von der Arbeitsgruppe "Adaptives Verhalten und Kognition" gegenüber science.ORF.at.
Schlichtes ''Take the Last-Ranking''
Im Gegensatz zu den in der Sportpsychologie üblichen Modellen zeichnet sich ihr "Take the Last-Ranking" durch Schlichtheit aus: Je weniger Informationen, desto besser wird die Vorhersage, so die Kernthese der Psychologen.

Das Modell von Markus Raab und Christian Gröschner von der Arbeitsgruppe "Adaptives Verhalten und Kognition" benötigt nur die Platzierungen der Fußballteams bei der letzten WM 1998. Ihre Prognose: Frankreich wird Weltmeister, gefolgt von Kroatien, Argentinien und Italien.
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Die Arbeitsgruppe
Die Arbeitsgruppe um Markus Raab untersucht kognitive Strategien einschließlich emotionaler und sozialer Komponenten, mit denen Menschen und Tiere unter realistischen Bedingungen wie Zeitdruck und unvollständigem Wissen Urteile fällen und Entscheidungen treffen.

Die Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen der Gruppe kommen aus unterschiedlichen Fachrichtungen wie Ökonomie, Informatik oder Biologie.
->   Arbeitsgruppe "Adaptives Verhalten und Kognition"
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Erprobt bei den Olympischen Spielen
Bei den Olympischen Spielen im Februar 2002 wurde das Modell erstmals angewendet. Nach Aussage von Raab konnte es die Medaillenvergabe genauer vorhersagen als ein anderes Modell von der Harvard-Universität, das weitaus komplexer angelegt war und u.a. zahlreiche ökonomische Daten berücksichtigte.
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Weniger Wissen ist mehr
Die Harvard-Ökonomen Daniel Johnson und Ayfer Ali benutzten ein ökonomisches Modell mit elf Parametern (z.B. Kapital des Landes, Regierungsform, Bevölkerung, Anteil und Dauer des Landes unter Frost), von denen nur ein Sportparameter, der Heimvorteil benutzt wurde.

Ihre Vorhersage erreichte bei der Rangkorrelation mit der Gesamtmedaillenliste einen Wert von r = 0,67 und mit den Rängen nach Anzahl der Goldmedaillen einen Wert von r = 0,71.

Mit nur zwei Parametern kann nach Angaben der Max Planck-Forscher eine Korrelation von r = 0,79 erreicht werden. D.h. dass die Benutzung weniger Informationen zu besseren Ergebnissen führt. (Der Korrelationskoeffizient r ist positiv, wenn sich die beiden in Verbindung gebrachten Merkmale im gleichen Sinn verändern, bei vollkommener Abhängigkeit beträgt er + 1, er ist 0, wenn keine Beziehung besteht.)
->   Mehr dazu: Ökonomen sagen Olympia-Gewinner voraus
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Wenig Wissen, schnelle Entscheidungen
Dass das schlichte Modell bessere Prognosen ermöglicht, ist laut Raab kein Zufall. Der Mensch habe im Lauf der Evolution einfache Entscheidungsregeln entwickeln müssen, um mit wenig Wissen und sehr schnell gute Entscheidungen zu treffen, so der Kognitionspsychologe.

Denn in der Regel ist gar keine Zeit, um alle Informationen zu sammeln, alle Möglichkeiten durchzuspielen und gegeneinander abzuwägen. Ganz abgesehen von der "Rechenleistung", die das Gehirn dafür aufbringen müsste.
Vergleich existierender Prognosemodelle
Anhand der Fußball-Weltmeisterschaft 2002 werden die deutschen Forscher nun die Prognosefähigkeit existierende Modelle vergleichen.

Diese "Kompensatorische Prädiktionsmodelle" bzw. "Modelle mit nichtkompensatorischer Verrechnung" unterscheiden sich in Anzahl, Art und Verrechnung der verwendeten Informationen.

Sie beruhen auf verschiedenen Ranglisten und "Hinweisreizen" wie die aktuelle Rangliste des Weltfußballverbands, die Anzahl gewonnener Spiele, der Heimvorteil, die vorhergesagten Stärken und Schwächen von Mannschaften sowie länderspezifischen Informationen.
Erklärung von Wettverhalten und Aktienkursen
Falls das "Take the Last-Ranking" auch bei der Fußballweltmeisterschaft 2002 bessere Prognosen liefert als die anderen Vorhersagemodelle, könnten die Überlegungen der Kognitionspsychologen auch in andere Prognosemodell einfließen.

Wie Markus Raab gegenüber science.ORF.at meinte, lägen die potenziellen Anwendungen im Wettverhalten von Zuschauern und in der Entwicklung von Aktienkursen.

Lukas Wieselberg, science.ORF.at
->   Max-Planck-Institut für Bildungsforschung
 
 
 
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01.01.2010