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Genom eines Antibiotika-Lieferanten entziffert  
  Das Genom des "Lieblingsbakteriums" der Medizin ist entziffert. Die Analyse des Bakteriums Streptomyces coelicolor könnte den Durchbruch zur Herstellung neuer, effektiver Antibiotika darstellen. Denn das Bakterium und seine nahen Verwandten liefern mehr als die Hälfte der in Anwendung befindlichen natürlichen Antibiotika.  
Das Bakterium ist eigentlich jedem Menschen bekannt, obwohl er sich dessen nicht bewusst ist: Streptomyces coelicolor lebt im Boden und ist für dessen typischen erdigen Geruch verantwortlich.
Lieferant von 6.000 verschiedenen Verbindungen
Darüber hinaus besitzen diese Bakterien aber weit bedeutendere Eigenschaften. So produzieren sie eine Vielzahl von Antibiotika, wie z. B. Tetracycline and Erythromycin, sowie Verbindungen, die in der Krebsbehandlung oder zur Unterdrückung der Immunreaktion bei Transplantationen verwendet werden.

Insgesamt liefert die Gattung Streptomyces über 6.000 verschiedene chemische Verbindungen. Das entschlüsselte Genom präsentieren David Hopwood vom John Innes Centre in Norwich und seine britischen Kollegen im Fachjournal "Nature".
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"Complete genome sequence"
Der Artikel in "Nature": "Complete genome sequence of the model actinomycete Streptomyces coelicolor A3(2)". (Bd.417, S.141 - 147, vom 9. Mai 2002).
->   Der Artikel in "Nature" ( kostenpflichtig)
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Arbeit in Gruppen
Die Familie der Streptomyces coelicolor fasst Gene zu Gruppen zusammen, die zur Produktion medizinisch hoch wirksamer Moleküle verwendet werden. Im Genom des Coelicolor-Bakteriums konnten 20 dieser Cluster entdeckt werden - die meisten von ihnen waren bisher unbekannt.

"Wir kennen vier Antibiotika, die von solchen Clustern produziert werden, aber wir haben ca. 17 Cluster gefunden die andere aktive Verbindungen herstellen. Hier handelt es sich um genetische Information für Stoffe die bisher noch nicht bekannt waren", sagt Hopwood. "Möglicherweise werden diese aber nur unter bestimmten Bedingungen im Erdreich produziert."
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Streptomyces coelicolor
Streptomyces coelicolor
Das Bakterienchromosom umfasst 8.667.507 Basenpaare - ein im Vergleich zum Menschen mit über drei Milliarden genetischen Buchstaben kleines Genom. Doch die schätzungsweise 7.825 Gene produzieren mehr als die Hälfte der natürlichen Antibiotika und weitere pharmazeutisch bedeutsame Substanzen.

Streptomyces ist ein harmloser Verwandter der Mikroben, die Tuberkulose, Lepra und Diphtherie verursachen. Das jetzt entzifferte Genom zeige viele Eigenschaften, die diese Bakterien gemeinsam haben. Weitere Untersuchungen an den harmlosen Streptomyces könnten neue Wege zur Bekämpfung der verwandten Krankheitserreger zeigen.
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Ein universeller Organismus
Das nun entschlüsselte Genom kann aber auch Hinweise liefern, wie Bakterien im Boden überleben. Die im Erdreich lebenden Bakterien überstehen extreme Temperaturen, Trockenheit und Nahrungsknappheit, indem sie verschiedene Gen-Gruppen ein und ausschalten.

"Es ist ein universeller Organismus", erklärt Experte Hopwood. Um sich den unterschiedlichen Lebensbedingungen anpassen zu können, sind demnach 12 Prozent des Genmaterials nur für das Ein- und Ausschalten anderer Gene bestimmt.
Antibiotika als Waffe
S. coelicolor zeichnet sich allerdings durch eine weitere besondere Eigenschaft aus. Für einfache Bakterien völlig unüblich, kann das Bakterium Gewebe bilden.

Zuerst verbinden sich einzelne Zellen zu lederartigen Fetzen, die Nährstoffe aufsaugen. Später, wenn die Nahrung knapp wird, sprießen aus diesen Zellverbänden "Zweige", die widerstandsfähige Sporen verstreuen.

"Das sind sehr gut aussehende kleine Dinger", meint Hopwood. Im Sporenstadium produzieren die Bakterien zudem ebenfalls Antibiotika - wahrscheinlich, um andere Bakterien, die den selben Lebensraum und die selben Ressourcen beanspruchen, zu bekämpfen.
Ein Modell für Wachstum und Entwicklung?
"Wie sich S. coelicolor in den verschiedenen Lebensphasen weiterentwickelt, könnte auch das Verständnis für die Wachstums- und Entwicklungsschritte komplexerer Organismen bereichern", meint der Biochemiker Chris Walsh von der Harvard Medical School in Boston. "Vielleicht sind diese Entwicklungsschritte ja universell."
Der Weg zu neuen Medikamenten
Mit Hilfe gentechnischer Verfahren sollen jetzt Teile der einzelnen Gen-Cluster des Streptomyces coelicolor isoliert und neu verbunden werden. Dadurch sollen neue, hochwirksame Medikamente geschaffen werden.

Durch diese "kombinierte Biosynthese" könnten auch - so hoffen die Forscher - Präparate entstehen, die Antibiotika-resistente Bakterien bekämpfen. In den vergangenen Jahren wurden mehr und mehr solcher Resistenzen beobachtet, die vor allem für Menschen mit einem geschwächten Immunsystem tödliche Folgen haben können.
->   John Innes Centre
->   Harvard Medical Web
->   www.bioweb.ch: Ein Bakterium gibt Rätsel auf - S. coelicor
->   Mehr zum Thema Antibiotika in science.ORF.at
 
 
 
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01.01.2010