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Gehirn: "Füllmaterial" unterstützt Stammzell-Reifung  
  Bisher hat man ihre Rolle im Gehirn zumeist unterschätzt: Astrozyten - "sternförmige" Zellen - galten als bloßes Hilfsmaterial im Nervensytem. Doch US-Forscher bewiesen jetzt, dass sie die Reifung von Neuronen im Gehirn entscheidend fördern können.  
"Astrozyten, man hat sie nach ihrem sternartigen Aussehen so bezeichnet, sind so genannte Glia-Zellen. Das Wort kommt wiederum vom lateinischen Begriff für 'Leim'. Sie füllen den Raum zwischen den Neuronen und haben eine unterstützende Rolle", berichtete Charles F. Stevens vom Howard Hughes Medical Institute in einer Aussendung der Forschungsinstitution.
Kaum beachtete Astrozyten
Der Wissenschaftler hat sich seit Jahren mit der Erforschung der Rolle dieser bisher von den Neurologie-Experten kaum beachteten Zellen in Gehirn und Rückenmark beschäftigt.

Was man sicher wusste: Die Astrozyten nehmen Nervenbotenstoffe auf, die im Rahmen ihrer Funktion von den Neuronen abgesondert werden und wieder beseitigt werden müssen.
Reize zur Ausreifung von Neuronen
Doch weitere wesentliche Aufgaben der Astrozyten blieben unbekannt. Gerade deshalb könnten die vor kurzem in "Nature" veröffentlichten Forschungsergebnisse des US-Teams von größter Bedeutung sein.

Der Grund dafür: Offenbar bieten die Astrozyten den in gewissen Nischen des Nervensystems vorhandenen neuronalen Stammzellen jene Reize, die zu deren Ausreifung zu fertigen Neuronen führen.
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"Astroglia induce neurogenesis"
Der Artikel "Astroglia induce neurogenesis from adult neural stem cells" ist erschienen in "Nature", Bd. 417, Seiten 39 - 44, vom 2. Mai 2002.
->   Der Artikel (kostenpflichtig)
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Beweis mit Hilfe von Farbstoffen
"Die Astrozyten sagen den Stammzellen offenbar, in welche Richtung sie sich entwickeln sollen", erläutert Stevens. Den Beweis für diese These traten die Wissenschaftler an, indem sie die Vorläufer von Neuronen mit grünem fluoreszierenden Farbstoff markierten.

Die solchermaßen markierten Zellen wurden dann in Kulturschalen gemeinsam mit reifen Neuronen und Astrozyten gezüchtet. Das Ergebnis: Die Nerven-Stammzellen entwickelten sich schnell zu "erwachsenen" Nervenzellen.
Die Frage nach dem Wie
Das ließ die Frage aufkommen, auf welchem Weg die sonst so "geringschätzig" betrachteten Astrozyten diesen Reifungsprozess bei den Neuronen bewirkten: durch direkten Kontakt von Zelle zu Zelle oder durch die Produktion und die Abgabe von stimulierenden Wachstumsfaktoren.
Beide Mechanismen greifen
Die nächsten Experimente: Die Zelltypen wurden durch eine nur für Botenstoffe durchlässige Membran von einander getrennt. In einem zweiten Versuch wurden die Astrozyten so "beschädigt", dass sie keine Wachstumsfaktoren abgeben konnten.

Das Ergebnis: Neuronale Stammzellen reagierten in beiden Versuchsanordnungen auf die Nähe von Astrozyten mit einem Reifungsprozess. So dürften eben sowohl direkter Kontakt der Stammzellen mit den Astrozyten als auch durch letztere freigesetzte Wachstumsfaktoren zur Ausreifung führen.
Entscheidend für Regeneration
Die Astrozyten sind offenbar in der Lage, die neuronalen Stammzellen selbst zur Teilung zu bringen. Somit dürften die "Sternzellen" nicht nur die Ausreifung von Stammzellen im Gehirn fördern, sondern auch den Nachschub an Nerven-Vorläuferzellen sicherstellen.

"Wir haben beobachtet, dass sich neuronale Stammzellen in gemeinsamer Kultur mit Astrozyten doppelt so häufig teilten, wie wenn wir sie beispielsweise zusammen mit Fibroblasten (aus der Haut stammend, Anm.) züchteten", erklärte US-Forscher Charles Stevens.
Anwendung bei embryonalen Stammzellen?
Astrozyten und Glia-Zellen, zu denen erste gehören, sind also bei weitem nicht nur Stütz- und Füll- oder Hilfsmaterial für die Nervenzellen im Gehirn.

Sie machen einen wesentlichen Bestandteil der Umwelt der Neuronen aus. Eventuell könnte man sie in Zukunft zur Förderung der Ausreifung von embryonalen neuronalen Stammzellen verwenden.
Neue Fragen und neue Möglichkeiten ...
Doch aus den US-Forschungsarbeiten ergeben sich auch neue Fragen: Während sich offenbar neuronale Stammzellen aus bestimmten Gehirnregionen unter dem Einfluss von Astrozyten aus der selben Gehirnregion zu funktionierenden Neuronen entwickelten, gingen solche Experimente mit neuronalen Stammzellen in Kultur mit "Sternzellen" aus dem Rückenmark schief.

Eine mögliche Erklärung dafür: Den "Füllzellen" aus dem Rückenmark fehlt im Vergleich zu jenen aus dem Gehirn irgendetwas.

"Es ist zwar noch eine Spekulation, aber das könnte der Grund dafür sein, warum im Rückenmark keine Regenerationsprozesse ablaufen", so Stevens. Würde man den entscheidenden Faktor entdecken, ließe sich dieser Mangel aber womöglich beheben. Das wäre die Voraussetzung für eventuelle Therapien von Rückenmarkschäden.
->   Howard Hughes Medical Institute
->   Mehr zum Thema Stammzell-Forschung in science.ORF.at
 
 
 
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01.01.2010