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Herpes-Viren: Neue Therapiestrategie  
  Im Labor und an Tiermodellen wird derzeit eine neue Klasse von Herpes-Medikamenten erprobt. Sie sollen die Viren an anderen Stellen ihres Vermehrungszyklus treffen als dies die bisher bekannten Arzneimitteln tun.  
Das Problem ist enorm: Reihenuntersuchungen haben ergeben, dass beispielsweise in den USA bereits 22 Prozent der Bevölkerung mit dem Herpes simplex Virus 2 (HSV2 - Genitalherpes) infiziert sind. Noch mehr Menschen leiden an Fieberblasen (Herpes simplex 1 - HSV1).
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Herpes
Bei den Herpes-simplex-Viren werden die genetisch nahe verwandten HSV-1 und HSV-2 unterschieden. Mehr als 90 Prozent der Bevölkerung sind mit HSV-1 infiziert - rund 30 bis 50 Prozent sind mit HSV-2 infiziert. Die Erstinfektion durch Tröpfchen- oder Schmierinfektion erfolgt häufig unbemerkt. Einzelne Viren überleben in den Nervenzellen nahe der Eintrittspforte und können sich später unter bestimmten Bedingungen (Abwehrschwäche, hormonelle Ursachen, Sonnenlicht) vermehren und die Erkrankung reaktivieren. Vor allem bei Kindern, bei Neurodermitis oder bei Abwehrschwäche kann es zu schweren oder gar lebensbedrohlichen Verläufen kommen.

Mehr zum Herpes-simplex-Virus Typ I und zum Herpes-simplex-Virus Typ II in medicine-wordwide.de.
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Erstes spezifisches Viren-Medikament
1977 wurde mit der ersten Beschreibung der Wirksamkeit der Substanz Acyclovir gegen HS-Viren ein neues Kapitel in der Behandlung von Virus-Erkrankungen aufgeschlagen: Erstmals gab es damit ein ganz spezifisch gegen Viren wirkendes Medikament.
Problem: Resistente Erreger
Doch obwohl das Arzneimittel bei Millionen Patienten die Häufigkeit der Herpes-Symptome reduzieren kann und vor allem bei der Neuinfektion von Babys und bei immunschwachen Patienten oft lebensrettend ist, gibt es Probleme: Acyclovir wirkt nicht immer ausreichend.

Leiden zum Beispiel Aids-Patienten auch an Herpes, liegen bei rund sechs Prozent der Betroffenen Erreger vor, die gegen das Medikament resistent sind. Deshalb sind weiterhin neue Herpes-Medikamente, welche die Viren an anderer Stelle als Acyclovir angreifen, dringend erwünscht.
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Wie Acyclovir wirkt
Diese Substanz hemmt das Enzym HSV-Polymerase und führt bei der Neusynthese von Virus-Erbsubstanz (DNA) in infizierten Zellen zu einer Blockade. Dadurch wird die Entstehung weiterer Viren gebremst.
->   Mehr Informationen zu Acyclovir
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Neue Strategien gegen Herpes
Auf der Suche nach völlig neuen Strategien gegen Herpes sind jetzt zwei Forschergruppen fündig geworden. Darüber berichtete vor kurzem die angesehene Fachzeitschrift "Nature Medicine".

Deutsche und amerikanische Experten haben Substanzen in Entwicklung, welche die Herpes-Viren auf neue Weise anvisieren: Sie blockieren den so genannten Helicase-Primase-Komplex der Erreger.

Die Funktion dieses Komplexes aus drei Proteinen: Das Enzym "zwirbelt" die Herpes-Viren-DNA-Doppelspirale auf und sorgt auch für die Produktion von Start-Sequenzen für die Neuherstellung von Virus-Erbsubstanz. Beide Funktionen sind Schritte, ohne die eine Vermehrung der Krankheitserreger nicht möglich wäre.
"Besser" als Acyclovir?
Bei der wichtigsten Leitsubstanz für die neuen Herpes-Medikamente, die von den Experten am Boehringer-Ingelheim-Forschungszentrum in Ridgefield im US-Bundesstaat Connecticut erprobt wurde, handelt es sich um BILS 179 BS.

Dieses Molekül enthält Amino-Thiazolylphenyl. Die Substanz wirkt offenbar sowohl gegen HSV1 (Fieberblasen) als auch gegen HSV2 (Genitalherpes). Der Wirkstoff könnte in Pillenform eingenommen werden.
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Spätere Einnahme möglich
In Versuchen an Mäusen zeigte sich, dass der Wirkstoff auch dann noch einen Effekt hatte, wenn er den Tieren bis zu 65 Stunden nach der Infektion gegeben wurde. Die derzeit mit gutem Erfolg angewendeten Herpes-Medikamente Acyclovir, Valacyclovir und Famcyclovir dagegen müssen von den Betroffenen möglichst schnell eingenommen werden, um einen optimalen Effekt zu entwickeln.
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Weiterer Wirkstoff entdeckt
In Wuppertal wurden von einer Forschergruppe um Helga Rübsamen-Waigmann rund 420.000 Substanzen einem Schnelldurchsatz-Testverfahren unterworfen, um mögliche Leitmoleküle für Herpes-Medikamente zu finden.

Dabei stieß man auf eine Abwandlung von Thiazol-Harnstoff (BAY 57-1293 bzw. ähnliche Substanzen). Auch dieser Wirkstoff brachte eine schnellere Abheilung von Herpes-Infektionen und ein selteneres Wiederauftreten von Symptomen bei den Versuchstieren.
Beide Stoffe: Wirksam gegen resistente Erreger
Beide "Kandidaten" für Inhaltsstoffe zukünftiger Herpes-Medikamente wirkten auch bei Viren, welche gegen Acyclovir bereits resistent waren.

"Die Resultate mit den Helicase-Primase-Hemmern waren insgesamt besser, als man sie in den gleichen Experimenten mit Acyclovir oder Valacyclovir verglich", schrieben die unabhängigen US-Experten Clyce S. Crumpacker und Priscilla A. Schaffer (Harvard University/Boston) in "Nature Medicine" über die Tests.
Bislang keine endgültige "Heilung" möglich
Trotz des neuen Mechanismus haben die nun in Entwicklung befindlichen Substanzen aber weiterhin ein Manko: Auch sie können Infizierte nicht endgültig von den Herpes-Viren befreien. HSV1 und HSV2 nisten sich nach der Erstinfektion in Nervenbahnen ein.

Normalerweise unterdrückt das Immunsystem deren Aktivität. Doch wird die Körperabwehr geschwächt, werden die Viren aktiv, verursachen mit Fieberblasen bzw. Genitalherpes-Symptomen Probleme und machen den Infizierten für seine Kontaktpersonen ansteckend.
->   "Nature Medicine"
 
 
 
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01.01.2010