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Walfangkommission: Erstmals Mehrheit für Walfang?  
  Wenn sich die Internationale Walfangkommission (IWC) von Pfingstmontag an zu ihrer 54. Jahrestagung trifft, stehen die Zeichen für Umwelt- und Tierschutzorganisationen auf Sturm: Einmal mehr geht es um die Zukunft des seit 1986 geltenden Walfangverbots für kommerzielle Zwecke, und erstmals kann es, wie Greenpeace warnt, eine Mehrheit der Pro-Walfang-Länder geben.  
Seiner Rolle als "böser Bube" in der IWC - aus der Perspektive der Umweltschutzorganisation - dürfte wieder der diesjährige Gastgeber Japan gerecht werden. Die Greenpeace-Vorwürfe sind unverblümt: Japan wolle mit allen Mitteln zum industriellen Walfang zurückkehren und schrecke nicht einmal vor Stimmenkauf zurück.
Greenpeace: Stimmen gegen Entwicklungshilfe
Ziel der japanischen Begehrlichkeiten auf dem Weg zur freien Jagd auf Wale seien Länder der Dritten Welt, denen im Tausch gegen ihre Pro-Stimme in der mehr als 40 Mitgliedsstaaten umfassenden IWC Entwicklungshilfe geboten werde. Seit 1985 habe die japanische Regierung für diesen Zweck mehr als 358 Millionen Euro ausgegeben.

Als "gekaufte Nationen" nennt Greenpeace unter anderen Marokko, Panama, Grenada und St. Lucia. Als "wahrscheinlich gekauft" gelten Benin, die Kapverden und Gabun. In der IWC zählt jede Stimme gleich, unabhängig von Größe und Einwohnerzahl des Landes.

Japan soll Fischereibeihilfen für Staaten der Karibik und Westafrikas an deren Unterstützung der japanischen Walfang-Interessen gekoppelt haben, sagte die Greenpeace-Meeresbiologin Nina Thüllen bei einer Pressekonferenz am Donnerstag. Thüllen wird Österreich ab Montag in Shimonoseki vertreten.
Keine schriftlichen Beweise
Schriftliche Beweise dafür gibt es nicht, wie Thüllen erklärte, doch bei Abstimmungen sei zu beobachten, dass jene Staaten, denen Japan bei Fischereihäfen oder Fischfabriken finanziell unter die Arme gegriffen hat, stets mit Japan stimmen.

Im Vorjahr bei der Jahrestagung in London hatte ein japanischer Delegierter solche Methoden zugegeben und im Nachhinein widerrufen.
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Die Internationale Walfangkommission
Die Internationale Walfangkommission (IWC), gegründet 1946 unter der "International Convention for the Regulation of Whaling", soll den Walfang regulieren und dafür sorgen, dass keine Walart ausgerottet wird. Sie ist jedoch keine Walschutzorganisation, die ein Fangverbot um seiner selbst willen durchsetzen soll. Ähnlich wie Fischerei-Organisationen soll sie vielmehr Fangquoten festlegen, die den Bestand der Großwale nicht gefährden und den Walfang damit langfristig sichern.

Die Kommission steht allen Staaten offen, Kriterium ist der Mitgliedsbeitrag. Zu den IWC-Staaten zählen unter anderen die USA, Russland, China, Australien, Argentinien, Mexiko, Spanien, San Marino, die Schweiz und Österreich.
->   The International Whaling Commission
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Nur zwei bis drei Stimmen fehlen ¿
Tagungsort des IWC ist ausgerechnet Shimonoseki, der Heimathafen der japanischen Walfangflotte - für die Walfang-Gegner eine Provokation. Laut Umweltorganisationen wird sich Shimonoseki als Ort präsentieren, der auf den Walfang angewiesen ist: Walfang als Arbeitgeber und als kulturelles Erbe.

Brisant wird die 54. IWC-Jahrestagung aber vor allem durch den Umstand, dass - laut Greenpeace - Japan nur noch zwei bis drei Stimmen braucht, um eine einfache Mehrheit zu erreichen.
Einfache Mehrheit: Was damit erreicht werden kann
Zwar bedürfen alle Entscheidungen bezüglich Moratorium, Fangquoten und neuer Schutzgebiete einer Dreiviertelmehrheit, aber auch mit 50 Prozent der Stimmen ließen sich laut Greenpeace durchaus weit reichende Beschlüsse fassen.

Mit einer einfachen Mehrheit könnten demnach die Vorsitzenden der Kommission bestimmt, das Budget für wissenschaftliche Projekte aufgeteilt und Abläufe in der Kommission geändert werden. Als Beispiele nennt die Umweltschutzorganisation die Einführung geheimer Abstimmungen und den Ausschluss von Beobachtern.

Außerdem könnte der Schutz der Wale in bestimmten Meeren zurückgenommen werdeen: Japan habe einen Antrag vorgeschlagen, so Thüllen, mit dem der Walschutz in der Antarktis derart geschwächt werde, dass das Schutzgebiet in der Antarktis praktisch aufgehoben ist.
Kontroverse in Sachen Wissenschaft
Auch in Sachen Wissenschaft hat Greenpeace mit Japan ein Hühnchen zu rupfen. Als "nachweislich falsch" wird die Aussagen des japanischen Instituts für Walforschung bezeichnet, die Meeressäuger würden zu viel Fisch fressen, durch gezielten Abschuss sei die daraus resultierende Konkurrenz zu den Menschen zu verringern.

Allein der Umstand, dass der starke Rückgang der Walpopulationen im 20. Jahrhundert keineswegs einen deutlichen Anstieg des für die Fischerei verfügbaren Fischbestandes zur Folge hatte, führe dieses Argument ad absurdum.

Die Schuld an der Überfischung sehen die Umweltschützer vielmehr in den Überkapazitäten der Fangflotten. Zahlen der FAO belegen, dass mehr als 60 Prozent der 200 kommerziell genutzten Arten überfischt sind oder am Rande der Überfischung stehen.
Wale fressen Meere nicht leer
Wale würden jährlich bis zu 500 Tonnen Fisch fressen, hat das japanische Institut für Walforschung errechnet. Greenpeace bezeichnet das als "modernes Märchen": Pottwale ernähren sich hauptsächlich von Tintenfischen, so Thüllen.

Die Pottwale tauchen dabei auf über 2.500 Meter in die Tiefsee ab. Zwergwale wiederum ernähren sich laut Thüllen von Krill. Diese kleinen Meerestiere seien für den Menschen nicht nutzbar.
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Zum Zustand der Walpopulationen
Von 1925 bis 1975 wurden mehr als 1,5 Millionen Wale getötet. Wie viele Meeressäuger es heute gibt, kann niemand sagen. Manche Arten wurden laut Greenpeace bis auf zehn Prozent ihres ursprünglichen Bestandes dezimiert, manchen standen überhaupt kurz vor dem Aussterben. Der Atlantische Grauwal wurde ausgerottet, die Populationen von Blau-, Finn- und Buckelwalen sanken deutlich.

Wissenschafter gehen bei einigen Populationen von einer Erholung aus, für andere Bestände fehlen Untersuchungen. Bei Zählungen im Meer kann immer nur ein Teil der Tiere gesichtet werden, selbst die besten Untersuchungen beruhen nur auf Hochrechnungen.
->   science.ORF.at: Weit weniger Pottwale als angenommen (18.4.2002)
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Pikante Details im Vorfeld
Bei der im Vorfeld der Plenarkonferenz in Shimonoseki stattfindenden Tagung des IWC-Wissenschaftsausschusses hatten sich dessen Mitglieder bereits mit dem Bericht eines Universitätsprofessors und eines Managers einer früheren Walfangfirma aus dem Land zu befassen.

Dieser dokumentiere, wie die japanische Nachrichtenagentur Kyodo berichtete, dass Japan in den sechziger und siebziger Jahren der IWC deutlich niedrigere Zahlen über Küstenwalfänge gemeldet habe, als der Wahrheit entsprochen hätte.

Japan soll damals zwei bis drei Mal so viele Pottwale gefangen haben, wie in offiziellen Dokumenten angegeben war. Verbotene Fänge von Blauwalen sollen überhaupt unterschlagen worden sein.
->   Greenpeace Österreich: Der aktuelle Presseticker zur IWC 2002
->   IWC: International Convention for the Regulation of Whaling (1946)
Mehr zu diesem Thema in science.ORF.at:
->   Japan: Mit High-Tech auf Walsuche (8. Jänner 2002)
->   Weitere Artikel zum Thema Walfang in science.ORF.at
 
 
 
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01.01.2010