News
Neues aus der Welt der Wissenschaft
 
ORF ON Science :  News :  Leben .  Umwelt und Klima 
 
Forscher isolieren Gen gegen "Kartoffelkrankheit"  
  Erstmals konnte ein Gen isoliert werden, das Erdäpfel vor der schädlichen Kraut- und Knollenfäule schützt. Dies soll helfen, die Abwehrmechanismen der Kartoffel weiter zu erforschen und per Zucht zu verbessern.  
Das sagte Agim Ballvora vom Max-Planck-Institut für Züchtungsforschung am Mittwoch in Köln. In der neuesten Ausgabe des Wissenschaftsmagazins "The Plant Journal" beschreiben die Kölner Forscher die genetische Basis dieses für die Pflanzenzüchtung wichtigen Merkmals.
...
"Kartoffelkrankheit" - weltweit gefürchtet
Die Kraut- und Knollenfäule zählt weltweit zu den meist gefürchteten Krankheiten beim Kartoffelanbau. Die jährlichen Ertragsverluste belaufen sich auf zwei bis drei Milliarden Euro. Bekämpft wird die Krankheit durch den häufigen Einsatz von Chemikalien.

Der Erreger ist ein Schadpilz, Phytophthora infestans, der - wie der Name der Krankheit ausdrückt - sowohl Blätter und Stängel als auch die Knollen der Pflanze vollständig zerstören kann. Mitte des 19. Jahrhunderts führte eine verheerende Epidemie in Irland zu einer Hungerkatastrophe, die eine Auswanderungswelle nach Nordamerika auslöste.
...
Widerstandsfähgikeit mancher Pflanzen als Basis
Widerstandsfähige Pflanzen, die man unter Wildformen der Kartoffel in Mexiko und Südamerika fand, wurden vor etwa fünfzig Jahren in Kartoffelsorten eingekreuzt. Der Erreger entwickelte jedoch immer neue genetische Varianten, die die angezüchtete Abwehreigenschaft der Kartoffel bald wieder überwanden.

In dem Wettrennen mit dem Pilz ist man deshalb an einer langfristigen Verbesserung der genetischen Widerstandsfähigkeit von Sorten interessiert, die auch den Einsatz von Fungiziden im Kartoffelanbau verringern könnte. Eine Voraussetzung hierfür ist das Verständnis der genetischen Grundlagen dieser Resistenz.
Resistenz-Gen isoliert
Unter Leitung von Christiane Gebhardt ist es dem Kölner Forscherteam nun gelungen, das so genannte Resistenz-Gen R1 aus der Kartoffel zu isolieren, wie die Max-Planck-Gesellschaft mitteilte. Dieses Gen vermittelt Widerstandsfähigkeit gegen eine bestimmte Variante des Erregers der Kraut- und Knollenfäule.
Dickere Zellwände und Gift als Schutz
Das Gen codiere ein Protein von etwa 1.300 Aminosäuren, die im Fall von Eindringlingen eine hypersensitive Reaktion in der Pflanzenzelle auslösten, erklärte Agim Ballvora. Die Zellwände würden dicker, so dass sich die Pilzsporen nicht ablagern könnten. Außerdem stoße die Zelle Stoffe aus, die für den Erreger giftig sind.
Ein infiziertes Kartoffelblatt
 
Bild: Max-Planck-Institut für Züchtungsforschung

Zeichen der Kraut- und Knollenfäule am Beispiel eines infizierten Kartoffelblattes. Das Blatt (quer) ist von einem dichten weißen Geflecht (Mycel) des Pilzes Phytophthora infestans überzogen, das auch das Innere des Pflanzengewebes befällt und zerstört.
...
Genauere Informationen zum R1-Gen
Die Forscher konnten das Gen auf dem fünften von zwölf Chromosomen der Kartoffel aufspüren und isolieren. In seinem molekularen Aufbau ähnelt das R1-Gen anderen, bereits bekannten pflanzlichen Abwehr-Genen gegen Viren, Bakterien oder Fadenwürmer. Das R1-Gen bildet ein Protein von etwa 1.300 Aminosäuren, das in Pflanzenzellen eine so genannte hypersensitive Reaktion auslöst.

Das Protein hat die Funktion eines Alarmsignals, falls eine Pilzspore versucht, in eine Pflanzenzelle einzudringen. Daraufhin werden Abwehrreaktionen in Gang gesetzt, die die Ausbreitung des Pilzes erschweren, wie beispielsweise die Verdickung von Zellwänden und die Bildung von Stoffen, die für den Pilz giftig sind.
...
Ein "Hot Spot" für die Krankheitsabwehr
Besonders bedeutsam ist, dass das R1-Gen in einem so genannten "Hot Spot" für Krankheitsabwehr liegt. Damit ist ein Abschnitt im Erbgut der Pflanze gemeint, in dem eine Häufung von Genen auftritt, die an der Abwehr von verschiedenen Krankheiten und Fraßschädlingen beteiligt sind.

Neben Genen für Resistenz gegen die Kraut- und Knollenfäule finden sich hier beispielsweise auch Gene zur Abwehr des Fadenwurms Globodera und des Kartoffelvirus X. Aufgrund der Häufung nimmt man an, dass diese Abwehr-Gene Mitglieder eines "Familienclans" sind, also miteinander verwandt.
Quantitative Abwehr-Eigenschaften
Einige dieser Gene - wie das R1-Gen - vermitteln eine "Alles oder Nichts" Abwehrreaktion, andere eine quantitativ abgestufte Reaktion, die man als ein "Mehr oder Weniger" bezeichnen könnte.

Sie sind in ihrer Wirkung vergleichbar einem leichten Dauerregen, der die Erde eben auch nachhaltiger durchtränkt als ein Wolkenbruch. Solche quantitativen Abwehr-Eigenschaften sind für Pflanzenzüchter von ganz besonderem Interesse, da sie sich davon eine höhere Stabilität der Resistenz versprechen.
R1-Gen als Prototyp ...
Welche und wie viele Gene an der quantitativen Resistenz gegen Kraut- und Knollenfäule beteiligt sind, weiß man bisher nicht. Da die meisten Abwehr-Gene strukturell ähnlich sind, haben die Kölner Forscher nun jedoch eine Art Prototyp in der Hand, mit dem sie weitere Gene aufspüren können.

Auf diese Weise soll es in Zukunft möglich sein, die in der Pflanzenzüchtung so begehrte Abwehr-Eigenschaft der Kartoffel zu verstehen und damit besser für die Entwicklung neuer Sorten zu nutzen.
->   Max-Planck-Institut für Züchtungsforschung
...
Mehr zu diesem Thema in science.ORF.at:
->   Pflanzlicher Gen-Schalter zur Schädlingsbekämpfung
...
 
 
 
ORF ON Science :  News :  Leben .  Umwelt und Klima 
 

 
 Übersicht: Alle ORF-Angebote auf einen Blick
01.01.2010