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Ist die grüne Gentechnik wirklich grün?
Gastkommentar von Josef Schmidt, ARC Seibersdorf research, Biotechnologie
 
  Der Mensch hat seit Urzeiten die seiner Ernährung dienenden Pflanzen - anfangs Wildpflanzen - in seinem Sinne verändert und so zu Kulturpflanzen gemacht. Diese haben oft nur mehr sehr wenig mit den ursprünglichen Formen zu tun. Von der wiederholten Selektion beim Anbau nicht verzehrter Samen bis zur modernen Pflanzenzüchtung sind wir auf nützliche genetische Variationen angewiesen, sei es durch gezieltes Einkreuzen von Wildformen, entfernten Verwandten, aber auch von Zufallsmutationen.  
Dabei traten immer wieder auch unerwünschte Eigenschaften zu Tage, die zumeist ausgemerzt bzw. verworfen werden konnten. Klarerweise werden aber in dieser traditionellen Züchtung viele versteckte Eigenschaften mitgeschleppt, die in ihrer substanziellen Auswirkung auf die Nahrungsqualität praktisch nie wissenschaftlich analysiert wurden.
Produktionsweise wichtiger als Gene
Erst die grüne Gentechnik hat uns veranlasst, solche Risiken näher zu analysieren. Nicht das Maiglöckchen-Gen in Pusztai¿s Kartoffel war das Problem, sondern die in gewöhnlichen Glashauskartoffeln massiv vom normalen Feldprodukt abweichende Eiweißverteilung war auffällig.

Die Produktionsweise bestimmt also in ungleich höherem Maß die Produktqualität als ein Gen mehr oder weniger. Die Biobauern wissen das wohl und werben auch ohne analytischem Nachweis damit für ihre Produkte. Die grüne Gentechnik ist mindestens so grün, da sie noch dazu das analytische Qualitätszertifikat erbringen muss.
Pflanzeneigene Resistenzen statt Chemie
Nicht die für Konsumenten wenig attraktiven herbizidresistenten Sorten, sondern moderne Folgeprodukte machen das "Grüne" an der Gentechnik aus: Wenn Pflanzengenetiker vom Pflügen sprechen, meinen sie das Durchsuchen der natürlichen Vielfalt nach Abwehrgenen gegen Stress, Krankheiten und Schädlinge; aber auch nach Genen, welche die Nahrung bekömmlicher und gesünder machen.

Mit modernen genanalytischen Verfahren aus der Medizin (Biochip-Technologie) können ohne Gentransfer ideale Nutzpflanzenformen auch für den Biolandbau selektiert werden. Pflanzeneigene Resistenzen ersetzen Chemie in der Produktionssicherung. Was kann grüner sein?
Gesundheitsrisiken liegen woanders
Macht es Sinn, gentechnisch produzierte Medikamente zu akzeptieren, aber traditionell produzierte krankmachende Nahrungsmittel nicht durch Besseres zu ersetzen? Die Tatsache einer gentechnischen Veränderung allein kann auch von der Behörde nach durchlaufenem Zulassungsverfahren nicht als Gesundheitsrisiko eingestuft werden; ein solches besteht derzeit eher bei anderen Nahrungsmitteln mangels regelmäßiger Überprüfung des Eiweiß- und Metabolitenprofils aller zur Ernährung dienenden Pflanzen und Tiere.
Konsumenten wollen gesunde Produkte
Ein Problem bleibt die Freiheit der Biobauern, die aufgrund einer nicht sinnvollen, weil vereinfachenden Verordnung als Produzenten Gentechnikfreiheit garantieren müssen, gegenüber der Freiheit aller anderen Produzenten, das nicht garantieren zu müssen.

Und diese Produzenten werden früher oder später die vielen möglichen Vorteile gentechnisch veränderter Nahrungspflanzen nutzen wollen und viele Konsumenten werden solche qualitätsgeprüfte Nahrungsmittel kaufen: Gesunde Produkte aus gesunden, weil krankheitsresistenten Pflanzen, auch so genannte "nutraceuticals" bzw. "cosmeceuticals" (Nahrungsmittel bzw. Kosmetika als Träger physiologisch bedeutsamer Substanzen).
Vielfältige Anwendungen
Während viele in Europa meinen, bisher vielleicht noch unbeachtete ökologische oder sogar gesundheitliche Anwendungsbarrieren sicherheitstechnisch re-evaluieren zu müssen, und sozioökonomische bzw. Produktionsmängel der frühen grünen Gentechnik kritisieren, nehmen die Versuche zur gezielten Produktion von veränderten Inhaltsstoffen weltweit einen immer höheren Stellenwert ein.

Dabei reichen die Anwendungen von diätverbessernden Maßnahmen, wie gezielt ungesättigte Fettsäuren, Erhöhung des Faser- oder Vitamingehaltes etc. bis hin zu rein medizinischen wie Impfstoffen aber auch zu Industrierohstoffen (Stärke- und Ölkomponenten).
Trennung in rote und grüne Gentechnik sinnlos
Letzten Endes macht es also wenig Sinn, die Gentechnik in rot oder grün auseinander dividieren zu wollen. Die neuen Forschungsprogramme bauen nicht mehr auf der landwirtschaftlichen Produktion auf, sondern stellen klar die maßgeblich durch die Ernährung bestimmte Gesundheit ins Blickfeld. Die Pflanzenzüchtung wird sich zum Wohl der Konsumenten unter Einschluss von Methoden des Biolandbaus aber auch mit grüner Gentechnik danach richten müssen.
->   Josef Schmidt, ARC Seibersdorf research, Biotechnologie
 
 
 
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01.01.2010