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Wissenschafts-Institute im Dienst der NS-Ideologie  
  Kultur und Wissenschaften standen im "Dritten Reich" im Dienst der NS-Ideologie: Wie eine aktuelle Studie beweist, waren die Deutschen Wissenschaftlichen Institute (DWI) in zahlreichen Ländern die geisteswissenschaftliche Vorhut des Nationalsozialismus.  
Nach dem Beginn des Weltkrieges durch die Truppen des Deutschen Reiches 1939 wurden in vielen europäischen Hauptstädten - in besetzten, befreundeten oder neutralen Ländern - die Deutschen Wissenschaftlichen Institute (DWI) gegründet.

Der Professor für Romanische Philologie in Freiburg, Frank-Rutger Hausmann hat sie in einer umfassenden Studie beschrieben.
"Kriegseinsatz der Geisteswissenschaften"
Im Ausland teils mit einigen Freiheiten ausgestattet, dienten die mit erheblichem finanziellen Aufwand betriebenen Einrichtungen letztlich einem Ziel: Der Stärkung des "Deutschlandbildes" und dem "Kriegseinsatz der Geisteswissenschaften".

"Auch die DWI verfolgten unter dem Deckmantel der Wissenschaft konkrete Absichten und hatten präzise Aufgaben. Sie dienten der Exploration der Nachbarländer, um deren Gleichschaltung vorzubereiten", schreibt der Verfasser.

In seiner wissenschaftlichen, auf ein Fachpublikum ausgerichteten Untersuchung ""Auch im Krieg schweigen die Musen nicht" - Die Deutschen Wissenschaftlichen Institute im Zweiten Weltkrieg" analysiert der Romanist detailliert den Aufbau, die Struktur und die Ziele der 16 Institute.
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Frank-Rutger Hausmann: "Auch im Krieg schweigen die Musen nicht - Die Deutschen Wissenschaftlichen Institute im Zweiten Weltkrieg" Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen, 400 S., 42 Euro (ISBN 3-525-35357-X)
->   Vandenhoeck & Ruprecht
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Verzicht auf drastische NS-Propaganda ...
Mit dem Kriegsausbruch reifte die Erkenntnis, Intellektuelle und Meinungsführer in anderen Ländern an Deutschland zu binden. "Allerdings war der Verzicht auf NS-Propaganda unabdingbar, sollte die kulturpolitische Arbeit nicht von vorneherein zum Scheitern verurteilt sein" - so Hausmann.
... ohne Juden, Sozialisten oder Liberale
Dennoch galten die strikten Richtlinien der NS-Politik: Gelehrte und Künstler jüdischer Herkunft, Liberale oder Sozialisten durften nicht erwähnt oder bei dem umfangreichen Wissenschaftsaustausch eingeladen werden.
300.000 Bücher, 20.000 Schallplatten
Die nach und nach gegründeten DWI hatten mindestens drei Abteilungen, eine für Wissenschaft und Organisation, eine für akademischen Austausch und eine für Sprachenfragen. Die Institute veranstalteten Vorträge und Konzerte oder boten Sprachkurse an, die Tausende Menschen nutzten.

Alle DWI-Einrichtungen, die es in Bukarest, Paris, Sofia, Budapest, Belgrad, Kopenhagen, Madrid, Athen, Brüssel, Helsinki, Stockholm, Zagreb, Bratislava, Lissabon, Venedig und Tirana gab, besaßen zusammen rund 300.000 Bücher, 20.000 Schallplatten und ebenso viele Fotos.
Involviert, aber mit Freiheiten
Das Präsidentenamt war gut dotiert und bot gute Arbeitsbedingungen für eigene Forschungen. Über ihr Involviertsein in das System konnte bei den Institutsleitern kaum Zweifel bestehen, allerdings zeigt Hausmann auf, dass es einigen durchaus gelang, sich Freiheiten herauszunehmen oder die Maßnahmen des Regimes zu konterkarieren.
Endphase verschärfte ideologische Ausrichtung
Bei der Besetzung der Institute, von denen viele Mitarbeiter später wieder in Deutschland aktiv waren, wurde Rücksicht auf die Interessen der Gastländer genommen. "Parteimitglieder der ersten Stunde oder der SS nahe stehende Führungskader wurden nur dort eingesetzt, wo mit Widerstand gegen deutsche Belange zu rechnen war oder der deutsche Standpunkt ohne große Rücksichtnahme durchgesetzt werden sollte."

In der Endphase des "Dritten Reiches" mit zunehmenden militärischen Niederlagen gerieten die Institute mehr und mehr unter den Einfluss der SS. Die ideologische Ausrichtung wurde damit verschärft.
->   Mehr zum Thema Nationalsozialismus in science.ORF.at
 
 
 
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01.01.2010