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Wie die innere Uhr mit dem Körper spricht  
  Die Aktivität vieler Körperfunktionen unterliegt einem täglichen Rhythmus, der durch eine innere biologische Uhr gesteuert wird. Amerikanische Forscher fanden nun ein Protein, das für die Informationsübertragung zwischen der inneren Uhr und den Zielorten im Körper prädestiniert erscheint. Damit wird erstmals durchschaubar, wie das Gehirn die Organe zu einer zeitlich abgestimmten Aktivität zwingt.  
Eine Arbeitsgruppe um Michelle Y. Cheng von der University of California, Irvine, hat herausgefunden, dass das Protein Prokineticin 2 die Zeitinformationen vom Gehirn in den Körper überträgt. Auf diese Weise werden verschiedene physiologische Prozesse, wie zum Beispiel die Aktivitäts- und Ruhephasen, einem tagesperiodischen Muster untergeordnet. Diese Erkenntnis eröffnet möglicherweise neue Interventionsmöglichkeiten bei Schlaf- und sonstigen tagesrhythmischen Störungen.
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"Prokineticin 2 transmits circadian rhythm"
Die Arbeit "Prokineticin 2 transmits the behavioural circadian rhythm of the suprachiasmatic nucleus" erschien in der aktuellen Ausgabe der Zeitschrift "Nature" (Nummer 417, Seiten 405-410).
->   Zum Originalartikel (kostenpflichtig)
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Innere Uhren als Anpassung
Lebewesen folgen den periodischen Schwankungen der Umwelt (Tag/Nacht-Wechsel, Gezeiten, Jahreszeiten etc.) nicht nur passiv, sondern haben im Lauf der Evolution so genannte endogene Rhythmen entwickelt, die von inneren Uhren vorgegeben werden. Bei Säugern ist die interne Körperuhr im Zwischenhirn lokalisiert. Diese wird durch den täglichen Wechsel von Licht und Dunkelheit mit der Außenwelt synchronisiert.
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Tagesperiodische Rhythmen
Tagsperiodische oder circadiane Rhythmen haben eine Periodenlänge von ungefähr 24 Stunden und modulieren die Verhaltensweisen (Aktivität und Inaktivität, Wachheit und Schlaf), sowie die meisten zentralnervösen und physiologischen Körperfunktionen. Die Rhythmik wird genetisch gesteuert und durch den Stoffwechsel umgesetzt.

Die Ganggenauigkeit der inneren Uhr muss aber durch äußere Signale (so genannte Zeitgeber) geregelt werden, wobei der Hell-Dunkel-Rhythmus der stärkste unter ihnen ist. Bei Wirbeltieren üben zwei im Zwischenhirn gelegene Zentren die Funktion des obersten Schrittmachers aus: Die Zirbeldrüse und der so genannte suprachiasmatische Nukleus (SCN).
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SCN - Zentrum der inneren Uhr
Schon seit längerem war bekannt, dass eine kleine Region im Zwischenhirn, der sogenannte suprachiasmatische Nukleus (SCN), als Dreh- und Angelpunkt der endogenen Rhythmen fungiert. Seine Funktionsweise wurde in den letzten Jahren bis hin zu den molekulargenetischen Details erforscht.

Unbeantwortet war bis dato die Frage, wie es zu der zeitlichen Abstimmung zwischen Gehirn und den übrigen Körperteilen kommt. Aufgrund von Transplantations-Studien vermutete man zwar, dass diese Informationsübertragung durch ausgeschüttete Moleküle erfolgen sollte - doch deren biochemische Identität blieb bislang im Dunkeln.
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Molekulare Mechanismen des SCN
Die an der inneren Uhr des SCN beteiligten Gene sind die der Proteine Period, Cryptochrome, Clock und Bmal. Die Gene von Period und Cryptochrome zeigen eine oszillierende Aktivität. Sie werden durch die Proteine Clock und Bmal1 eingeschaltet und von ihren eigenen Genprodukten wieder inaktiviert. Im Fachjargon spricht man von einer so genannten ¿autoregulatorischen Rückkoppelungsschleife¿.
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Biochemischer Steckbrief für das Signalmolekül
Aufgrund des vorhandenen Vorwissens postulierte Michelle Y. Cheng mit ihren Mitarbeitern eine Art biochemischen Steckbrief, um das gesuchte Signalmolekül dingfest zu machen.

Die Produktion und Ausschüttung des gesuchten Moleküls sollte durch die Gene der inneren Uhr reguliert werden und mit dem Zeitgeber Licht synchronisiert sein. Weiters sollten im Bereich des SCN Rezeptoren ausgebildet sein, die mit dem Molekül interagieren, so die Vermutung der Wissenschaftler.
Kommissar Zufall
Der Lösung des Rätsels kamen die amerikanischen Forscher allerdings eher durch Zufall auf die Spur. Bei der Untersuchung des Proteins Prokineticin 2 (PK2), das bei Ratten und Mäusen die Muskulatur von Magen und Darm kontrahieren lässt, machten sie die Entdeckung, dass dessen Konzentration im Gehirn starken zeitlichen Schwankungen unterworfen war. Tagsüber fanden sich etwa 50 Mal mehr PK2-Moleküle im Gehirn als nachts.

Da das Protein zudem im SCN-Areal produziert wird, sprach einiges dafür, dass es sich hierbei um das gesuchte Signalmolekül handelte.
Molekül bedingt Tages-Verhalten
Um diese Hypothese zu erhärten, injizierten die Forscher das Protein in das Gehirn von nachtaktiven Ratten. Die Versuchstiere zeigten in der Folge eine geringe Aktivität in der Nacht, was darauf schließen lässt, dass PK2 die Wachheit unterdrückt. Die Forscher vermuten, dass PK2 im Menschen genau die gegenteilige Wirkung hat und daher die Aktivität und Wachheit des Menschen fördert.

Ob PK2 als einzige molekulare Schnittstelle zwischen Gehirn und den restlichen Organen fungiert, ist indes noch unklar. Weitere Forschungen sollen Aufschluss darüber geben, ob PK2 auch noch in anderen Organsystemen eine Rolle spielt.
->   University of California, Irvine
 
 
 
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01.01.2010