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Imperium Romanum - Vielvölkerstaat der Antike  
  Die Ausdehnung des römischen Reiches umfasste die verschiedensten Nationen vom westlichen Mittelmeerraum bis zum Orient. Nach blutigen Eroberungskämpfen wurden die neuen Territorien und ihre Völker "romanisiert", d.h. in den römischen Verwaltungsapparat eingegliedert. Durch Städtegründungen und rege Bautätigkeit drückten die Römer den eroberten Gebieten rasch den Stempel der neuen Herrschaft auf.  
Die Rolle fremder Völker im römischen Reich ist Gegenstand eines Forschungsprojektes im Rahmen des Hertha-Firnberg - Programmes, das Alice Landskron in einem Gastbeitrag für science.ORF.at vorstellt.
Das Goldene Zeitalter des Kaisers Augustus - erste Integrationsbestrebungen
Bild: E. Simon, Augustus (1986), Taf. 1.
Statue des Kaisers Augustus.
Von Alice Landskron

Im Jahr 20 vor Christus konnte Augustus mit viel diplomatischem Geschick die Bedrohung durch das Reich der Parther aus dem Orient abwenden und legte damit den Grundstein für eine völlig neue, seiner Friedenspolitik entsprechenden, Auffassung der Völker des römischen Reiches.

Die Ostgrenze des römischen Reiches zum Orient und zum Partherreich wurde mit dem Fluss Euphrat festgelegt und somit die Bestrebung, das Imperium weiter in den Orient auszudehnen, aufgegeben. Bereits eroberte Gebiete und bestehende Provinzen wurden umso mehr als integrativer Bestandteil des römischen Reiches propagiert.
Statue des Kaisers Augustus
 
Bild: H. Kähler, Die Augustusstatue von Primaporta, 1959, Abb. 11

Auf dem Panzer ist der parthische König mit der Standarte zu sehen, links und rechts außen die sitzenden Personifikationen "Hispania" und "Gallia". Nach 20 v. Chr.
Die Völker als Personifikationen in der Bildpropaganda der römischen Kaiser
Bild: P.L. Strack, Untersuchungen zur römischen Reichsprägung des 2. Jhs., Band III (1937) Taf. 9,791
Personifikation des parthischen Volkes (¿Parthia¿). Münze des Antoninus Pius (Revers), 139 n.Chr.
Bilder aller Völkerschaften, die dem Imperium Romanum angehörten, ließ Augustus in einer Säulenhalle aufstellen, die man aufgrund dieser Bilder "Porticus ad nationes" nannte. Bei der pompa funebris (Leichenzug) des Augustus wurden sogar Bilder aller Völker, die der Kaiser unterworfen hat, mitgeführt.

Wie haben die Römer diese Völker bildlich dargestellt? In Verbindung mit militärischen Aktionen werden die eroberten "Barbaren" als Gefangene und Unterworfene in demütiger oder trauernder Haltung gezeigt. Darüberhinaus kannte man die Form der Personifizierung auch für die Darstellung von Ethnien.

Wann bediente man sich der Ikonographie personifizierter Ethnien? Sobald die Völker des Imperium Romanum in friedlichem Kontext als Propagandamittel für die Staatskunst eingesetzt werden, stellt man eine Frauenfigur in Landestracht und mit landesspezifischen Waffen oder Elementen aus Flora und Fauna dar.

Warum wird ein Volk durch eine Frauenfigur personifiziert? Darüber gibt es in erster Linie Vermutungen: Zum einen ist die Personifikation weiblich, zum anderen wird eine weibliche Figur auch mit dem Frieden in Verbindung gebracht und hat als Fruchtbarkeitssymbol gleichsam lange Tradition.
Personifikationen aller Völkerschaften
 
Bilder: A. Landskron/A.Landskron/M. Sapelli, Provinciae fideles (1999) S. 77

Personifikation verschiedener Völker vom Hadrianstempel in Rom, Mitte 2. Jh.n.Chr. Links: Ein nord-östliches Volk ("Moesia"?); Mitte: Ein orientalisches Volk ("Phrygia"?); Rechts: Afrika - mit den Elefantenenexuvien.
Neros Alptraum - Der Kaiser bedrängt von den unterworfenen Völkern
Der antike Schriftsteller Sueton schildert in seinen Kaiserviten den Alptraum des Kaisers Nero, der ihn nach der Ermordung seiner Mutter Agrippina verfolgte:

"Niemals hatten ihn vorher Träume heimgesucht; erst nachdem er seine Mutter ermordet hatte...In einem anderen Traum umzingelten ihn die Statuen der unterworfenen Völker, die man beim Theater des Pompeius aufgestellt hatte, und ließen ihn keinen Schritt weiter gehen." (Sueton, Nero 46,1).

Für uns ist bei dieser Nachricht vor allem der Beweis für die Existenz von Standbildern der Völkerschaften im republikanischen Rom des ersten Jahrhunderts vor Christus von Interesse.
Kaiser Hadrian und die "Glücklichen Provinzen" - Die Völker als Stützen des Imperium Romanum
Der als Graeculus, als kleiner Grieche, bezeichnete Kaiser Hadrian, leitete eine Periode des Friedens ein und maß den Provinzen des römischen Reiches und deren Bevölkerung hohe Beachtung bei. Während seiner Regierung unternahm er zwei große Reisen durch das gesamte Imperium. Die Provinzen selbst erfuhren durch die Besuche ihres Kaisers großen Aufschwung und rege Bautätigkeit.

Er schenkte der Provinzbevölkerung durch die Prägung von Reiseerinnerungsmünzen besondere Aufmerksamkeit und betrachtete sie als wichtigen Faktor für die politische Stabilisierung und Grenzsicherung und somit auch für den Erhalt des Friedens.

Sein Nachfolger Antoninus Pius setzte die Regierung in seinem Sinne fort und errichtete seinem Adoptivvater Hadrian posthum in der Hauptstadt Rom einen Tempel. Dort ließ er Reliefs mit Frauenfiguren, Personifikationen der Völkerschaften, anbringen, die in ruhiger Haltung nicht als Unterworfene, sondern als Stützen des Reiches integriert sind.
Die bildliche Umsetzung der Völker - Trachtmerkmale als Identifizierungskriterium
Die römische Kunst war seit jeher bestrebt, Römer von Nicht - Römern ikonographisch zu unterscheiden. Ausgehend von der Darstellung der BarbarInnen mit ungeordnetem und zerrauftem, langem Haar oder langem ungepflegtem Bart, werden diese auch durch volksspezifische Trachtmerkmale oder Waffen sowie durch Spezifika aus Flora und Fauna kenntlich gemacht.

Völker aus dem Orient tragen meist lange Hosen - ein typisch barbarisches oder unrömisches Bekleidungsstück - und langärmelige Jacken, Schuhe und manchmal auch eine Kopfbedeckung, wie beispielsweise eine phrygische Mütze.

Völker aus dem Westen und Norden sind häufig mit langen Gewändern und einem Mantelumhang bekleidet und bloßfüßig. Eine Personifikation Afrikas trägt wiederum die Elefantenexuvien auf dem Kopf.
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Alice Landskron - Curriculum Vitae
Studium der Klassischen Archäologie und Alten Geschichte an der
Universität Wien. Mehrere Studien- und Forschungsaufenthalte am Deutschen Archäologischen Institut in Berlin, Rom und Istanbul.
Grabungs- und Forschungstätigkeit in Carnuntum, Limyra/Türkei
und Ephesos/Türkei.

Mitorganisation- und betreuung der Ausstellung auf Schloß
Schallaburg 1990 "Götter, Heroen und Herrscher in Lykien" (und
der Wanderaustellung nach Linz und Klagenfurt). Leitung der Fachbibliothek für Klassische Archäologie, 1991-1993.
Moderation des Archäologie-Magazins des ORF "Schatzkammer
Erde", 1993-1995.

Projekt "Das Partherdenkmal von Ephesos" (Publikationsprojekt
der Antikensammlung des Kunsthistorischen Museums, Wien),
1996-1999. Hertha Firnberg - Projekt des FWF im Auftrag des BM:BWK am Institut für Klassische Archäologie der Universität Wien, "Ethnische Personifikationen in der Bildpropaganda der römischen Kaiserzeit",seit 2000.
->   FWF
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->   Institut für klassische Archäologie, Uni Wien
 
 
 
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01.01.2010