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EU-Forschungsprogramm endgültig beschlossen  
  Insgesamt 17,5 Milliarden Euro werden über das EU-Budget zwischen 2002 und 2006 zur Förderung von Forschung in Europa ausgegeben. Das ist im 6. Rahmenprogramm für Forschung und technologische Entwicklung geregelt, das am Montag beim EU-Sozialministerrat in Luxemburg endgültig beschlossen wurde.  
Österreich hat als einziges Land wegen seiner Vorbehalte gegenüber der Förderung der Stammzellenforschung dagegen gestimmt, Deutschland sich aus den selben Gründen der Stimme enthalten.
Gehrer: "Nein ist keine Absage an EU-Forschung"
Österreich unterstütze weite Teile des Rahmenprogramms für Forschung, habe aber "auf Grund der ungeklärten Frage der Ausgestaltung der ethischen Grundprinzipien und der von der österreichischen Bioethik-Kommission geltend gemachten Erwägungen" dem Programm in der vorliegenden Form nicht zugestimmt.

So begründete Bildungsministerin Elisabeth Gehrer (ÖVP) am Montag das Nein Österreichs. "Die heutige Absage ist keinesfalls als Absage an die Forschungsförderung der EU zu verstehen", so Gehrer in einer Aussendung.
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Begründung der Ablehnung
Österreich hat mit seiner Ablehnung eine Erklärung abgegeben, in der offiziell das Nein begründet wird. Darin wird vor allem darauf hingewiesen, dass die österreichische Bioethik-Kommission in ihrer Stellungnahme "Einschränkungen wie etwa die ethisch nicht vertretbare Förderung der Forschung an überzähligen menschlichen Embryonen im Frühstadium" geltend gemacht und sich für die verstärkte Förderung der Forschung an adulten Stammzellen ausgesprochen habe.

Zudem fordert Österreich in einer gemeinsamen Erklärung mit Deutschland, Irland und Italien, dass im 6. Rahmenprogramm bioethische Grundsätze für die Forschung auf den Gebieten reproduktives und therapeutisches Klonen, Eingriffe in die menschliche Keimbahn, und embryonale Stammzellenforschung aufgenommen werden.
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Bis zu 250 Millionen Euro für Stammzellforschung
Bis zu 250 Mill. Euro könnten bis 2006 für die Stammzellforschung aus dem EU-Topf kommen, vorausgesetzt es werden entsprechende Projekte eingereicht. Gefördert werden können allerdings nur Programme in jenen Mitgliedsländern, in denen die Stammzellenforschung grundsätzlich zugelassen ist.
Grenzüberschreitende Projekte möglich
In Österreich ist durch das Fortpflanzungsmedizingesetz jeder Eingriff an einer befruchteten Eizelle verboten, der nicht zur Herbeiführung einer Schwangerschaft erforderlich ist. Allerdings könnten sich heimische Forscher im Rahmen grenzüberschreitender Projekte an der einschlägigen Forschung in anderen Mitgliedsländern beteiligen.
->   Österreichisches Fortpflanzungsmedizingesetz
->   science.ORFat: Österreichs Beteiligung an EU-Forschungsprogrammen
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Ziel: Europa als weltweit attraktivster Forschungsraum
Das Budget des 6. Rahmenprogramms umfasst mit 17,5 Milliarden Euro rund 17 Prozent mehr Mittel als im noch laufenden 5. Forschungsprogramm. Damit soll sich Europa zum weltweit attraktivsten Forschungsraum entwickeln. Auf die Schaffung eines gemeinsamen Forschungsraums hatten sich die EU-Staats- und Regierungschefs im März vergangenen Jahres in Lissabon geeinigt - als Teil einer umfassenden Strategie, mit der die Union zur dynamischsten Wirtschaftsregion weltweit entwickelt und der bisherige Abstand zu den USA neutralisiert werden soll.
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Kein Freibrief für Stammzellenforschung
Einen Freibrief für Stammzellenforschung jeder Art gibt es aber nicht, wie die EU-Kommission betont. Nicht finanziert werden Forschungstätigkeiten zum Klonen von Menschen, zur Veränderung des Erbgutes (Eingriff in die Keimbahn) sowie zur Züchtung menschlicher Embryonen ausschließlich zu Forschungszwecken oder zur Gewinnung von Stammzellen.

Im Klartext heißt das, mit EU-Geldern kann zwar am embyronalen Stammzellen geforscht werden, aber nur an "überschüssigen" Embryonen, etwa nach einer künstlichen Befruchtung. Denn was die Stammzellforschung so umstritten macht, ist die Tatsache, dass bei ihrer Gewinnung die Embryonen absterben.
->   Mehr zum Thema Stammzellen in science.ORF.at
Beachtung ethischer Grundprinzipien
Der Artikel 3 des Rahmenprogramms hält dezidiert fest: "Bei allen Forschungsmaßnahmen innerhalb des Sechsten Rahmenprogramms müssen ethische Grundprinzipien beachtet werden".

Was ethisch korrekt ist, bleibt aber in Europa umstritten, wie auch die Debatte in der 19-köpfigen österreichischen Bioethik-Kommission gezeigt hat, die sich mit elf zu acht Stimmen für die Finanzierung der Forschung an embryonalen Stammzellen ausgesprochen hatte. Dennoch hat sich die österreichische Politik auf eine Ablehnung dieser Forschung festgelegt.
->   science.ORF.at: Ja der Bioethik-Kommission
Prüfung durch Ausschüsse
Alle unter dem EU-Programm eingereichten Projekte, die Embryonenforschung betreffen, werden von einem wissenschaftlichen Ausschuss auf die technische Durchführung und von einem Ethik-Ausschuss auf ethische Aspekt geprüft, betont man in der EU-Kommission, wo die Detailprogramme zu geprüft und genehmigt werden.

Im Text zum Rahmenprogramm heißt es nun: "Bei der Durchführung dieses Programms und bei den entsprechenden Forschungstätigkeiten sind die ethischen Grundprinzipien einschließlich des Tierschutzes zu beachten".
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Was sind die "ethischen Grundprinzipien"?
Diese umfassen demnach "unter anderem die Prinzipien, die sich aus der Charta der Grundrechte der Europäischen Union ergeben, den Schutz der Menschenwürde und des menschlichen Lebens, den Schutz personenbezogener Daten und der Privatsphäre sowie den Umweltschutz in Einklang mit dem Gemeinschaftsrecht und, soweit zutreffend, internationale Übereinkünfte".

Darunter das am 12. Jänner 1998 in Paris unterzeichnete Zusatzprotokoll über das Verbot des Klonens von Menschen und die Allgemeine Erklärung der UNESCO über das menschliche Genom und die Menschenrechte. Ebenso die einschlägigen Resolutionen der Weltgesundheitsorganisation (WHO), das Protokoll von Amsterdam über den Tierschutz sowie geltende Rechts- und Verwaltungsvorschriften und ethische Leitlinien der Länder, in denen die Forschungstätigkeiten durchgeführt werden.
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Schneller Beschluss in Luxemburg
Trotz der Diskussionen um die Stammzellforschung ist das Programm diesmal mit erstaunlich wenig Streit in kurzer Zeit unter Dach und Fach gebracht worden.

Da sich alle zuständigen Stellen vor dem Beschluss im Europäischen Parlament geeinigt hatten, musste das Rahmenprogramm als sogenannter "A-Punkt" nicht mehr von den Forschungsministern beschlossen werden, sondern konnte von jedem beliebigen EU-Rat abgesegnet werden - das war im konkreten Fall am Montag der Sozialministerrat.
Förderung "zukunftsweisender Bereiche"
Derzeit geben die EU-Staaten im Schnitt nur etwa 1,8 Prozent des Bruttoinlandsproduktes für Forschung aus, während es in den USA 2,8 Prozent und in Japan 3,1 Prozent sind.

Um der "wettbewerbsfähigste Wirtschaftsraum der Welt" zu, wie es sich die Union zum Ziel gesteckt hat, müssten die Forschungsausgaben auf drei Prozent des BIP ansteigen, wie es das EU-Parlament vor einem Jahr gefordert hat.

Vor diesem Hintergrund ist die 17-prozentige Steigerung des EU-Budgets für Forschungsförderung im Zeitraum 2002 bis 2006 im Vergleich zu 1998 bis 2002 zu sehen. Die Union hat sich daher auch auf einige Bereiche festgelegt, die zukunftsweisend sein sollen, darunter die Genomik und Biotechnologie "im Dienste der Gesundheit", wie im Rahmenprogramm gleich betont wird.
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Verteilung der Gelder auf sieben "Prioritäten"
Das Gros der Forschungsmittel (11,3 Mrd. Euro) verteilt sich auf sieben Themenbereiche, so genannte "Prioritäten": Biowissenschaften, Genomik und Biotechnologie im Dienste der Gesundheit (2,255 Mrd. Euro), Technologien für die Informationsgesellschaft 3,625 Mrd. Euro, "Nanotechnologien und -wissenschaften, wissensbasierte multifunktionale Werkstoffe sowie neue Produktionsverfahren und -anlagen" (1,30 Mrd. Euro), Luft- und Raumfahrt (1,075 Mrd. Euro), Lebensmittelqualität und -sicherheit (0,685 Mrd. Euro), Nachhaltige Entwicklung, globale Veränderungen und Ökosysteme (2,12 Mrd. Euro), Bürger und Staat in der Wissensgesellschaft (0,225 Mrd. Euro). Ein großer, mit knapp fünf Mrd. Euro gefüllter Topf ist für allgemein gehaltene Forschungsthemen vorgesehen und dient auch für schnelles Reagieren auf aktuelle Themen.
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Weitere übergreifende Ziele
Die "Postgenomikforschung wird zu zahlreichen Anwendungen in verschiedenen Gesundheitsbereichen, insbesondere zur Entwicklung neuer Diagnoseinstrumente und Behandlungsverfahren führen, mit denen bisher noch nicht beherrschbare Krankheiten bekämpft werden können und die ein großes Marktpotential aufweisen", so das Programm weiter.

Das Programm hat aber auch übergreifende Ziele, etwa Frauen in der Forschung verstärkt einzubinden, Klein- und Mittelbetriebe zum Zug kommen zu lassen oder die Kandidatenländer zu beteiligen.
->   The Commission's proposal for a Sixth Framework Programme
->   Forschungswebsite der Europäischen Union
->   Mehr zu den EU-Forschungsrahmenprogrammen in science.ORF.at
 
 
 
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01.01.2010