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Grenzüberschreitender Schutz für die Berge  
  Mehr als elf Millionen Menschen leben im großen Bogen der Alpen, acht Staaten haben Anteil an ihnen. Nach 13-jährigem Ringen ist es nun so weit - die Alpenkonvention wird geltendes Recht. Damit soll zum ersten Mal ein Natur-, Wirtschafts- und Kulturraum grenzüberschreitend geschützt werden.  
Gerade im Internationalen Jahr der Berge wird bewusst, welch einzigartiger Naturlandschaft beinahe zwei Drittel Österreichs angehören: dem Alpenraum, einem hochsensiblen Ökosystem, das Wasservorräte sichert, eine unvergleichliche biologische Vielfalt birgt und ein faszinierendes kulturelles Erbe aufweist.
Transitrouten und Touristen
Doch 26.000 Kilometer Transitrouten ädern die Naturlandschaft Alpen, durchschnittlich 100 Millionen Touristen suchen jährlich Erholung oder sportliche Herausforderung in ihren Tälern und auf ihren Gipfeln.

Die Balance zu finden zwischen den ökologischen, wirtschaftlichen und sozialen Bedürfnissen in der Alpenregion, über politische und kulturelle Barrieren hinweg, ist ein ambitioniertes Anliegen - und das Ziel der Alpenkonvention.
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Die Alpenkonvention im Überblick (I)
Die Alpenkonvention ist eine völkerrechtlich verbindliche internationale Übereinkunft zwischen den beteiligten Staaten und der Europäischen Gemeinschaft zur Gewährleistung des Schutzes und einer dauerhaften und umweltgerechten Entwicklung im Alpenraum.

Sie ist als Rahmenvertrag konzipiert, die konkrete Durchführung ist in Form von zwölf Protokollen (plus einem Streitbeilegungsprotokoll) festgelegt. Acht Protokolle wurden bereits von den Umweltministern der Alpenstaaten unterzeichnet und warten nun im Paket auf die Ratifizierung durch die Länder und die EU.
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Souveränität kontra verbindliche Verträge
Die Initiative zur Schaffung der Alpenkonvention ging von der Internationalen Alpenkommission CIPRA (CIPRA, Commission Internationale pour la Protection des Alpes), einer Nichtregierungsorganisation mit Hauptsitz in Liechtenstein, aus.

Der Grund: Zwar war seit dem 2. Weltkrieg das Bewusstsein gestiegen, dass die Alpen bei zunehmender touristischer und straßenbaulicher Ausbeutung eines besonderen Schutzes bedurften, doch die Staaten setzten keine entsprechenden Schritte - wohl aus Angst, ihre Souveränität zugunsten verbindlicher internationaler Verträge aufzugeben.
Schwierige Verhandlungen
Eben diese Angst gestaltete die Verhandlungen, die folgen sollten, so schwierig. Ende der Neunziger überlegte die CIPRA sogar, aus dem Prozess auszusteigen, weil bei der Lektüre der ausverhandelten Bestimmungen "einem ökologisch einigermaßen aufgeschlossenen Zeitgenossen die Galle hochkommen kann", wie es in einer Presseaussendung hieß.
Abschluss nach 13 Jahren
Tatsächlich scheint es nach 13-jährigen zähen Verhandlungen dieses Jahr endlich so weit zu sein - zumindest drei Länder werden die ersten acht Protokolle der Alpenkonvention ratifizieren; und dadurch wird das Regelwerk völkerrechtlich verbindlich.

Liechtenstein hat diesen Schritt bereits gesetzt, in Deutschland und Österreich soll es ebenfalls dieses Jahr so weit sein. Die österreichische Bundesregierung hat einen einstimmigen Beschluss dazu gefasst, im Juni wird das Paket im Umweltausschuss des Parlaments behandelt.

Die anderen fünf Vertragsparteien, neben Italien, Frankreich, der Schweiz, Slowenien und Monaco auch die Europäische Union, lassen sich damit Zeit - sehr zum Ärger der CIPRA und anderer beteiligter Organisationen.
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Die Alpenkonvention im Überblick (II)
1989 trafen die Umweltminister der Alpenstaaten zur ersten Alpenkonferenz zusammen und verabschiedeten eine Grundsatzresolution, auf deren Basis unter österreichischer Leitung eine Rahmenkonvention erstellt wurde. Sie wurde 1991 von Österreich, Frankreich, Deutschland, Italien, der Schweiz, Liechtenstein und der Europäischen Gemeinschaft unterzeichnet, Slowenien folgte 1993, Monaco trat der Konferenz zwei Jahre später aufgrund eines Zusatzprotokolls bei.

Seit dem Jahr 2000 ist die Rahmenkonvention, in der die Ziele und Spielregeln festgelegt sind, in allen acht Alpenstaaten und der EU geltendes Recht. Bis heute wurden acht der zwölf Durchführungsprotokollen erarbeitet und erfolgreich abgeschlossen.
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Italien: Widerstand wegen Verkehrsprotokoll
Von den anderen EU-Alpenstaaten kommt wenig Unterstützung für Österreichs Bemühungen, das Thema immer wieder auf die Tagesordnung zu bringen. In Italien werden unter der Berlusconi-Regierung sogar Stimmen laut, die einen Ausstieg aus dem Prozess fordern - vor allem wegen des Verkehrsprotokolls.

"Nicht zuletzt aufgrund der Sturheit Österreichs wurde hier nämlich die Belastungs- und Risikosenkung konkret verankert", erklärt Ewald Galle vom Umweltministerium. Das heißt: Es dürfen keine hochrangigen alpenquerenden Straßen mehr gebaut werden.
Alemagna-Autobahn: Fertigstellung geplant?
Die Regierung in Rom scheint jedoch die Fertigstellung der umstrittenen Alpentransversale, die derzeit von Venedig bis kurz nach Belluno führt, zu planen, obwohl es in den vergangenen Jahren Zusagen gab, dass es diese Alemagna-Autobahn nicht geben werde.
Streitbeilegung oder bilateraler Druck ...
An diesem Beispiel zeigen sich sowohl die Stärken als auch die Schwächen der Alpenkonvention. Einerseits wäre damit - vorausgesetzt, Italien ratifiziert das Verkehrsprotokoll - der Bau der Alemagna ausgeschlossen.

Andererseits sind die Mittel der Durchsetzung, wie bei jedem völkerrechtlichen Vertrag, äußerst beschränkt: "Würden die Italiener tatsächlich mit dem Bau beginnen, gäbe es eine Empfehlung seitens der anderen Vertragspartner, davon Abstand zu nehmen. Wenn Italien sich nicht daran halten sollte, wäre die Einleitung eines Streitbeilegungsverfahrens denkbar", erläutert Völkerrechtler Galle.

Das Problem dabei: Das alles dauert viel zu lange. "Vernünftiger wäre es in einem solchen Fall, bilateral Druck auszuüben und Allianzen aufzubauen, mit den anderen Ländern und vor allem mit der EU", gesteht Galle.
Österreich als treibende Kraft
Österreich war beim Alpenprozess stets eine treibende Kraft und hat sich in der EU immer wieder für seine Beschleunigung stark gemacht. Dieses Engagement wird von den anderen Ländern anerkannt und geschätzt.
Innsbruck als Sitz des Ständigen Sekretariats?
Österreichs Bemühungen könnte aber noch eine Krone aufgesetzt werden - nämlich dann, wenn Innsbrucks Bewerbung als Sitz des Ständigen Sekretariats der Alpenkonvention erfolgreich ist. Die Entscheidung darüber fällt im November bei der siebten Alpenkonferenz in Bozen.

Für den österreichischen Kandidaten spricht ein sehr großzügiges und attraktives Angebot: Innsbruck könnte als Universitätsstadt zur Drehscheibe der Alpenforschung avancieren, zudem soll ein Kompetenzzentrum für den Alpenschutz etabliert werden.

Aber vor allem sollte die Hauptstadt Tirols die Konkurrenz mit spektakulären Büroflächen ausstechen können. Erhält nämlich Innsbruck den Zuschlag, soll das Sekretariat in Räumen direkt unter dem Goldenen Dachl einziehen.

Kirsten Commenda, Universum Magazin
Den kompletten Artikel von Kirsten Commenda sowie mehr zur Alpenkovention, zu Alpenglühen und zum Internationalen Jahr der Berge lesen Sie in der aktuellen Ausgabe des Universum Magazins.
->   Universum Magazin
Mehr zur Alpenkonvention im Internet:
->   Internationaler Dachverband der Alpinorganisationen
->   Internationales Jahr der Berge
->   Umweltministerium
->   www.alpengluehen.at
 
 
 
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01.01.2010