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Lepra: Aussatz ausgerottet?  
  Die WHO, die Weltgesundheitsorganisation, hat sich zum Ziel gesetzt, die Lepra bis 2005 als Volkskrankheit auszurotten. Keine leichte Aufgabe. Den derzeit leiden noch rund 2,5 Millionen Menschen weltweit an Lepra. Epidemiologisch gilt die Lepra dann als eliminiert, wenn weniger als eine Person von 10.000 erkrankt ist.  
Das Aid to Leprocy Patients (ALP) Hospital in Rawalpindi ist die Anlaufstelle für Leprapatienten im Norden Pakistans. Die Ärztin Chris Schmotzer betreut die Station mit 40 Betten, von denen nicht alle Lepra haben.

"Dieser Mann kam viel zu spät", sagt die Ärztin bei ihrer Visite. "Er muss seit mindestens sechs Jahren Anzeichen von Lepra haben. Solche Patienten sind heute selten, aber es gibt sie noch. Er braucht jetzt eine wiederherstellende Operation für seine Gelenke ¿ weil er die bösen Wunden an den Händen und Füssen jahrelang missachtet hat."
Keine Strafe Gottes mehr
Die Klinik hat an drei Tagen in der Woche offen, an denen rund 60 Leprakranke behandelt werden, die zu Hause leben. "Der Unterschied zu früher ist", sagt Samuel Esnard, der seit 1973 hier Gesundheitshelfer ist, "dass die Leute heute mehr über Lepra wissen. Als ich anfing, wollten die anderen Patienten nicht auf denselben Wartebänken sitzen wie die Leprapatienten. Heute ist das anders. Wir informieren die Leute heute über Lepra. Früher dachten sie, das sei eine Strafe Gottes. Jetzt wissen sie, dass es eine Krankheit wie viele andere auch ist."

Heute sei es sogar vielfach so, dass sich die Leprapatienten nicht in den vollen Wartesaal setzen wollen, weil sie Angst haben, sich mit anderen Hautkrankheiten anzustecken, sagt Katrin Kusche von den Christusträger-Schwestern, die das Leprakrankenhaus führen.
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Lepra
Lepra ist eine nicht erbliche Krankheit, deren Erreger die Haut und die Nerven befält. Das Lepra Bakerium (Mycobacterium leprae) wurde 1872 vom Arzt Armauer Hansen aus Norwegen entdeckt. Es gibt zwei Formen der Lepra: eine ansteckende und eine nicht-ansteckende. Die ansteckenden Patienten bemerken die Krankheit oft lange nicht an sich selbst, Wenn die Krankheit ausbricht, führt sie zu Beulen und Knoten auf der Haut und es kommt zu Lähmungen. Die Verstümmelungen werden nicht durch die Krankheit hervorgerufen, sondern durch Verletzungen, die wegen der Gefühllosigkeit entsteht.
->   Lepra: Geschichte, Symptome, Diagnose und Behandlung
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Behandlung regelmäßig
Die Patienten müssen ihre Tabletten im Krankenhaus vor einer Schwester nehmen. ¿Das wichtigste ist, dass die Behandlung wirklich regelmäßig erfolgt. Man kann alles sehr gut diagnostizieren, aber das hilft nichts, wenn die Therapie nicht eingehalten wird. Das ist das Problem."
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Kostenlose Lepramedikamente
Die Firma Novartis stellt der WHO Medikamente im Wert von rund 30 Millionen US Dollar für die Behandlung aller Leprapatienten der Welt über den Zeitraum von sechs Jahren kostenlos zur Verfügung. Auch das ALP Hospital in Rawalpindi bekommt die MDT Medikamente (Mehrfach-Medikamenten-Therapie). De globale Allianzzur Elimination der Lepra, die 1999 auf Initiative der WHO gegründet wurde, setzt auf die Mehrfach Medikamenten Therapie.
->   Die globale Allianz zur Eliminierung der Lepra
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Früherkennung bei Frauen
Das Hauptproblem stellen heute die unerkannten Fälle in den ländlichen Gebieten dar. In Pakistan werden nach wie vor mehr Männer als Frauen diagnostiziert, vermutlich aber nur deshalb, weil sie besser untersucht werden.

Die Purdah - die Geschlechtertrennung - verbietet, dass die fast ausnahmslos männlichen Gesundheitshelfer die Frauen untersuchen und so eine Früherkennung möglich wird. Ruth Pfau, die im Süden Pakistans arbeitet, bindet deshalb die stammesältesten Frauen in ihr Lepraprogramm ein, damit diese die Lepra früh erkennen können.
Initiative Einzelner
Es ist nicht zuletzt der Initiative von einzelnen zu verdanken, dass die Lepra unter Kontrolle ist. Ruth Pfau ist eine jener Ärztinnen, die seit Jahrzehnten in ihrem Marie Adelaide Leprocy Center (MALC) in Karachi Leprakranken hilft. Die 80 Betten ihres Leprahospitals sind immer voll.
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Lepraarbeit in Pakistan
Ruth Pfau hat es sich zur Aufgabe gemacht, die Leprakranken nicht nur auszuheilen, sondern sie sozial zu rehabilitieren. Bis 2020 sollen alle Leprapatienten wieder in ihre Sozialgruppe integriert werden. In Pakistan wurde deshalb ein Nachsorge-Modell entwickelt. Die Patienten müssen frei von Schuldgefühlen sein und die Krankheit in allen ihren Stadien erkennen, bevor sie aus der Rehabilitation entlassen werden. Denn die Inkubationszeit beträgt bis zu 20 Jahre. Sie hat sich außerdem zum Ziel gesetzt, dass keine Patienten mehr unnötig erblinden sollen. Denn der Leprabazillus befällt auch die Hornhaut und führt durch Gesichtslähmungen oft zur Austrocknung der Augen. Die Ärztin und Ordensfrau hat zahlreiche Bücher über ihre Lepraarbeit in Pakistan geschrieben.
->   Ruth Pfau
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Zuerst Verlust des Tastsinns, dann des Augenlichts
Für den Leprapatienten ist die Augenkomplikation eines der größten Probleme", meint Karl Rigal vom Wiener Hanuschkrankenhaus, der schon mehrmals für die Christoffel Blindenmission in Pakistan unterwegs war.

"Man muss sich vorstellen, dass durch den Ausfall der Nervenfaser, die für den Tastsinn notwendig sind, die Patienten nur auf das Sehen angewiesen sind. Wenn es dann zur Erblindung kommt, dann haben sie weder Tast- noch Sehsinn: sie sind in sich selber isoliert," erklärt Rigal.
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Lepraherde der Welt
In den vergangenen 15 Jahren konnten rund 11 Millionen Leprapatienten geheilt werden, in 98 Ländern gilt Lepra als eliminiert. Pakistan ist auf der Liste der Länder, die als konsolidiert gelten. Am schlimmsten betroffen sind Indien, Indonesien, Brasilien und Myanmar. Derzeit finden sich 60 Prozent aller Fälle in Indien.
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Ansteckung unerforscht
Wie die Ansteckung durch das Lepra Bakerium (Mycobacterium leprae) erfolgt, ist derzeit noch nicht wissenschaftlich bewiesen. Deshalb wäre es wichtig, eine Lepraimpfung zu entwickeln.

Doch große Forschungsbudgets werden für eine verschwindende Krankheit nicht mehr veranschlagt. Die Züchtung des Erregers auf Kulturböden ist noch nicht gelungen. Es gibt auch Untersuchungen, inwieweit Lepra genetisch bedingt ist.
Die Suche nach dem Lepra-Gen
Das Lepra Gen wurde noch nicht gefunden, auch wenn man weiß, dass es eine gewisse Konstellation von Genen gibt, die das Erkrankungsrisiko erhöht, sagt Beatrix Volc-Platzer vom SMZ Ost in Wien.

Von 100 Menschen haben 95 eine angeborene Abwehrkraft gegen den Lepraerreger. "Wichtig wäre, das Genom des Leprabakteriums zu entschlüsseln, so wie das beim Tuberkulose-Bakterium gelungen ist. Dann kann man leicht eine Impfung entwickeln", sagt die Ärztin.
Gefahr durch HIV
Die große Gefahr, meint Volc-Platzer, dass Lepra durch die Hintertür wieder hereinkommt, ist dieselbe wie bei der Tuberkulose. Nämlich bei den Patienten, deren Immunsystem geschwächt ist, und das sind die HIV-Kranken.

In Afrika zum Beispiel müsste die Leprabekämpfung mit der HIV Bekämpfung Hand in Hand gehen. Denn wenn Aidskranke als Träger des Leprabakteriums dienen, könnte das Bakterium auf lange Sicht doch überleben.

Ein Lokalaugenschein in Pakistan von Ulrike Schmitzer für die Sendung Dimensionen.
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Mehr über den Kampf gegen Lepra in Pakistan erfahren Sie am 6.6.2002 in der Sendung Dimensionen um 19.05 in Ö1
->   Ö1
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01.01.2010