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Das gefilmte Immunsystem  
  Mit Hilfe einer neuen mikroskopischen Methode gelang es Wissenschaftlern erstmals lebende Immunzellen in intakten Lymphknoten zu filmen. Bisher war man bei Studien des Immunsystems auf Momentaufnahmen im toten Gewebe angewiesen, die über das Zusammenspiel der Abwehrzellen aber nur bedingt aussagefähig waren. Jetzt ist es möglich das Verhalten der Zellen in Raum und Zeit im lebenden Gewebe zu beobachten.  
"Das ist 'das Immunsystem': der Film," sagt Ronald Germain vom amerikanischen National Institute of Allergy and Infectious Diseases und Leiter einer von drei Studien, die sich mit der Visualisierung des Verhaltens von T-Zellen in Lymphknoten beschäftigt.
Untersuchungen im lebenden Gewebe
"Wir können jetzt einzelnen T-Zellen in intakten Geweben folgen und beobachten wie sie sich verhalten sowie mit anderen Zellen interagieren, während die Immunantwort aufgebaut wird", sagt Germain.

Die Ergebnisse der drei Studiengruppen wurden in der aktuellen Ausgabe des Fachjournals 'Science' veröffentlicht. Sie haben die Vorraussetzungen geschaffen für weitere Forschungen, die mit bisher üblichen Techniken nicht möglich waren.
Die beginnende Immunantwort
Das Team von Germain untersuchte wie T-Zellen in Lymphknoten mit Dendritischen Zellen interagieren. Im Gegensatz zur Meinung vieler Wissenschaftler fanden die Forscher heraus, dass T-Zellen zu Beginn der Immunantwort viel länger mit Dendritischen Zellen in Kontakt stehen, als man bisher vermutet hat.

Damit konnte ein Einblick in die Grundabläufe der beginnenden Immunantwort gewonnen und ein Grundstein für künftige Arbeiten über die Aktivierung von T-Zellen gelegt werden.
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Der Artikel "Dynamic Imaging of T Cell-Dendritic Cell Interactions in Lymph Nodes" ist erschienen im aktuellen "Science", Bd. 296, S. 1873-1876.
->   Der Artikel (kostenpflichtig)
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Bilder des Immunsystems
 
Bild:NIAID

Dendritische und T-Zellen im Lymphknoten einer Maus. Die roten Zellen sind Dendritische Zellen. Die grünen sind T-Zellen. Gelbe Zellen sind T-Zellen die von Dendritischen Zellen überlagert werden, sie erscheinen auf Grund der Kombination von roter und grüner Farbe gelb.
->   Video der interagierenden Zellen
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Die Zellen des Immunsystems
T-Zellen: Abwehrzellen, die entweder andere Abwehrzellen aktivieren (Helferzellen) oder bremsen (Suppressor-Zellen), Informationen über Antigene speichern (Gedächtniszellen) oder fremde Zellen und Viren zerstören (Killerzellen).

B-Zellen: Plasmazellen produzieren Antikörper; B-Lymphozyten sind Vorläufer der Plasmazellen; B-Gedächtniszellen speichern ähnlich wie die gleichnamigen T-Zellen Antigen-Information.

Dendritische Zellen: Abwehrzellen mit armartigen Zellausläufern, die Lymphozyten einfangen und ihnen so Immuninformationen (Antigen-Antikörper-Komplexe) präsentieren - wichtig in der Frühphase der Immunantwort.
->   Das körpereigene Abwehrsystem des Menschen
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Die Klärung vieler Fragen
Mit den bisherigen Verfahren der Video-Mikroskopie konnten nur kleine im Reagenzglas gezüchtete Proben untersucht werden. Die neuen Verfahren sind so konzipiert, dass sie durch dicke Proben 'hindurchschauen' und ihren 'Blick' auf lebende Zellen, die tief im Gewebe verborgen sind, fokussieren können.

Diese neue Technik wird laut Germain dazu beitragen, dass viele Fragen, die bisher nur vage beantwortet wurden, nun geklärt werden können. So etwa die Dauer des Kontakts, den die T-Zellen mit ihren Zielzellen halten, der Zeitpunkt der Teilung von T-Zellen oder der Aufenthaltsort der T-Zellen nachdem sie aktiviert wurden.
Die Reifung von T-Zellen
Eine andere Gruppe von Wissenschaftlern beobachtete noch nicht voll ausgereifte T-Zellen in der Tyhmus-Drüse. Dort interagieren die 'jungen' T-Zellen mit anderen Thymuszellen, wodurch die Reifung der T-Zellen unterstützt wird.

Ellen Robey und Kollegen von der University of California in Berkeley und der Stanford University stellten fest, dass sich die unreifen T-Zellen sehr viel in der Thymus-Drüse bewegen und dort teilweise länger, teilweise kürzer Kontakt mit anderen Zellen halten.
Dauer des Kontaktes wird vom 'Reife-Protein' bestimmt
Die Dauer des jeweiligen Kontaktes hängt laut den Wissenschaftlern von einem bestimmten Protein ab, das die Reifung der T-Zellen unterstützt. Tragen die Zellen der Thymus-Drüse dieses Protein an ihrer Oberfläche, dann verlängert sich der Kontakt.

Die Studie zeigt einerseits die Vielfalt an Möglichkeiten der Interaktion, die zur Reifung der T-Zellen beitragen, andererseits wirft sie auch viele neue Fragen auf. Wann und Warum finden die unterschiedlichen Kontakte statt?
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Der Artikel "Dynamics of Thymocyte-Stromal Cell Interactions Visualized by Two-Photon Microscopy" ist erschienen im aktuellen "Science", Bd.296, S.1876-80.
->   Der Artikel (kostenpflichtig)
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Abwehrzellen und Antigen
In der dritten Studie wurden T-Zellen und B-Zellen verglichen, die sich in einem Lymphknoten bewegen. Michael Cahalan und Ian Parker vom National Institute of General Medical Sciences untersuchten wie sich die Geschwindigkeit und Richtung der Zellen veränderte nachdem sie mit einem Antigen in Kontakt gekommen waren.

Sie fanden heraus, dass T-Zellen, die sich ohne Herausforderung eher zufällig im Lymphknoten bewegen, nach Kontakt mit einem als fremd und feindlich eingestuften Stoff, dem Antigen, ein koordiniertes Verhalten zeigen und Schwärme bilden.
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Der Artikel "Two-Photon Imaging of Lymphocyte Motility and Antigen Response in Intact Lymph Node" ist erschienen im aktuellen "Science", Bd.296, S. 1869-73.
->   Der Artikel (kostenpflichtig)
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Die Abbildung zeigt einen "Schwarm" T-Zellen (durch den Pfeil verdeutlicht), der einen Tag nach Verabreichung des Antigens beobachtet werden konnte.
Antworten und viele neue Entdeckungen
All das soll erst der Anfang sein. Zahlreiche sowohl wissenschaftlich als auch medizinisch wichtige Fragen könnten jetzt bald beantwortet werden.

Die Wissenschaftler erwarten sich aber auch eine große Zahl neuer Entdeckungen, die sich durch die Anwendung der neuen Technik ergeben werden.
->   National Institute of Allergy and Infectious Diseases - NIAID
->   National Institute of General Medical Sciences
 
 
 
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01.01.2010