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Neue Blitz-Studien: Strengere Verordnung für Österreich  
  Auch wenn sie auf Photos beeindruckend festgehalten werden - Blitze sind nur schwer zu fassen. Was sich zwischen Himmel und Erde genau während eines Einschlages abspielt, lag bis vor kurzem noch relativ im Dunkeln. Neue Studien zeigen jetzt, dass Blitze unter anderem "vom Winde verweht" werden. Am Freitag tritt in Österreich nun eine strengere Blitzschutzverordnung in Kraft, die diese neuesten Ergebnisse berücksichtigt.  
Schlägt ein Blitz ein bildet sich zuerst ein so genannter Blitzkanal. Dabei wird in einem Umkreis von ein bis zwei Metern die Luft ionisiert, das heißt elektrisch leitfähig gemacht. Durch diesen Kanal rast dann der Stromimpuls, der bis zu 200.000 Ampere betragen kann, zu Boden.
Blitze als Luftballons
Mit neuen Aufnahmen einer High-Speed Kamera konnten österreichische Forscher jetzt beweisen, dass dieser Blitzkanal vom Wind - ähnlich wie ein Luftballon - verweht wird.

Ein Blitz besteht aus mehreren Einzelentladungen, die man "Strokes" nennt. Zwischen diesen Entladungen kühlt der Blitzkanal ab und wird verweht. Da sich aber der Kanal in der kurzen Zeit nicht ganz schließt, bleibt er der leichteste, und damit wahrscheinlichste Weg, für den nächsten "Stroke".

Das könnte Folgen für den Blitzschutz haben, denn entgegen der bisherigen Annahme, dass ein Blitz immer in den höchsten Punkt einschlägt, könnte der Blitz über das Dach getragen werden und so seinen Einschlagspunkt während der Entladungen verändern.
Aufnahmen am ORF-Sender Gaisberg
Die Aufnahmen, die das "Luftballon-Phänomen" zeigen, wurden an der Spitze des ORF-Senders am Gaisberg in Salzburg aufgenommen. Hier schlagen besonders oft Blitze ein - also perfekte Voraussetzungen für eine Teststation.

Sie ist neben Stationen in Kanada, Japan und Brasilien eine von vier weltweit arbeitenden Mess-Stellen. Die Anlage hat eine Forschungsgemeinschaft, an der auch ALDIS (Austrian Lightning Detection and Information System) beteiligt ist, installiert.
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ALDIS: Wo, wann und wie viele Blitze
ALDIS vermisst genau wo, wann und wie viele Blitze in Österreich einschlagen, in Österreich gibt es dafür acht verschiedene Stationen. Sie berechnen den Einschlagspunkt jedes Blitzes. Die Stärke des Blitzes kann nur indirekt über die Veränderung der Feldstärke ermittelt werden. Mittlerweile gibt es auch international eine rege Zusammenarbeit, europaweit arbeiten 100 Stationen mit.
->   ALDIS
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Beginn mit Problemen
Bei der Ermittlung der Stärke der Blitze durch ALDIS kam es immer wieder zu Messungen, die die Forscher in Erstaunen versetzt haben - auch ein Grund für die Errichtung der Station.

Die Blitze, die mit dem Ortungssystem gemessen wurden waren zu schwach, Wissenschafter bezweifelten deswegen die Genauigkeit des Systems. Auch weil die Stärke eben nur indirekt gemessen werden kann.
Gaisberg-Sender beweist: Daten stimmen
Mit dem Sender Gaisberg als Referenzpunkt konnte jetzt gezeigt werden, dass die ALDIS-Daten stimmen. Sowohl Einschlagspunkt, als auch Zeitpunkt des Einschlages wurden auf Meter und Hundertstel Sekunde festgehalten und verglichen.

Die gemessenen Werte der Testanlage Gaisberg stimmen mit den ALDIS-Daten exakt überein. Die Aufnahmen zeigen auch, dass ein Blitz viel mehr Einzelentladungen als bisher angenommen hat. Auf Aufnahmen vom Gaisberg sind bis zu 40 Entladungen innerhalb einer halben Sekunde zu sehen.
Neue Verordnung ab Freitag in Kraft
Die neuen Erkenntnisse wurden jetzt in eine neue Vorschrift für den Bau von Blitzschutzanlagen mit einbezogen. Ab Freitag ersetzt diese Verordnung - im Rahmen der Elektrotechnik-Verordnung - die bisherige, 30 Jahre alte Regelung.

Damit gibt es jetzt vier verschiedene Klassen von Blitzschutzanlagen. Je nachdem, wo das Gebäude steht, wie es gebaut ist und welche Funktion es hat, muss dann unterschiedlich aufwendig geschützt werden.
Auch der Ort ist entscheidend
Einfluss auf die vorgeschrieben Blitzschutzklasse hat nun auch der Ort. Für jede Stelle in Österreich ist die Blitzdichte, also die Häufigkeit von Einschlägen bekannt. Sie kann jederzeit abgerufen werden.
->   Abfrage der örtlichen Blitzdichte bei ALDIS
Hochsensible Schutzanlagen für Krankehäuser
Reichen bei kleinen Wohnhäusern einfache Ableitungen wie bisher, sind für denkmalgeschützte oder "empfindliche" Bauten wie Krankenhäuser nun hochsensible Schutzanlagen vorgeschrieben, die fast schon wie ein so genannter Faradayscher Käfig arbeiten und ein Netz von Blitzableitern bilden.
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Der Faradaysche Käfig
Im Inneren eines Leiters, der sich in einem elektrischen Feld befindet, ist die Feldstärke wegen der freien Beweglichkeit der Ladungen Null. Alle Ladungen drängen sich an die Oberfläche des Leiters. In einem Hohlraum, der von einer Metallhaut umgeben ist (Faradayscher Käfig, nach Michael Faraday) ist also die Feldstärke Null, ganz gleich wie das Feld im Außenraum auch aussehen mag. Das gilt selbst dann noch, wenn die Metallhaut nicht allzu große Löcher aufweist.
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Schutz durch Laser-Technologie?
Für besonders gefährdete Gebäude, wie Atomkraftwerke oder Anlagen mit hochsensiblen elektronischen Geräten, die durch Blitzeinschlag beschädigt werden könnten, gehen die Forscher aber noch weiter. Diese Gebäude könnten in Zukunft mit Laser-Technologie geschützt werden.
Laser soll Blitze "ansaugen"
An der Friedrich-Schiller-Universität Jena wird der Ultrakurzpuls-Laser bereits getestet. Sein drei Billionen Watt starker Strahl kann die Eigenschaften der Luft verändern. Sie wird elektrisch leitfähig - wie ein Draht.

Dabei wird bei Gewittergefahr der Laser-Strahl in die Luft gerichtet. Er soll einen künstlichen Blitzkanal für den Blitz durch die Luft schneiden, und so die gefährliche Entladung "ansaugen" und gezielt ableiten.
Bisher nur für kurze Strecken einsetzbar
Bis das System aber einsetzbar ist, dürften noch einige Jahre vergehen. Denn entgegen üblicher Anwendungen muss die Energie des Lasers nicht nur am Zielpunkt gebündelt werden, sondern über die gesamte Strecke abgegeben werden, um den Kanal zu stabilisieren - eine aufwendige und bisher erst für kurze Strecken gelöste Aufgabe.

Niki Popper, Modern Times
Mehr zu diesem Thema am Freitag Abend (14. Juni) in Modern Times, 22.35 Uhr, ORF 2
->   Modern Times
->   "Blitzschutz Online"
->   Blitzschutzlaser der TU Jena
Mehr zum Thema Blitze in science.ORF.at:
->   In Ruanda blitzt es weltweit am häufigsten
->   NASA erstellt erste "Weltkarte der Blitze"
 
 
 
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01.01.2010