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Sexualkunde-Kampagnen: Was bringen sie wirklich?  
  Gleich zwei verschiedene Studien aus dem aktuellen "British Medical Journal" haben untersucht, welche Auswirkungen Sexualkunde-Unterricht bzw. spezielle Aufklärungskampagnen auf die Zahl ungewollter Teenager-Schwangerschaften haben. Das Ergebnis: Weder weniger Schwangerschaften noch ein steigender Gebrauch von Verhütungsmitteln waren festzustellen.  
Eine der beiden Studien, durchgeführt von Forschern der McMaster University im Kanadischen Ontario, kam gar zu dem Ergebnis, dass Initiativen, die zur völligen sexuellen Enthaltsamkeit aufrufen, genau den gegenteiligen Effekt erzielen.
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"Limits of teacher delivered sex education"
Der Artikel "Limits of teacher delivered sex education: interim behavioural outcomes from randomised trial" ist erschienen im "British Medical Journal", Bd. 324, Seiten 1426 bis 1430 (15. Juni 2002).
->   Der Volltext des Artikels
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Meta-Studie überprüft 26 Programme
Die Wissenschaftler analysierten insgesamt 26 Studien, die in verschiedenen westeuropäischen Staaten und in den USA die Auswirkungen von Sexualkunde-Unterricht, "Abstinenz-Programmen" und anderen Aufklärungskampagnen bei Teenagern im Alter von elf bis 18 Jahren untersucht hatten.

Die Präventionsstrategien führten weder zu weniger sexuellem Kontakt zwischen den Jugendlichen, noch konnte eine Verbesserung beim Gebrauch von Verhütungsmitteln festgestellt werden, so das Ergebnis der Forscher. Die Zahl der Schwangerschaften bei Minderjährigen hatte sich ebenso wenig verringert.
Mehr Schwangerschaften bei "Abstinenz-Programmen"
In einer separaten Analyse von fünf weiteren Programmen - vier "Abstinenz-Programme" sowie ein schulisches Sexualkunde-Projekt - konnte gar nachgewiesen werden, dass die Zahl der Schwangerschaften gestiegen war.
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Größtes Problem in den USA
Am größten ist das Risiko einer ungewollten Schwangerschaft laut der kanadischen Studie in den Vereinigten Staaten: Hier betraf es 93 von 1.000 Frauen im Alter von 15 bis 19 Jahren. Danach folgten England und Wales mit 63 sowie Kanada mit 43 ungewollten Schwangerschaften. Die Niederlande dagegen haben nach Angaben der Forscher eine der niedrigsten Raten an Teenager-Schwangerschaften weltweit (acht pro 1.000 Frauen).
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Zweite Studie: Ähnliche Ergebnisse
Die zweite Studie, durchgeführt von schottischen Forschern, kam zu ähnlichen Ergebnissen: Die Wissenschaftler verglichen konventionellen Sexualkunde-Unterricht an Schulen mit einem speziell entworfenen Programm namens SHARE.
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"Interventions to reduce unintended pregnancies"
In derselben Ausgabe des "British Medical Journal" wurde der Artikel "Interventions to reduce unintended pregnancies among adolescents: systematic review of randomised controlled trials" publiziert: Seiten 1430 - 1433.
->   Der Volltext des Artikels
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Positiver Effekt auf Qualität
Zwar konnten die Forscher tatsächlich einige positive Effekte des Programms feststellen - allerdings nicht bei den Risiken, die die Jugendlichen beim sexuellen Kontakt eingingen.

Die befragten Schüler gaben jedoch an, dass sich die Qualität ihrer sexuellen Beziehungen verbessert habe. Wie die Forscher berichten, beurteilten die Schüler SHARE insgesamt positiver als vergleichbare konventionelle Sexualkunde-Programme an den Schulen.

Auf den Gebrauch von Verhütungsmitteln wirkte sich SHARE dagegen nicht steigernd aus, ebenso wenig reduzierte (oder steigerte) es die sexuelle Aktivität der Jugendlichen.
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SHARE - Safe, Happy and Responsible
SHARE steht für "Sexual Health and Relationships - Safe, Happy and Responsible" und wurde zwischen 1993 und 1996 in Schottland durch Lehrer 13 bis 15 Jahre alten Jugendlichen vermittelt. Ziel von SHARE war die Reduzierung von "gefährlichem sexuellem Verhalten" sowie die Verringerung von Teenager-Schwangerschaften. Insgesamt 5.854 Schüler wurden nach der Teilnahme an diesem Programm befragt, um die Vergleichsdaten zu ermitteln.
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Österreich: Rückgang bei Schwangerschaften
In Österreich konnte in den vergangenen 15 Jahren ein Rückgang um 68 Prozent bei den Teenager-Schwangerschaften festgestellt werden.

Parallel dazu stieg die Tendenz der Empfängnisverhütung zwischen 1977 und 1997 um 45 Prozent - die Zahl der Schwangerschaftsabbrüche bei Teenagern blieb in den vergangenen zehn Jahren konstant.
Experte: Immer noch Aufklärungsbedarf
Trotzdem bestehe in puncto Aufklärung noch Handlungsbedarf, bestätigte Peter Wagenbichler, Ärztlicher Leiter der Wiener Ignaz-Semmelweis-Frauenklinik und Präsident der Österreichischen Gesellschaft für Familienplanung (ÖGF) im vergangenen Jahr.

Anlässlich eines Informationstages zur Sexualerziehung von Schülern berichtete der Experte von den Erfahrungen bei der ÖGF-Sexualbetreuungsstelle "First Love": "Jede dritte Anruferin hat Angst vor einer ungewollten Schwangerschaft, jede vierte hat nicht ausreichend verhütet."
->   "British Medical Journal"
->   Österreichische Gesellschaft für Familienplanung
 
 
 
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01.01.2010