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Täuschen statt Tarnen - Die Farbtricks der Stachelspinne  
  Im Tierreich werden leuchtende Farben oft als Warnsignal verwendet. Giftige und gefährliche Spezies nutzen ihre optische Auffälligkeit, um energiezehrenden Konfrontationen aus dem Weg zu gehen. Räuberische Arten gehen den umgekehrten Weg - sie benutzen Tarnkleider, um so spät als möglich von ihrer Beute entdeckt zu werden. Doch jede biologische Regel hat ihre Ausnahme: Australische Stachelspinnen locken ihre Beute mit Signalfarben an - und stellen damit die Logik des Beutefangs scheinbar auf den Kopf.  
Mark E. Hauber vom Department of Neurobiology and Behavior der amerikanischen Cornell-University hat gezeigt, dass australische Stachelspinnen Signalfarben als Beute-Lockmittel verwenden.

Dies widerspricht der allgemeinen Annahme, dass Auffälligkeit für den Beutefang kontraproduktiv sei. Und zwar dann, wenn die Beute durch solche Signale getäuscht wird.
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"Colouration attracts prey"
Der Artikel "Colouration attracts prey to a stationary predator" von Mark E. Hauber erscheint in der nächsten Ausgabe des Fachmagazins "Ecological Entomology" (September 2002).
->   Ecological Entomology
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Vorsicht giftig!
Auffällige Farben dienen im Tierreich oft als Warnsignale. Am eindrücklichsten zeigt sich dieser Umstand bei der so genannten "Mimikry". Bei diesem biologischen Phänomen kommt es zu einer Art "Betrug" in der zwischenartlichen Kommunikation, da ungefährliche Arten die selben Farbsignale verwenden, wie deren wehrhafte Vorbilder.
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Lehrbuchbeispiel Mimikry
Der Begriff "Mimikry" bezeichnet im Tier- und Pflanzenreich jede Ähnlichkeit zwischen Organismen, die nicht durch stammesgeschichtliche Verwandtschaft, sondern durch die Nachahmung von Signalen zustande kommt. Der Klassiker unter diesen Nachahmungs-Phänomenen ist die so genannte "Bates'sche Mimikry".

Ein Beispiel hierfür sind von Bienen und Wespen verwendete optischen Warnsignale, die durch die Farbkombination Gelb-Schwarz auf deren Hinterleib erzeugt werden. Diese Signale weisen auf die Giftigkeit bzw. Gefährlichkeit der Signalträger hin.

Allerdings gibt es auch Arten, wie zum Beispiel manche Schwebfliegen, die als "evolutionäre Trittbrettfahrer" die selben Signale verwenden - und sich damit schützen ohne selbst giftig zu sein. Dieser Sachverhalt wurde erstmals vom englischen Naturforscher Henry Walter Bates im 19. Jahrhundert beschrieben.
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Getarnte Räuber
Eine andere Strategie zur Abwehr von Fressfeinden ist die so genannte Tarnung. Hier bedienen sich Lebewesen besonderer Verhaltensweisen (z.B. Ruhestellungen) und spezifischer Farbanpassungen (z.B. Tarnkleider), um in ihrer natürlichen Umwelt möglichst nicht entdeckt zu werden.

Tiere, die als Lauerräuber auf die Jagd gehen, tun ebenfalls gut daran, die Strategie der Camouflage zu verfolgen. Denn Räuber, die zu früh gesehen werden, werden langfristig wenig Erfolg haben - so die evolutionäre Logik des Beutefanges.
"Stachelspinnen arbeiten wie Casinos"
Dass man in der Evolutionsbiologie besser von allgemeinen Regeln und weniger von strengen Gesetzmäßigkeiten - wie etwa in der Physik - spricht, zeigen die Forschungen von Mark E. Hauber. Seine Untersuchungen an der Stachelspinne "Gasteracantha fornicata" haben ergeben, dass Signalfarben den Erfolg im Beutefang sogar fördern können.

Hauber findet für seine Ergebnisse ein Analogiebeispiel aus der Wirtschaft. "Werbung und Attraktion sind Dinge, die man besonders eindrücklich an Casinos beobachten kann. Sie locken mit hellen Lichtern, billigen Hotelzimmern und großartigen Mahlzeiten", so der Verhaltensbiologe: "Die Stachelspinnen arbeiten auf die selbe Weise."
Signalfarbe fördert Beutefang
"Helle Farben und kontrastierende Muster sollten bei räuberischen Arten, die Fallen benutzen, nicht vorkommen. Stattdessen verfolgen solche Arten die so genannte 'Sit and wait'-Taktik, um ihrer Beute habhaft zu werden", erklärt Hauber. Eben das wäre auch für Gasteracantha fornicata zu erwarten, die in ihren Netzen auf Beute lauert.

Die Stachelspinne zeichnet sich durch einen auffälligen, schwarz-gelb gefärbten Hinterleib aus. Um den Einfluss dieser Färbung auf den Beuteerfolg zu überprüfen, bemalte Hauber die gelben Streifen mit schwarzer Farbe.

Es zeigte sich, dass Spinnen mit schwarzen Hinterleiben signifikant weniger Insekten erbeuten konnten, als jene, die unverändert geblieben waren. Dieses Ergebnis deutet darauf hin, dass das schwarz-gelbe Muster eine adaptive Funktion haben muss - auch wenn dies der biologischen Intuition widerspricht.
Täuschung durch UV-Fallen
Hauber deutet seine Ergebnisse folgendermaßen: "Die Farben ziehen die Insekten offensichtlich an. Möglicherweise dienen sie zur Nachahmung von Blüten. Es wäre auch denkbar, dass sie Licht im UV-Bereich reflektieren. Denn viele Fliegen und Moskitos werden von UV-reichem Licht angezogen, da dieses freie Bereiche im dichten Wald anzeigt."

Für diese Interpretation spricht auch die Positionierung der Netze. Diese sind nämlich bevorzugt an Stellen zu finden, die zwischen dunklen und lichten Waldbereichen liegen.
->   Cornell-University
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->   Die Evolution von Tarnung und Täuschung
 
 
 
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01.01.2010