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Profimusiker haben mehr graue Zellen  
  Woher rührt musikalische Begabung? Ist sie vererbtes Talent oder durch Erziehung und andere Umwelteinflüsse begünstigte Fähigkeit? Eine aktuelle Studie hat nun nachgewiesen, dass jene Teile des Gehirns, die für die Hörleistungen zuständig sind, bei Profimusikern größer und sensibler sind als bei unmusikalischen Menschen. Entschieden ist die Frage nach der Herkunft künstlerischer Begabung damit aber noch lange nicht.  
Wie die aktuelle Ausgabe von "Nature Neuroscience" berichtet, fanden deutsche Neurologen die sowohl neurophysiologisch als auch anatomisch signifikanten Unterschiede zwischen musikalisch "begabten" und "unbegabten" Gehirnen.
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"Enhanced activation in the auditory cortex of musicians"
Der Artikel "Morphology of Heschl's gyrus reflects enhanced activation in the auditory cortex of musicians" von Peter Schneider et al. wurde vorab online publiziert (17. Juni 2002) und wird in einer der kommenden Ausgaben von "Nature Neuroscience" erscheinen.
->   Nature Neuroscience (kostenpflichtig)
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Gehirnteile von Profimusikern sind sensibler ...
Peter Schneider und Kollegen von der Neurologischen Klinik der Universität Heidelberg verglichen 12 Profimusiker, 12 Amateurmusiker und 13 Nicht-Musiker. Sie spielten ihnen Tönen mit unterschiedlicher Frequenz (100 bis 5600 Hertz) vor und untersuchten jene Teile des Großhirnrinde, die darauf reagieren - den auditorischen Cortex.

Das mit Hilfe der Magnetencephalographie, einem bildgebenden Verfahren der Gehirnforschung, visualisierte Ergebnis: Die Gehirnreaktionen der Profimusiker sind deutlich stärker als jene der Nicht-Musiker, Amateure liegen dazwischen.
... und größer als von Amateuren
Außerdem maßen die Neurologen die Größe der so genannten Heschl-Windungen - die für Audio-Reaktionen entscheidenden Teile des Gehirns. Profimusiker haben dort verglichen mit unmusikalischen Menschen 130 Prozent mehr graue Zellen.

Der Schluss von Peter Schneider: Musikalisches Talent ist zu einem nicht unerheblichen Teil angeboren - und von der Größe der Heschl-Windungen abhängig.
->   Mehr über bildgebende Verfahren der Gehirnforschung
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Heschl-Windungen
Heschl-Windungen (Gyri temporales transversi) sind Querwindungen an der medialen Oberfläche des Schläfenlappens in der Tiefe der großen seitlichen Hirnfurche. Im menschlichen Gehirn kommen zwei bis vier deutliche Querwindungen vor, deren Funktionen mit dem auditorischen System zusammenhängen. Während früher die Heschl-Windungen mit dem primären auditorischen Cortex gleichgesetzt wurden, gelten sie heute als gesamter auditorischer Cortex (Hörrinde), mit der ersten Windung als primärer Hörrinde.
->   Mehr über den Aufbau des Gehirns
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Talent formbar nur bis zum neunten Lebensjahr
Allerdings ist die genetische Disposition - wie immer bei menschlichen Eigenschaften - nicht die einzige Quelle für musisches Talent. Das Aufwachsen in einer musikalischen Familie, in der viel Musik gesungen und gehört wird, hält Schneider ebenso für wichtig.

Mit spätestens neun Lebensjahren sei diese künstlerische Begabung aber nicht mehr formbar - gleichgültig ob sie nun anatomisch vorherbestimmt oder durch Umweltbedingungen beeinflusst ist.
Studie lässt unterschiedliche Interpretationen zu
Nach Ansicht von Bob Carlyon vom Gehirnforschungszentrum in Cambridge ist der Streit damit aber noch lange nicht geklärt - und die Studie lasse unterschiedliche Interpretationen zu.

"Es bleibt unklar, ob die Heschl-Windungen größer und empfänglicher geworden sind aufgrund dauernder Übung und Praxis, oder ob Menschen musikalische Talente haben, weil sie größere und empfänglichere Heschl-Windungen haben", so Carlyon gegenüber BBC Online.
->   Neurologische Klinik, Universität Heidelberg
->   BBC Online
->   Mehr über Gehirnforschung in science.ORF.at
 
 
 
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01.01.2010