News
Neues aus der Welt der Wissenschaft
 
ORF ON Science :  News :  Wissen und Bildung .  Leben .  Medizin und Gesundheit 
 
Zankapfel Forschungskompetenz  
  Österreich soll in Zukunft eine größere Rolle bei der Entdeckung neuer Biotechnologie-Verfahren spielen: Zu diesem Zweck wird in Wien ein neues Kompetenzzentrum errichtet. Im Rahmen der Präsentation des "Austrian Center of Biopharmaceutical Technology" (ACBT) wurde auch heftige Kritik an Österreichs Ablehnung des sechsten EU-Rahmenprogramms geübt.  
Firmen und Unis ziehen an einem Strang
Die Firmen Boehringer Ingelheim, Biochemie Kundl, das Wiener Gentechnik-Unternehmen Polymun sowie das Institut für Biochemie der Universität Innsbruck und das Institut für Angewandte Mikrobiologie (BOKU-Wien) starten mit öffentlicher Unterstützung das neue Kompetenzzentrum ACBT. Die Partner wollen in diesem virtuellen Zentrum vor allem neue Verfahren zur Herstellung von Biotech-Molekülen entwickeln.
Geldmittel: 7,8 Mio Euro
Das ACBT wird mit Geldmitteln von 7,8 Millionen Euro ausgestattet, die Stadt Wien steuert 700.000 Euro bei. Finanzstadtrat Rieder erklärte bei der Präsentation: "Wir haben seit 1997 72,7 Millionen Euro in diesen Bereich investiert. Bis 2005 wird die Stadt Wien nochmals rund 64 Millionen Euro zur Verfügung stellen."
...
Funktionsweise des ACBT
So soll das ACBT funktionieren: An Hand von Modell-Substanzen werden von den Partnern vor allem optimierte Verfahren zur Herstellung von Biotechnologie-Produkten entwickelt. Das gilt sowohl für mikrobielle Expressionssysteme mit gentechnisch veränderten Bakterien als auch für Produktionsverfahren auf der Basis manipulierter Säugetierzellen in Kultur.

Das dabei entstandene Wissen wird von den Partnern gemeinsam genutzt. Etwaige Patentierungen werden ebenfalls gemeinsam betrieben. Was selbst nicht genutzt werden kann, soll auslizensiert werden.
...
"Es gibt keine Regionalliga..."
Jörg Windisch, Leiter der Entwicklungsabteilung der Biochemie Kundl: "Es gibt keine Regionalliga, in der wir spielen können. Es gibt nur die 'Weltmeisterschaft'." Allein die Biochemie gebe derzeit 65 Millionen Euro pro Jahr für Forschung und Entwicklung aus. Die Entwicklung neuer Technologien, kürzere Entwicklungszeiten, höhere Ausbeuten, eine Reduktion der Kosten und Risiken sowie eine Erhöhung der Wirtschaftlichkeit seien die Hauptziele.
Heftige Kritik an Österreichs Forschungspolitik
Nach Angaben von Kurt Konopitzky, Bereichsleiter der Biopharmazie-Aktivitäten von Boehringer Ingelheim in Österreich, investiert man auch bei Boehringer 65 Millionen Euro jährlich. In diesem Zusammenhang äußerte er auch heftige Kritik an der Ablehnung des 6. EU-Rahmenprogramms Forschung durch Österreich.

Die Alpenrepublik hatte als einziges EU-Mitgliedsland aus "ethischen Bedenken" wegen der Stammzellforschung dagegen gestimmt.

Der Wissenschaftler und Forschungsmanager: "Wir haben uns mit der Ablehnung des 6. Rahmenprogrammes an letzter Stelle der EU platziert. Die Optik im Ausland ist eine Katastrophe. Ich werde von ausländischen Kollegen mit einer Mischung von Hohn und Mitleid behandelt."
Ablehnung war unnötig
Dabei wäre - so Konopitzky - die österreichische Ablehnung gar nicht notwendig gewesen, weil in dem Programm sowieso festgelegt sei, dass jedes Land nur im Rahmen seiner Bedingungen teilnehmen sollte.

Wer das Programm also auf österreichischer Seite abgelehnt habe, habe es offenbar gar nicht gelesen. Der Experte weiter: "Die EU gibt 17,5 Milliarden Euro in den nächsten Jahren aus. Offenbar hat Österreich genug Geld und braucht das Geld aus Brüssel nicht."
Nur "atmosphärische Auswirkungen"?
Ulrike Unterer, Leiterin der Abteilung für technisch-wirtschaftliche Forschung in der Sektion Technologie des Wirtschaftsministeriums, hofft allerdings, dass österreichische Stellen trotz der Gegenstimme an Projekten des EU-Programms teilnehmen werden: "Wir hoffen, dass das nicht mehr als atmosphärische Auswirkungen hat."

Das Programm sei ja beschlossen worden. In einem halben Jahr könnte die Situation entstehen, dass niemand mehr frage, ob Österreich nun dafür oder dagegen gestimmt habe.
Tourismus statt Forschung?
Dem hält Konopitzky entgegen: "Es wird definitiv zu Nachteilen kommen. Das ist eine dramatisch schlechte Entscheidung." Man habe sich in eine Position manövriert, die Österreich bestenfalls noch als Land mit etwas Tourismus und Traditionsprodukten erscheinen lasse.
Mehr zu diesem Thema in science.ORF.at
->   Sechstes Forschungs-Rahmenprogramm beschlossen
->   Biotech-Industrie für EU-Biopatentrichtlinie
->   Forschungsförderung: Sechs neue Kompetenzzentren
 
 
 
ORF ON Science :  News :  Wissen und Bildung .  Leben .  Medizin und Gesundheit 
 

 
 Übersicht: Alle ORF-Angebote auf einen Blick
01.01.2010