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Ein Jahr österreichische Bioethik-Kommission  
  Seit mittlerweile einem Jahr existiert die österreichische Bioethik-Kommission: Am 2. Juli 2001 hat sich das Beratungsgremium konstituiert. Aus diesem Anlass zieht der Vorsitzende der Komission Bilanz.  
Der Gynäkologe und Theologe Johannes Huber sieht etwa die Linie des Beratungsgremiums der Bundesregierung bei der Stammzellenforschung durch die jüngsten Erkenntnisse von US-Forschern über adulte Stammzellen voll bestätigt. "Retrospektiv haben wir auf die richtige Karte gesetzt", erklärte Huber im Gespräch mit der APA.
->   science.ORF.at: Vielseitiges Entwicklungspotenzial adulter Stammzellen
Positive Bilanz zum ersten Jahr
Über das erste Jahr Arbeit der Bioethik-Kommission zog Huber eine positive Bilanz. Er sei überrascht, dass sich "19 höchst differenzierte Professoren mit einem völlig unterschiedlichen weltanschaulichen Bild zu einer so gut funktionierenden Gruppe zusammengefunden haben".

Den Beschluss der Bundesregierung, wegen der Vorbehalte gegenüber der embryonalen Stammzellenforschung gegen das 6. EU-Rahmenprogramm für Forschung zu stimmen, sieht Huber durch die Empfehlung der Kommission zu diesem Punkt nicht gedeckt.
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Die - uneinheitliche - Empfehlung der Kommission
In dieser Frage hatten elf Mitglieder des Gremiums für die Förderung von Arbeiten an Embryonen-Zellen unter bestimmten Auflagen gestimmt, acht waren dagegen - für Huber ist dieses Stimmverhalten übrigens ein Indiz für die "demokratische Zusammensetzung der Gruppe, die nicht nur aus Ja-Sagern besteht". Das Nein Österreichs zum Rahmenprogramm tue ihm Leid, und er sei "deprimiert darüber, dass Österreich innerhalb der EU dadurch isoliert ist", dennoch sei die Entscheidung verständlich.
->   Mehr dazu in science.ORF.at
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Keine Empfehlung bislang umgesetzt
Keine Probleme hat Huber nach eigenen Worten damit, dass noch keine der Empfehlungen der Bioethik-Kommission von der Politik umgesetzt wurden, weder das Ja zur Ratifizierung der Biomedizin-Konvention des Europarats, noch das Ja zur EU-Biopatent-Richtlinie.

"Man kann nicht erwarten, dass das alles innerhalb von Wochen politisch umgesetzt wird. Aber ich hoffe schon, dass das noch in dieser Legislaturperiode angegangen wird, sonst wäre es auf die lange Bank geschoben", so der Kommissions-Vorsitzende.
Huber für eigenes Embryonengesetz
Für "sinnvoll" hält Johannes Huber die Schaffung eines eigenen Embryonengesetzes in Österreich. Vorerst sei aber noch in dieser Legislaturperiode eine Novellierung des Fortpflanzungsmedizingesetzes geplant, mit deren Inhalt sich die Bioethik-Kommission in ihren nächsten Sitzungen beschäftigen will.
Längere Aufbewahrung, PID, überzählige Embryonen ...
Dabei werde es u.a. um eine längere Aufbewahrungsfrist überzähliger Embryonen aus der In-Vitro-Fertilisation gehen. Diese dürfen derzeit maximal ein Jahr tiefgefroren aufbewahrt werden, ehe sie vernichtet werden müssen. Angestrebt werden fünf Jahre, "weil man sie für die betroffenen Frauen länger braucht", so Huber.

Parallel dazu müsse aber ein größeres Regelwerk vorbereitet werden, das die kritischen Punkte enthält, etwa die umstrittene Präimplantationsdiagnostik (PID), oder die Frage, was macht man in Österreich mit den überzähligen Embryonen - Thematiken, mit denen sich die Kommission ebenfalls in den nächsten Sitzungen auseinander setzen will.
Zu wenig Diskussion in Gesellschaft
In der österreichischen Gesellschaft ortet Huber "zu wenig Diskussion" über die biomedizinische und bioethische Thematik, er hat aber kein Rezept, was man dagegen machen könnte. "Ich glaube, das liegt einfach an der Interesselosigkeit der Leute."

Zufrieden ist Huber mit dem Dialog, den die Kommission mit verschiedenen Bevölkerungsgruppen aufgebaut hat. So habe man permanent und intensiv Gespräche mit Behindertenorganisationen gesucht.

Und mit der Umweltschutzorganisation "Greenpeace" versuche man gemeinsam ein besseres Monitoring der Entscheidungen des Europäischen Patentamts in München vor allem bei Biopatenten aufzubauen.
Ausblick auf die Zukunft
Im ersten Jahr hat sich die Bioethik-Kommission primär mit von der Bundesregierung gestellten Anfragen und Aufgaben beschäftigt. Für das kommende Jahr hofft Huber, dass sich das Gremium mehr jenen Fragen widmen kann, "die wir uns selbst vorgeben".

(Das Gespräch mit Johannes Huber führte Christian Müller/APA)
->   Die österreichische Bioethik-Kommission
Mehr zu diesem Thema in science.ORF.at:
->   Ein Überblick über das erste Jahr der Bioethik-Kommission von Birgit Dalheimer
 
 
 
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01.01.2010