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Reproduktionsgesetze sollen novelliert werden  
  Das österreichische Fortpflanzungsmedizingesetz ist in diesem Sommer exakt zehn Jahre alt. Gemeinsam mit dem In-vitro-Fertilisierungs-Fondsgesetz sollen die nach Ansicht von Experten "überholten" Paragraphen nun novelliert werden.  
Im Sozialministerium wird eine Novellierung des In-vitro-Fertilisierungs-Fondsgesetzes vorbereitet. Im Justizministerium gibt es bereits erste Ansätze für einen Entwurf zur Änderung des besonders restriktiven österreichischen Fortpflanzungsmedizingesetzes. Laut Meinung vieler Fachleute wurde es durch die Entwicklung der modernen Medizin auf diesem Gebiet zunehmend überholt. Kritiker meinen auch, dass es in verschiedenen Punkten nicht schlüssig ist.

Dies erklärte am Freitag bei einem Round-Table-Gespräch anlässlich der Jahrestagung der österreichischen Gesellschaft für Reproduktionsmedizin und Endokrinologie, Gerhard Aigner vom Sozialministerium im Wiener AKH.
Bisher "Faule Kompromisse"
Der Zivilrechtler Erwin Bernat von der Universität Graz: "Vor Inkrafttreten des Fortpflanzungsmedizingesetzes sind eigentlich die wichtigen Punkte allesamt ausdiskutiert worden. Die Politik hat sich dann auf Kompromisse geeinigt. Diese Kompromisse scheinen eher 'faul' zu sein."

IVF-Experten listeten bei der Podiumsdiskussion die Mängel auf. Der Wiener Gynäkologe: "Wir stoßen immer wieder an Grenzen, weil es neue Techniken gibt. So ist zum Beispiel die Eizellspende verboten. Da ist mittlerweile ein lukrativer und fluktuierender Markt um uns herum entstanden."
->   Österreichisches Fortpflanzungsmedizingesetz
PID-Verbot führt zu späten Abtreibungen
Der Linzer IVF-Spezialist Gernot Tews (LKH) betonte zwar, dass sich die beiden Gesetze im Grunde bewährt hätten, jedoch Novellierungsbedarf dringend gegeben sei: "Zum Beispiel ist die Präimplantationsdiagnostik (PID) verboten."

Das führe einfach dazu, dass "blind" IVF-Embryos implantiert würden. Erst später könne man mit einer Chorion- oder Fruchtwasserbiopsie eine pränatale Diagnostik versuchen. Und wenn dann eine drohende Fehlbildung vorliege, werde das Kind dann erst in einem späteren "Alter" abgetrieben. Tews: "Das ist, glaube ich, nicht der richtige Weg."
Embryonen-Aufbewahrung: Nur ein Jahr
Auch die nur ein Jahr bestehende Möglichkeit, Embryonen tief gefroren aufzubewahren, ist laut Tews zu ändern. So sei ein Elternpaar 15 Monat nach dem ersten Kind gekommen und habe sich nach den aufbewahrten Embryonen erkundigt.

Der Gynäkologe: "Wir mussten ihnen sagen, dass wir sie kontaktieren wollten, schließlich aber die Embryonen 'verwerfen' mussten. Das Paar hat uns kurz mit einer Klage gedroht."
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Indirekte Informationen
Für das Fortpflanzungsmedizingesetz ist das Justizministerium federführend zuständig. So konnte Gesundheits-Legistiker Gerhard Aigner sozusagen nur indirekte Informationen anbieten: "Ich weiß, dass die Kollegen im Justiziministerium Überlegungen für eine Novellierung intern diskutieren. Es gibt einen Entwurf im Justizministeriun, über den wir jetzt reden." Bereits für den kommenden Herbst sei mit einem Begutachtungsverfahren zu rechnen.
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Längere Aufbewahrungsfrist von Embryonen
Aigner erwartet vorerst folgende Änderungen: "Die größte Chance ist die Frist der Aufbewahrung von Embryonen - dass sie aber wirklich deutlich verschoben wird." Das im selben Paragrafen festgelegte Übertragungsverbot für Embryonen sollte ebenfalls praktikabler gemacht werden.

Der Jurist: "Wie ist es denn, wenn eine Frau den Arzt wechselt? Hier wollen wir etwas ändern. Natürlich kann man auch über eine Eizellspende, über eine 'pränatale Adoption', nachdenken."
Kaum Chancen auf Präimplantationsdiagnostik
Skeptisch bewertete der Experte die Chancen auf die Ermöglichung der Pränataldiagnostik: "Wo ich mir kaum Hoffnung mache, ist die Präimplantationsdiagnostik. Ich verstehe die Argumente, die dafür sprechen, sehr gut."

Doch die Politiker würden derzeit wahrscheinlich sagen: "Gesellschaftspolitisch weiß ich nicht, ob ich mich da drüber trauen soll." Immerhin sei ja im Jahr 2003 auch voraussichtlicher Wahltermin.
Frage der Kosten
Ebenfalls noch im kommenden Herbst will Aigner einen Novellierungsentwurf für das IVF-Fonds-Gesetz zur Begutachtung aussenden, mit dem die Bezahlung von 70 Prozent der Kosten für solche Behandlungen bei Frauen unter 40 (Männer unter 50) wegen nicht durchgängiger Eileiter oder schlechter Spermienqualität durch einen öffentlichen Fonds geregelt wurde.

Aigner: "Das Gesetz kam damals aus dem Sozialausschuss (des Nationalrates, Anm.). Es kam nie in Begutachtung. Die Legisten hatten 48 Stunden Zeit. Legistik ist aber keine Unfallchirurgie."
Vereinfachung der Bürokratie
Mit der Novellierung soll - so der Jurist - unter anderem die Möglichkeit geschaffen werden, dass auch infertile Paare mit privater Krankenversicherung ("opting out") für Leistungen aus dem Fonds in Frage kommen. Aigner: "Wir denken auch nach, wie man die bürokratischen Abläufe vereinfachen kann." Über die derzeit starren Altersgrenzen könne man eventuell noch diskutieren.

Was sich die IVF-Experten in diesem Zusammenhang zusätzlich wünschen: Die Ausdehnung der möglichen Anwendungsgebiete für IVF-Behandlungen mit Fonds-Teilfinanzierung auch beispielsweise auf Frauen, die an einer Endometriose (Wucherung der Gebärmutterschleimhaut, Anm.) leiden und deshalb unfruchtbar sind.
->   Sozialministerium
->   Justizministerium
 
 
 
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01.01.2010