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ORF ON Science :  News :  Medizin und Gesundheit 
 
Studie: Ärzte als Patienten  
  Sie predigen uns gesundes Leben, und leben selbst doch höchst ungesund: Besonders im Krankenhaus sind Ärzte und Pflegepersonal Belastungen ausgesetzt, die auf Dauer krank machen. Eine Studie von Physiologen des Joanneum Research geht den Ursachen auf den Grund.  
Belastungsmessung mit Weltraumtechnik
Notoperationen unter Zeitdruck, ein Patient nach dem anderen, schwerstkranke Menschen, die man oft genug sterben sieht, und dazu kaum Pausen, höchstens für eine Zigarettenlänge und einen Schluck Kaffee - all diese Belastungen werden in der aufwendigen Untersuchung des steirischen Wissenschafterteams penibel gemessen.

Technik aus dem Weltraum hilft dabei: der "heartman", ein zigarettenschachtelgroßes Messgerät, das für die Kosmonauten des Mir-Programmes entwickelt wurde, liefert rund um die Uhr Daten über den Zustand des Organismus.

Die Messergebnisse protokollieren nicht nur Belastungsspitzen, wie sie bei heiklen Operationen auftreten, sondern auch, ob sich der Körper in den Ruhepausen oder im Schlaf erholt.
Leben gegen die innere Uhr
Die Erkenntnis der Wissenschaftler: entscheidend sind die Erholungsphasen. Nur wenn der Organismus zur Ruhe kommt und ausreichend Kräfte tankt, kann ein dauerhafter Erschöpfungszustand vermieden werden.

Die Diagnose bei vielen Ärzten und Pflegeschwestern ist aber alarmierend: sie erholen sich auch nach dem anstrengenden Dienst nicht. Die Hektik des Klinikbetriebs wirkt noch lange nach.

Schon die ersten Messungen zeigten: Viele haben bereits schwere Schlafstörungen. Auf den Datensätzen lässt sich kein Unterschied mehr zwischen Tag und Nacht erkennen.
Studienobjekt: Körper und Seele
Das Projekt der Wissenschaftler des Joanneum Research, das derzeit am Landeskrankenhaus Weiz begonnen hat, ist besonders ambitioniert.

So arbeiten im Auftrag der AUVA mit den Medizinern auch Betriebspsychologen, die sich mit der subjektiven Wahrnehmung der Belastung befassen. Dabei zeigt sich: gerade Ärzte und Pflegerinnen haben gelernt, mit dem Leiden zu leben. Kaum einer schätzt ein, wie sehr er bereits gestresst ist.
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Burn out des Pflegepersonals
Vor allem die Arbeit des Pflegepersonals mit Intensivpatienten wurde bislang unterschätzt. Dabei trägt vor allem die ständige Auseinandersetzung mit Menschen, besonders mit Patienten zwischen Leben und Tod, zum "burn out" der Helfer bei.
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Mehrfachbelastung der Frauen
Frauen haben es doppelt schwer: Die Belastung von Pflegeschwestern ist deshalb ein besonderes Anliegen der Studie. Ihre Aufgaben werden immer anspruchsvoller, ihre Verantwortung größer. Ausbildungsmöglichkeiten und sozialer Status sind dagegen noch gering.

Bei vielen kommt dazu der Einsatz als Hausfrau und Mutter. Diese Doppelbelastung wirkt sich dramatisch aus. Messungen bei vorgehenden Studien haben ergeben, dass der Spiegel der Stresshormone auch nach dem Klinikalltag nicht mehr sinkt. Konsequenz: das Risiko von chronischen Erkrankungen steigt.
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Doppeltes Risiko
Eine aktuelle Studie der deutschen Angestellten Krankenkasse zeigt, dass im Gesundheitswesen doppelt so viele Menschen an Depressionen, Angstzuständen oder Panikattacken erkranken wie in anderen Branchen.
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Therapievorschlag: Pause machen
Patentrezepte, mit denen sich unsere Heiler schneller heilen, gibt es keine. Die Wissenschaftler sind aber überzeugt, dass ein Beachten der inneren Uhr den Gesundheitszustand erheblich verbessern würde. Konkret heißt das: immer wieder Pausen machen und so den Arbeitsalltag strukturieren.

In die Studie einbezogen und gemessen wird deshalb auch ein Pausenprogramm. Atemübungen und Bewegungstherapie haben ein besonderes Erholungspotential - sie sollen helfen, den erschöpften Medizinern ihre Energien wieder zurückzugeben.

Bei einem früheren Projekt mit Bauarbeitern hat sich dieses Programm bereits bewährt. Die Arbeitsunfälle gingen auf Null zurück. Jetzt hoffen die Wissenschaftler mit diesem neuen Arbeitsmodell auch das System Krankenhaus gesund zu machen.

Tom Matzek, Modern Times
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Mehr zu dem Thema in Modern Times, 13. Dezember 2002, 22.35 Uhr, ORF 2.
->   Modern Times
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->   Institut für Nichtinvasive Diagnostik
->   Krankenpflegereport der Deutschen Angestellten Krankenkasse (Word-Datei)
 
 
 
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01.01.2010