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Einfluss der Studiengebühren auf soziale Herkunft der Studenten?  
  Die Einführung der Studiengebühren im Wintersemester 2001/02 hat Angehörige sozial schwächerer Schichten kaum vom Besuch einer Universität abgehalten, so das Ergebnis erster Auswertungen aus dem "Bericht zur sozialen Lage der Studierenden". Erste Kritik an der Interpretation der vorgestellten Daten kam von der Österreichischen Hochschülerschaft (ÖH).  
Studiengebühren stellten "keine soziale Hürde" für die Aufnahme eines Studiums dar, betonte Bildungsministerin Elisabeth Gehrer (ÖVP) am Freitag gegenüber der APA. In diesem Zusammenhang appellierte sie an die SPÖ, ihr Festhalten am Abschaffen der Studiengebühren zu überdenken.
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Koalition: Studiengebühren "große nicht gelöste Frage"
Als "große nicht gelöste Frage" bei den Gesprächen der Untergruppe Bildung zwischen SPÖ und ÖVP bezeichnete die Bildungsministerin am Freitag die Studiengebühren. In diesem Punkt wäre eine Annäherung noch nicht erfolgreich gewesen, "da gibt es nicht absolute Harmonie", so Gehrer. Das wäre auch kein Geheimnis. Es wäre nicht sinnvoll, die Studiengebühren "in einem Zick-Zack-Kurs wieder abzuschaffen". Den Universitäten würden dadurch ab 2004 rund 132 Millionen Euro jährlich entgehen. Eine Absage erteilte Gehrer einer Freigabe der Studienbeiträge, wonach die Unis selbst die Höhe der Gebühren bestimmen könnten.
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Beispiel der Datenerhebung: Beruf des Vaters
Für den Bericht wurde unter anderem der Beruf des Vaters von inländischen ordentlichen Erstzugelassenen der Jahre 1999 bis 2001 erhoben. Ergebnis: Die in den Jahren vor Einführung der Studienbeiträge erkennbaren Trends haben sich auch im ersten Jahr mit Gebühren (2001) fortgesetzt.
Größter Anteil: Angestellten-Kinder
Den größten Anteil an den Erstsemestrigen stellen mit 32,7 Prozent nach wie vor die Kinder von Angestellten (1999: 33 Prozent, 2000: 32,7 Prozent), gefolgt von den Sprösslingen von Beamten mit 25,1 Prozent (1999: 26,7 Prozent, 2000: 25,7 Prozent) und Selbstständigen bzw. Freiberuflern mit 19,8 Prozent (1999: 19 Prozent, 2000: 18,8 Prozent).
Geringster Anteil: Kinder von Arbeitern
Der Anteil der Kinder von Arbeitern sank von 9,5 Prozent (1999) auf 9,1 (2000) bzw. 8,8 Prozent (2001).
Soziologen: "Keine Veränderungen" ...
"Der Hochschulzugang hat sich in den letzten Jahren im Hinblick auf die soziale Herkunft der Studierenden nicht verändert, auch nach Einführung der Studienbeiträge zeigen sich keine Veränderungen", schreiben die Soziologen Angela Wroblewski und Martin Unger vom Institut für höhere Studien (IHS) in ihrer Zusammenfassung.
... aber "bildungsferne" Schichten unterrepräsentiert
Gleichzeitig stellen sie allerdings fest, dass Studierende aus "bildungsfernen" Schichten im Vergleich zur Gesamtbevölkerung unterrepräsentiert sind. Insbesondere Arbeiterkinder wären "nach wie vor deutlich seltener an den Hochschulen vertreten als es ihrem Anteil an der Gesamtbevölkerung entsprechen würde".

Kinder von Freiberuflern, Selbstständigen oder Angestellten bzw. Beamten mit Hochschulabschluss würden jedoch einen doppelt so hohen Anteil unter den Studenten stellen als in der Gesamtbevölkerung.
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Weiteres Ergebnis: Gesamtbudget 1.040 Euro pro Monat
Weiteres Ergebnis der Erhebung: Dem Durchschnitts- Studenten stand im Sommersemester 2002 ein durchschnittliches monatliches Gesamtbudget von 1.040 Euro zur Verfügung - ein Fünftel davon machten "Naturalleistungen" wie von den Eltern überwiesene Beteiligungen an Miete, Studienbeitrag und Ähnlichem aus.

Das ist nach Angaben Gehrers rund ein Drittel mehr als bei der letzten Sozialerhebung 1998. Es zeigte sich auch, dass Männern (auf Grund ihrer höheren Erwerbstätigkeit) ein höheres Budget als Frauen zur Verfügung stand und dass das Gesamtbudget mit zunehmendem Alter ansteigt. Keinen Einfluss auf die Höhe des zur Verfügung stehenden Budgets habe die soziale Herkunft der Studenten, schreiben Unger und Wroblewski. Allerdings machen die Elternzuwendungen bei Studierenden aus einer hohen sozialen Schicht fast die Hälfte des Gesamtbudgets aus, bei Studenten aus einer niedrigen sozialen Schicht hingegen nur 16 Prozent.
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ÖH-Kritik: "Viele Fragen unbeantwortet"
Die Österreichische HochschülerInnenschaft (ÖH) reagierte in einer Aussendung auf die Vorabpräsentation des Berichts: "Ministerin Geher pickt sich die vermeintlichen Rosinen aus dem Kuchen, kommentiert sie propagandistisch und falsch und lässt viele Fragen unbeantwortet", so ÖH-Vorsitzende Andrea Mautz.
Fehlende Angaben bemängelt
Aus den wenigen präsentierten Zahlen erkenne die ÖH ein tendenzielles Sinken der Zahl an studierenden Kindern aus bildungsfernen Schichten, so die Aussendung weiter. Darüber hinaus werden fehlende Angaben - beispielsweise zur sozialen Lage der "Ex-Studierenden" - bemängelt.

Auch Zahlen zur Berufstätigkeit der Studierenden werden vermisst: Den Angaben von 1999 zufolge seien zu dieser Zeit 70 Prozent der Studierenden berufstätig gewesen - mit Einführung der Gebühren sei diese Zahl zweifelsohne signifikant angestiegen, was längere Studienzeiten zur Folge habe, spekuliert die ÖH.
Präsentation des gesamten Berichtes gefordert
Die Forderung der ÖH-Vorsitzenden: Präsentation des gesamten Berichtes. "Dann erst kann seriös ermittelt werden, welche Auswirkungen die Einführung von Studiengebührenauf die soziale Lage der Studierenden hat."
->   Ministerium für Bildung, Wissenschaft und Kultur
->   Österreichische HochschülerInnenschaft (ÖH)
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->   Studiengebühren: Eltern sind Hauptfinanciers (23.12.2002)
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01.01.2010