Host-Info
Franz Seifert
Freier Sozialwissenschaftler in Wien
 
ORF ON Science :  Franz Seifert :  Wissen und Bildung .  Leben 
 
Der Gentech-Reis in der Garage  
  Die gentechnisch veränderte Reisart "Golden Rice" könnte dazu beitragen, manche Mangelkrankheiten in den Entwicklungsländern zu bekämpfen. Ein Filmprojekt in Wien geht nun der Geschichte dieses "philanthropischen Ausnahmefalls der Gentechnik" nach - und popularisiert dabei Wissenschaft, ohne belehrend zu sein.  
Wissenschaft als kultureller Reflexionsgegenstand
Mittlerweile mehren sich die Stimmen, die eine kulturelle Reflexion über die Innovationsmaschine Wissenschaft verlangen. Soll die verwissenschaftlichte Welt nicht allein von Industrie, Markt und Politik überlassen bleiben, haben die Menschen sie zunächst ästhetisch und intellektuell in Besitz zu nehmen.

Kürzlich machte ich mit einer sehr ungewöhnlichen, mir gänzlich neuen Form kultureller Reflexion über Wissenschaft Bekanntschaft. Der Dokumentarfilmer Bernd Kräftner lud mich zu einem"Zwischenbericht" seines derzeitigen Filmprojekts über "Golden Rice" ein.
...
Golden Rice
Bei Golden Rice handelt es sich um eine gentechnisch veränderte Reisart, die im Gegensatz zu herkömmlichem Reis Beta-Karotin, einem wichtigen Vorläufer von Vitamin A produziert. Damit kann die Gentechnik tatsächlich einmal eine von den Segnungen vorweisen, mit denen sich ihre Verfechter so gerne brüsten. Denn in Ländern, in denen Reis Hauptnahrungsmittel ist, führt der Mangel an Vitamin A oft zu schweren Erkrankungen, v.a. Erblindungen. Die neue Pflanze könnte das verhindern.
...
Für wirklich Bedürftige
Das Sensationelle an "Golden Rice" ist aber nicht nur, dass wir es hier einmal mit keinem Cash Crop zu tun haben, wie das beim Gros bisheriger Gentech-Nutzpflanzen (z.B. herbizid-resitentem Mais) der Fall ist. Vielmehr haben die Erfinder von Anfang an Sorge getragen, die wirklich Bedürftigen in den Genuss ihrer Entwicklung gelangen zu lassen.
Philanthropischer Ausnahmefall
Hinter der Entwicklung von Golden Rice stehen also tatsächlich philanthropische Motive. Und diese scheinen auch gute Chancen auf Realisierung zu haben: Durch ein kompliziertes System von Vertägen und Patentrechten konnten die Entwickler um den Schweizer Biotechnologen Ingo Potrykus die Konzerne, die die Entwicklung finanziert hatten, darauf verpflichten, sie bedürftigen Kleinbauern in Entwicklungsländern kostenlos zu überlassen. So wird die Gentechnik wirklich einmal Waffe im Kampf gegen den Welthunger. Zweifelsohne ein Ausnahmefall.
Film-Dokumentation des Golden Rice
Gemeinsam mit der Soziologin Judith Kröll und der bildenden Künstlerin Isabell Warner sucht Bernd Kräftner nun die Geschichte von Golden Rice filmisch zu dokumentieren. Da das endgültige Schicksal des neuen Organismus noch offen ist - noch wurde das gemeinnützige Projekt nicht realisiert - die Dreharbeiten daher fortdauern, liefert das Team um Kräftner vorerst einen Zwischenbericht. Dieser sollte einer interessierten Öffentlichkeit, darunter mir, zugänglich gemacht werden.
Teppich als Geschichte
Die Machart dieses Berichts verblüffte mich. In einem separaten Raum in einer Hochgarage in der Siftgasse in Wien bedeckt dieser Bericht in Form einer bunten, bildreich gestalteten Geschichte etwa 100 Quadratmeter.

Wie auf einem kunstvoll gewobenen Teppich geht man also auf der Geschichte von Golden Rice. Das Ambiente hinterläßt einen sonderbaren Ein-druck, irgendwo quietschen Autoreifen, die Betonwände der Garage schaffen eine etwas klaustrophobische Atmosphäre.
Popularisierung ohne Belehrung
Die Geschichte von Golden Rice ist zwar chronologisch dargestellt, jedoch bringt sie all die Chaotik und Vielfalt zum Ausdruck, die solchen im Hybridbreich zwischen Wissenschaft, Medien, Ökonomie und Globalisierung angesiedelten Vorgängen eigen ist.

Dieser Versuch einer Popularisierung von Wissenschaft ist damit nicht nur originell, er ist auch heilsam weit entfernt vom belehrenden Duktus, den die Wissenschaft selbst gerne einnimmt, wenn sie sich einer breiteren Öffentlichkeit präsentiert.
Persönlicher Kontakt
Besonders sympathisch ist v.a. das persönliche Engagement der Veranstalter, die den Besucher über ihren Geschichten-Teppich führen und detailliert Fragen beantworten. Will man als Gentechnik-Interessierter also etwas über Golden Rice erfahren, so sei dieser Zwischenbericht empfohlen. Er stellt eine ungewöhnliche, und gänzlich neue Form kultureller Aneignung von Wissenschaft und Technologie dar.

Der Raum in der Hochgarage in der Stiftgasse ist noch bis Ende Dezember begehbar. Termin nach Vereinbarung mit:

b.kraeftner@chello.at
 
 
 
ORF ON Science :  Franz Seifert :  Wissen und Bildung .  Leben 
 

 
 Übersicht: Alle ORF-Angebote auf einen Blick