Host-Info
Franz Seifert
Freier Sozialwissenschaftler in Wien
 
ORF ON Science :  Franz Seifert :  Medizin und Gesundheit .  Wissen und Bildung 
 
Genomics und Öffentlichkeit  
  Die neue Forschungskooperation zwischen dem Deutschen Pharmariesen Bayer AG und dem amerikanischen Biotechnologie-Unternehmen CuraGen Corporation stellt mit einem Wert von 1,5 Milliarden Dollar einen historischen Rekord in der Biotechnologie-Domäne auf.  
An Rekorde gewöhnt ?
Na und? Im Zeitalter der Konzern-Konzentration und -Globalisierung sind wir an solche Rekorde mittlerweile gewöhnt. Wir warten bloß noch auf den nächsten.
Die Welle der Zusammenschlüsse und Allianzen rollt ja auch nicht bloß in der Gentechnik- oder Pharmadomäne sondern in praktisch allen Großindustrien. Und das seit geraumer Zeit. Ihre Ursachen sind fest verankert im Gefüge moderner Ökonomien. Denn diese sind von der weltweiten Konkurrenz um innovative Produkte beherrscht. Und die schwindelerregenden Kosten und Risiken bei deren Entwicklung sind einer der Hauptgründe für derartige For-schungskooperationen, in denen ein mittelgroßes, innovatives Unternehmen (wie CuraGen) mit einem kapitalstarken Riesen (Bayer) zusammenrückt - oder sich schlichtweg von ihm schlucken läßt.
Perspektiven für industrielle Genetik
Im Grunde also nichts Außergewöhnliches. Und doch wirft die frischgebackene Allianz ein Schlaglicht auf die Strukturbedingungen und Wandel einer hoch dynamischen Biotechnologie-Industrie. Denn mit CuraGen hat Bayer in ein sogenanntes "Genomics"-Unternehmen investiert. Damit hat einer der wohl besten Kenner der Branche eine Wette auf die Gewinn-trächtigkeit dieser neuen Technologie abgeschlossen und ein deutliches Zeichen gesetzt, in welcher Weise sich die industrielle Gentechnik wohl weiterentwickeln wird.
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Genomics
"Genomics" markiert ein neues Stadium in der rapiden Evolution der Gentechnik. Der Begriff leitet sich von "Genom" ab, was die Gesamtheit aller Gene eines Organismus bezeichnet. Konkret ist Genomics ein Gemenge aus Gensequenzierungs- und Computermethoden. Letztere ermöglichen v.a. eines: Aus den unverständlichen Datenmassen, die im Zuge der verschiedenen, seit etwa 15 Jahren laufenden Genom-Projekte angehäuft wurden, Erkennt-nisse zu gewinnen.
Den stärksten Impetus erhält diese Ausbeutung des genetischen Datenfundus allerdings nicht von der "reinen Wissenschaft" sondern von der Industrie. Denn durch die Identifikation von Genen, die ein Ziel therapeutischer Drogen etwa gegen Diabetes oder Dickleibigkeit (CuraGens Entwicklungsschwerpunkten) liefern könnten, wie auch durch die ebenfalls computergestützte Modellierung des entsprechenden Gen-Produkts, verspricht man sich die weit raschere Entwicklung entsprechender Produkte.
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Andrang der Investoren
Daß man die Zukunft der Biotechnologie in den Genomics sieht, zeigt auch ein weiterer un-gewöhnliches Merkmal der Allianz. Denn anders als gewöhnlich wird hier auch der kleinere Partner CuraGen beträchtliche Kapitalmittel in die auf 15 Jahre anberaumte Kooperation einfließen lassen. Möglich ist ihm das allein aufgrund des begeisterten Andrangs der Investoren, die im Laufe des vergangenen Jahres hunderte Millionen Dollar in das Unternehmen gesteckt haben.
Öffentliche Wahrnehmung
Sucht man nun nach den Gründen für diesen Optimismus, stößt man auf eine weitere, grundlegende Eigenheit in der Entwicklung industrieller Gentechnik, nämlich deren enge Abhängigkeit davon, wie sie in der breiten Öffentlichkeit wahrgenommen wird. Dafür sind v.a. markante Medienereignissen ausschlaggebend. Die im vergangenen Jahr von Craig Venter (Präsident von Celera Genomics, einem der größten Genomics-Unternehmen) publi-kumswirksam in Szene gesetzte Bekanntgabe der vollständigen Sequenzierung des mensch-lichen Genoms war ein solches Medienereignis. Weltweit waren die Schlagzeilen voll davon, nicht anders als 1997 vom geklonten Schaf Dolly. Und so wie damals die Börsenkurse des schottischen Unternehmens, das das Schaf geklont hatte, in die Höhe schnellten, folgte nun ein allgemeiner Investitionsschub für Genomics. Werden Gen-Sequenzen zu den Rohstoffen der Biotechnologie-Industrie, sind Medienereignisse deren Kapital.
->   Informationen über die Forschungsallianz
 
 
 
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