Host-Info
Franz Seifert
Freier Sozialwissenschaftler in Wien
 
ORF ON Science :  Franz Seifert :  Gesellschaft .  Umwelt und Klima 
 
Kaum Schlagzeilen: Transgener Mais in Mexico  
  Dem mexikanischen Moratorium für transgenen Mais zum Trotz liegen nun Indizien für dessen breiten Anbau im Land und Auskreuzung auf heimische Sorten vor. Obwohl dieses Moratorium gerade hier aus triftigem ökologischem Grund verhängt wurde, nimmt die Öffentlichkeit aber wenig Notiz.  
Überraschendes Wiedersehen in Oaxaca
Bei einem Spaziergang durch das belebte Zentrum der südmexikanischen Stadt Oaxaca entdeckte ich an einem Zeitungskiosk folgende Überschrift: "Sí hay maíz transgénico" - "Er ist doch da, der transgene Mais".

Aus der österreichischen und europäischen Gentechnik-Kontroverse sind mir derlei Titelseiten nur zu vetraut. In der Regel markieren sie die Höhepunkte von Skandalisierungswellen gegen die Gentechnik, die soziale Bewegungen zu ihren vielleicht größten Erfolgen des vergangenen Jahrzehnts umgemünzt haben.

Hier aber, in Mexiko, hatte ich solche Schlagzeilen nicht erwartet. Ich nahm das Blatt unter näheren Augenschein.
Bloß eine lokale Notiz
Es war die Lokalzeitung "Tiempo de Oaxaca", die die Nachricht vom transgenen Mais einer Titelseite wert befunden hatte. Als einzige unter den am Kiosk aufliegenden Blättern.

Ihrerseits bezog sie die Nachricht aus einem El País-Artikel vom Vortag. Und der wieder bezog sich auf jüngst in "Nature" veröffentlichte Ergebnisse einer Forschergruppe der University of California.

So kam die Nachricht von weit her. Und doch berichtete sie von Geschehnissen in nächster Nähe, Geschehnissen auf molekulargenetischem Niveau, denen im Konflikt um die landwirtschaftliche Gentechnik einige Bedeutung zugeschrieben wird: In nativen Mais-Sorten aus der Umgebung Oaxacas, so "Nature", waren Spuren von transgenem (herbizid-resistentem Bt-Toxin-produzierendem) Mais festgestellt worden.
->   science.orf.at: Unerwünschter Gentransfer bei wildem Mais
...
Auskreuzung nachgewiesen
Mithilfe der DNA-Detektionsmethode PCR (Polymerase Chain Reaction) konnten die US-Wissenschaftler in einem geringen Prozentsatz der lokalen Maispflanzen Bestandteile des Gen-Vektors sowie des Bt-Toxin-Gens selbst nachweisen. Was sie zum Schluss kommen ließ, dass in Mexiko heimische Sorten derzeit einer beträchtlichen Durchmischung mit transgenem Material (durch Bestäubung) unterliegen.

Das gilt ebenso für die Ursprungs-Sorten des Mais in entlegenen Gebieten Mexikos. Bekanntlich stammt der Mais ja aus diesen Regionen. Hier war er von präkolumbianische Zivilisationen zur Nutzpflanze gezüchtet worden. Und hier, in Oaxaca, liegt eines der einstigen Zentren dieser Kulturen, jener der Zapoteken.
...
Traurige Ironie
Die Ergebnisse erzwingen aber ebenso den Schluss, dass das 1998 von der Regierung Mexikos erlassene Moratorium für transgenen Mais in großem Maßstab missachtet wird. Seiner ungeachtet dürfte der von internationalen Saatgutfirmen vetriebene Hochertragsmais bei heimischen Produzenten rege Nachfrage finden.

Vergleiche ich die hiesige Situation mit der Europas, wo - von der Medienöffentlichkeit streng ueberwachte - Bt-Mais-Moratorien v.a. als Resultate politischen Drucks zu deuten sind, sprächen in Mexiko tatsächlich gewichtige ökologische Gründe für eine strenge Auslegung des Vorsorge-Prinzips.

Indes, die Realität ist eine andere. Gerade da, wo transgener Mais droht, das ökologische Gleichgewicht nachhaltig zu stören (und es wohl auch tun wird), sorgt seine Präsenz für kaum mehr als Lokalnachrichten. Da wo er Not täte, bleibt der öffentliche Widerstand aus.
->   Weitere Artikel von Franz Seifert in science.orf.at
 
 
 
ORF ON Science :  Franz Seifert :  Gesellschaft .  Umwelt und Klima 
 

 
 Übersicht: Alle ORF-Angebote auf einen Blick