Host-Info
Franz Seifert
Freier Sozialwissenschaftler in Wien
 
ORF ON Science :  Franz Seifert :  Leben .  Gesellschaft .  Wissen und Bildung 
 
Genetische Ressourcen: Eine mexikanische Erfolgsgeschichte  
  Der Konflikt um genetische Ressourcen in Mexiko resultiert mitunter in Lösungen, die allen Beteiligten zugute kommen. Das illustriert das Abkommen zwischen vier Gemeinden im mexikanischen Staat Oaxaca und dem Biotech-Konzern Novartis.  
Eine Zufallsbekanntschaft
In einem Internet-Cafe in Oaxaca machte ich die Bekanntschaft des jungen Schweizers Ueli Baruffol. Ueli hielt sich zu Forschungszwecken in der südmexikanischen Stadt auf. Bald stellten wir fest, dass sich unsere Arbeitsgebiete überschnitten. Wir kamen näher ins Gespräch.

Für seine Abschlussarbeit in Forstwirtschaft, so erfuhr ich, untersuchte Ueli Zustandekommen und Umsetzung eines Vertrages zwischen vier mexikanischen Gemeinden (La Trinidad, Comaltepec, Capulalpan und Xiaucui) und dem Schweizer Pharmaunternehmen Sandoz (heute Novartis).

Das Arrangement sollte Nutzung und Gewinn aus der Erforschung lokaler genetischer Ressourcen in einer für alle Beteiligten zufriedenstellenden Weise regeln.
Das Projekt Uzachi - Sandoz
Während das Pharmaunternehmen aus der Untersuchung der Mikroflora verwertbares Wissen gewinnen wollte, wollten die über die Vereinigung Uzachi verbundenen lokalen Gemeinden dabei selbst nicht leer ausgehen. Sie insistierten darauf, an der Nutzbarmachung ihrer genetischen Ressourcen beteiligt zu werden.

Und tatsächlich erklärte sich Sandoz Mitte der Neunziger zu Gegenleistungen bereit. Für die Dauer seiner "Bio-Prospektionen" sollten den Gemeinden Zahlungen zukommen.

Aber viel wichtiger noch: Die Gemeinden sollten durch Ausbildung von Forschungspersonal sowie Übertragung von Laborgerät auch zu eigenständigen Forschungsprojekten in Stand gesetzt werden.

Nach Uelis Einschätzung gelang das auch. Inzwischen befindet sich in La Trinidad ein molekularbiologisches Forschungslabor, in dem anwendungsorientierte Projekte zum Nutzen der Gemeinden entworfen werden. Weiters wurde eine kommerzielle Pilzzucht gestartet.
Ein Ausnahmeerfolg
Allerdings dürfte es sich bei Uzachi - Sandoz um den Ausnahmefall eines gelungenen Interessensabgleichs im globalen Konflikt um Eigentum und Verwertung genetischer Ressourcen handeln.

Dafür verantwortlich sind eine Reihe von Faktoren, von der UN-Konvention über biologische Vielfalt über den guten Zusammenhalt innerhalb Uzachis bis hin zum persönlichen Einsatz Einzelner, etwa der aus der Region stammenden Brüder Francisco und Ignacio Chapeli. Francisco ist in einer lokalen NGO engagiert, Ignacio arbeitet als Mikrobiologe für Novartis.

Andere Bestrebungen nördlicher Wissensindustrien von den genetischen Ressourcen Mexikos zu profitieren, scheiterten in den vergangenen Jahren hingegen spektakulär an öffentlichem Widerstand.
Politisierung: ICBG - Maya
Das gilt vor allem für den Fall ICBG versus Maya. ICBG, die International Cooperative Biodiversity Group, ein Konsortium US-amerikanischer Forschungsinstitutionen, versuchte über Vermittlung von Ethnologen traditionelle Wissensbestände über die Heilpflanzen Chiapas zu sammeln. Die so "entdeckten" Pflanzen sollten ins pharmazeutische Repertoire ICBGs inkorporiert werden.

Auch hier bot der nördliche Interessent den lokalen Wissenslieferanten gewisse Gegenleistungen. Jedoch gerieten die Verhandlungen Ende des Jahrzehnts in eine intensive Politisierung.

Die aus dem internationalen Gentechnik-Konflikt notorische NGO RAFI (Rural Advancement Foundation International) mobilisierte die lokale Bevölkerung gegen das Abkommen. Ihre Interpretation des Abkommens als Versuch einer neuen Conquista und genetischen Enteignung stieß bei den lokalen Gruppen auf Resonanz.

Schließlich stieg auch die US-kritische Tageszeitung "La Jornada" in die Kampagne ein. Die starke Politisierung dieser Jahre brachte alle weiteren Bio-Prospektionsprojekte, wie auch Bemühungen diese zu beidseitigem Vorteil zu gestalten, zum Stillstand.

Ein guter Grund jene seltenen Fälle genauer unter die Lupe zu nehmen, in denen das Übereinkommen zwischen lokalen Gruppen und multinationalen Konzernen geklappt hat.
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